Alles auf eine Karte

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Kylan

Ein Gespräch im Haus entfiel, es war zu viel los und irgendwer würde immer stören, ein simpler Spaziergang allein würde vielleicht von der Zeit vielleicht nicht reichen. Nicht bei den Temperaturen und Mia war gerade erst wieder aufgewärmt. Vom Ausflug an den Montmorency-Fall war sie richtig durchgefroren gewesen und trotz Sitzheizung neben mir auf der Beifahrerseite nicht mehr aufgetaut. Sie hätte den Fischstäbchen im Tiefkühler Konkurrenz machen können. Doch eine andere Möglichkeit gab es gerade nicht, ungestört zu reden, ohne einen falschen Eindruck zu hinterlassen. Auch wenn Thérèse mir anbot, eines der Ferienhäuser zu nutzen. Ein verlockender Gedanke, der allerdings den vollkommen falschen Eindruck vermitteln konnte. Auch wenn Mia sich über meine Brokkoli-Pasta freuen könnte, ein Ferienhaus schien den Eindruck nach einer gemeinsamen Nacht zu erwecken und es gab eines, was ich nicht noch mal durfte. Mia unter Druck setzen.

Ich wartete schließlich an der Außentreppe, ein Blick auf meine Uhr und ich war sicher, sie würde gleich kommen, denn Mia war schon immer überpünktlich und tatsächlich trat sie kurz darauf zu mir ins Freie. Die graue Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, die langen blonden Haare zu einem Zopf geflochten, der über ihrer Schulter lag.

»Ist es noch kälter geworden?« Sie sah zum Himmel, da bereits kleine Schneeflocken den Weg zur Erde suchten.

»Nein, dann würde es nicht schneien.« Erklärte ich ihr. »Bist du dick genug angezogen?«

Sie rollte die Augen und schritt an mir vorbei, die Treppe hinunter. »Gibt es hier so etwas, wie dick genug.«

»Nehmt doch bitte Pearl mit!«, rief Thérèse von unten und schon stürmte Pearl durch den Schnee im Garten. Sicher nicht, weil sie Gassi musste, sondern auf uns aufpassen sollte. Auch wenn uns Thérèse allein zum Luc laufen ließ, war der Rest ihr zu unsicher. Auch wenn ich in all den Jahren hier nicht einmal einem Bären begegnet war und sie wohl sicher im Winterschlaf waren.

»Klar, gerne doch«, antwortete ich daher knapp und folgte Mia die Treppe hinunter. »Was machen die anderen?«, wendete ich mich wieder dieser zu.

»Die Planen ihren Trip zu den Walen, mit Ebony.«

»Und du bist dir sicher, dass du da nicht mit willst?«

»Tja, ich stand wohl irgendwie vor dieser Entscheidung, Wale sehen, oder möglicherweise Zeit mit dir verbringen.« Sie harkte sich bei mir unter und der Mandelduft ihrer Haare strömte mir direkt in die Nase.

»Dann hättest du dich eindeutig für die Wale entscheiden müssen.« Ich stieß Mia sanft an.

»Wir hatten einen Deal, was Sightseeing in Kanada anging, schon vergessen, Surferboy?«

Ich erinnerte mich, dass Mia damals meinte, lieber mit mir durch Kanada reisen zu wollen, als alleine weiterzuziehen, als ich zurück nach Hause musste.

»Und deswegen gibst du Ebony bloß die Kyle und Mia Tour? Verstehe. Aber ehrlich gesagt, ist die nicht gerade mit vielen Highlights bestückt und diese Wale -«

»Willst du mich loswerden?« Lachend löste sich Mia und drehte sich zu mir um, ehe sie die Hände in die Hüften stemmte und versuchte, mich mit einem bösen Blick zu strafen.

»Als ob das überhaupt möglich wäre«, seufzte ich, griff nach ihrem Arm und zog sie mit mir. »Komm, wir gehen noch ein Stück, oder hast du etwa schon genug?«

Schweigend liefen wir weiter, der Schnee rieselte auf uns nieder, setzte sich auf Mias grauen Mütze ab, während er unter unseren Füßen knirschte. Wie startete man ein Gespräch darüber, was das zwischen uns noch war und ob es Sinn machte, noch einmal alles auf eine Karte zu setzen? Dafür gab es kein Handbuch, keinen Ratschlag. Ich wollte Deena fragen, was sie davon hielt, aber entschied mich dagegen, was ich gerade bitter bereute. Ein Spaziergang erschien mir vor einigen Stunden noch als großartige Idee, doch mit jedem Schritt wuchs die Unsicherheit in mir. Die Sorge darüber, ob Mia bereit war, sich noch einmal auf mich einzulassen.

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