Zurück zu mir

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Mia

Ich warf einen Blick auf den Kalender vor mir. Sechs Wochen waren vergangen. Wie lange dauerte es, bis ein gebrochenes Herz heilen würde? Eine Frage, die ich mir vor nicht allzu langer Zeit schon mal stellte. Damals, als Wes noch ein Teil all meiner Gedanken war. Wobei sich dies nicht vergleichen ließ. Wes und ich waren ein ganz anderes Kapitel, denn diese Trennung basierte nicht darauf, jemanden zurückzulassen, den man noch immer liebte.

Ich seufzte und setzte meine Finger erneut auf die Tastatur. Diese Worte zu Papier zu bringen, ließ mich genau darüber nachdenken, was schiefgelaufen war. Kylan allein die Schuld zu geben, wäre falsch. Wir beide waren mit vollkommen unterschiedlichen Erwartungen an die Sache herangegangen. Hatten uns von der Verliebtheit blenden und die wichtigsten Punkte außenvorgelassen. Aber all diese Probleme waren nebensächlich, denn am Ende war es Sam, die den Ton angab.

Ich spürte die Träne, die sich langsam einen Weg über meine Wange bahnte, ehe sie auf das Papier vor mir tropfte, auf dem meine Notizen standen. Eigentlich müsste ich vertrocknet sein, so viel, wie ich weinte. Immer wieder schafften es weitere Tränen sich ihren Weg zu bahnen.

»Pass doch auf, Liam! Der Schrank war sauteuer!«, meckerte Ebony ihren Cousin lautstark an, der die nächsten Teile aus Wes Zimmer schleppte. Immerhin hatte die ganze Sache ein gutes. Ebony hatte Wes ein Ultimatum gesetzt und er zog schon vorher freiwillig aus. Was auch immer sie ihm gesagt haben musste, es schien, als habe es einen Schalter bei ihm umgelegt. Ebony und ich waren uns einig, sein Zimmer nicht mehr zu vermieten und ein Gästezimmer darin einzurichten.

»Willst du nicht wie Mia lieber verschwinden und uns in Ruhe lassen?« Liam und Ebony waren meist ein Herz und eine Seele, selbst wenn es mal rauer im Ton zwischen ihnen zuging. Keiner nahm es dem anderen krumm. Aber ebenso stur waren sie. Von daher war es abzusehen, das Ebony nicht klein bei gegeben und verschwinden würde. Schon gar nicht, wegen ihrer antiken Möbel.

»Nein, ich will schon sehen, was ihr hier rausschleppt.«

Ich stellte mir vor, wie sie mit verschränkten Armen da stand und ihn anfunkelte, während der arme Liam sich mit schweren Kisten einen Bruch hob.

»Als würde einer deine hässlichen Möbel klauen wollen.«

Doch dieses bunte Treiben vor meiner Tür lenkte mich nur unnötig ab. Ich griff nach meinen Kopfhörern und öffnete die Playlist, die Kylan und ich einst gemeinsam befüllten. Wie bei meinen Instagrambildern war ich auch hier nicht in der Lage die Sachen zu löschen. Die Trennung von Wes war etwas vollkommen anderes. Da ging es um Enttäuschung.

Kylan musste ich trotz meiner Gefühle für ihn verlassen. Wissend, dass er der eine war, mit dem ich zusammen sein wollte und es nicht konnte. Ich zweifelte keinen Moment daran, dass er mich liebte. Ich glaubte nicht eine Sekunde, dass etwas an der Sache mit Olivia dran war. Da gab es nicht nur sie, sondern auch Sam, die jede Gelegenheit nutzen würde, um uns zu torpedieren. Es war bloß der leichteste Weg. Die Vorlage auf dem Silbertablett. Nicht fair, nicht ehrlich, doch die einfachste Möglichkeit, ihn und die Band zu schützen, denn keiner wusste, was Sam noch alles einfallen würde. Hinzu kam die immer lauter werdende Frage, ob ich bereit wäre, mein Leben hinter mir zu lassen. Meine Familie, meine Freunde. So sehr ich diese Zeit in Perth genossen hatte, so einsam war auch. Die Angst, an dieser Frage zu scheitern, dass er bemerkte, dass ich nicht die Frau war, mit der alt werden wollte und alles aufgegeben zu haben, war ein weiterer Punkt, der an mir nagte. Wes hatte mir deutlich gezeigt, dass ich nicht der Mensch war, mit dem man sein Leben verbringen wollte.

Ich atmete tief durch, las die Zeilen vor mir erneut durch. Meine Gedanken schweiften ab, zu dem Abend auf der Treppe. Kurz vor dem ersten Kuss, auf der Treppe. Dieser hatte sich so tief in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich konnte seine Lippen fühlen, roch seinen herben hölzernen Duft gemischt mit dem rauchigen Whiskey und spürte die Wärme, die an diesem Abend von ihm ausging.

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