10 - technicolor beat

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D

Ich wurde heute entlassen.
Nach fast acht Monaten, in denen ich nur zwei Mal in meinem richtigen Bett geschlafen hatte.
Ich konnte meine Freunde wieder sehen.
Wenn sie mich überhaupt noch mögen würden...
Nach all dem, was passiert war.
Ich hatte teilweise für einen Monat Kontakt abbrechen müssen, weil ich auf der Geschlossenen war.
Und jetzt würde ich nach Ewigkeiten wieder zuhause sein.
Ich packte meinen letzten Pulli ein und atmete tief durch.
Im Krankenhaus zu leben war zwar überhaupt nicht schön, aber ich hatte auch Angst vor dem Leben außerhalb.
Mir ging es immer noch nicht gut.
Eine kleine Sache und ich könnte einfach zur Drogerie spazieren, ohne irgendwem den Kassenzettel zeigen zu müssen, und ich hatte meine sechs Monate clean sein wieder verkackt.
Klar, ich hatte hier so einige Skills gelernt.
Von Stressbällen über Chillibonbons bis zu dem Faust-Move.
Aber nichts fühlte sich so schön an, wie sich mit einer neuen Klinge eine kleine Bean zu verpassen...
"Du darfst jetzt gehen."
Ich drehte mich zu dem Pfleger, der irgendwie neben mir aufgetaucht war.
"Echt?", fragte ich leise.
"Komm lieber, bevor der Familienrichter es sich anders überlegt", grinste er.
Ich verdrehte lächelnd die Augen und nahm die große Sporttasche mit meinen Sachen drin in meine Hand, um aufzustehen und zur großen Tür zu gehen.
Endlich.
Fucking sieben Monate.
Ich hatte zwar echt keinen Bock auf meine Eltern, aber gut.
Immerhin kam ich jetzt nach Hause.
Meine Therapeutin höchstpersönlich sperrte die Tür auf und ich trat zögerlich einen Schritt nach vorne.
Das war ein großer Moment in meinem Leben.
"Mach's gut, Deniz. Pass auf dich auf, ja?"
Ich nickte und trat über die Türschwelle.
Meine Mum schloss mich in ihre Arme.
Der Pfleger, der mich ebenfalls rausbegleitet hatte, gab mir mein Handy.
Wow.
Das war's jetzt erstmal mit kontrolliert werden.
Ich hatte wieder die volle Kontrolle über mein Leben.
Ich schaltete mein Handy an.

bist du frei?

ja ich bin frei, wo treffen wir uns?

Ich grinste.
Es fühlte sich gut an.
Jetzt erstmal komplett wasted werden.
Endlich wieder.
Nach sieben Monaten wieder komplett druff durch die Gegend laufen und nicht mehr wissen, wo oben und unten ist.

können wir zu dir?

ja

safe

Wow.
Endlich.
Ich konnte es selbst kaum fassen, dass der Tag meiner Entlassung gekommen war und ich jetzt machen konnte, was ich wollte.
Aber gut.
Ich schickte Nina meine Adresse und setzte mich in das riesige Auto meiner Eltern.
Sie waren ziemlich reich, aber ich bekam fast nichts ab.
Erst, wenn ich arbeiten würde.
Aber zur Zeit war ich nicht mal in der Lage, eine Bewerbung zu schreiben, also mussten sie noch ein, zwei Jahre warten.

Nina hatte mir endlich geschrieben.

bin da :)

ich mach dir auf

Ich öffnete die Haustür und machte eine einladende Geste nach drinnen.
"Krass", grinste sie.
"Ja, meine Eltern haben Geld", seufzte ich, während sie ihre Schuhe auszog und begleitete sie nach oben in mein Zimmer.
Dieses war ziemlich groß, und es wunderte mich, dass meine Eltern es nicht als Abstellkammer verwendet hatten.
Sie schienen mich doch ein ganz kleines bisschen wertzuschätzen.
"Dachte, du hast ein T-Shirt an?"
Ich seufzte und zog meinen Hoodie aus.
Diesen warf ich auf mein Bett.
"Zufrieden?"
Sie nickte, und ich konnte sehen, dass sie sich bemühte, in mein Gesicht zu schauen.
"Soll ich den Hoodie wieder anziehen?", fragte ich leise.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte mich beschämt an.
"Sorry, falls ich mal drauf schaue", gab sie leise zu.
"Alles gut, stell' bitte nur keine dummen Fragen und werd' nicht respektlos."
Sie nickte und holte eine Flasche Hustensaft aus ihrem Rucksack.
Meine Augen begannen zu leuchten.
Endlich.
Wieder.
Drogen.
"Brauchst du was zum Mischen?"
"Ich hab' zwei kleine Flaschen Fanta, wenn du Bock hast."
Ich nickte ihr zu und sie holte auch diese aus ihrem Rucksack.
Sie schraubte den Deckel der Flasche Codein ab.
"Darf ich meine Flasche selbst schütten?"
"Natürlich", lächelte sie mir zu und gab mir die Fanta und das lila Teufelsgebräu.

codeine (bittersüße vodkaküsse 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt