Warum fühlt es sich so falsch an

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Kylan

Ich scrollte wieder durch ihre Bildergalerie, als könne ein Foto in ihrem Feed der Hinweis darauf sein, wie es ihr geht. Wenn ich Ebony Glauben schenken durfte, dann hatte sich Mia tief in ihre Arbeit vergraben. Sie schien ihre Muse zurückzuhaben, denn laut Ebony schrieb sie ein neues Buch. Wenn der ganze Mist wenigstens dafür gut war, freute ich mich für sie. Selbst wenn es uns beide nicht wieder näher brachte. Schließlich war es ihr Ziel, zu schreiben, als sie damals ihr Ticket nach Quebec buchte und am Ende schien sie genau das erreicht zu haben.

Da war diese eine kleine Sache, an die ich mich klammerte, wie ein Ertrinkender. Sie löschte keines der Fotos von uns beiden. Ich hatte meinen Feed aufgeräumt, jedenfalls was die Bilder und Verlinkungen mit Olive anging. Aber wie Mia fasste, ich die von uns beiden nicht an. Sie sollte wissen, dass ich es ernst meinte. Ich gab uns nicht auf. Dabei war es total bescheuert, denn ich verstand immer besser, was ich damals nicht sehen wollte. Sie hatte es deutlich gesagt und dennoch war ich so dumm, sie erneut zu bitten alles aufzugeben und mit mir zu kommen. Und genau das war es, was sie nicht konnte. Egal wie viel Unruhe Olive gestiftet hatte, sie war nicht der wahre Grund für die Trennung. Es war der Punkt, ihr Leben für mich aufgeben zu müssen. London, ihre Familie und ihre Freunde für mich zu verlassen. Für eine Sache die auf wackeligen Beinen stand. Ich war ein Egoist, der seine eigenen Bedürfnisse so offensichtlich über die ihren gestellt hatte, denn mir ging es immer nur darum, sie bei mir zu haben. Mein Blick blieb an einem Foto aus Rotten Nest hängen. An einen Moment, in dem wir beide wussten, wie viel wir einander bedeuteten. Doch es reichte nicht aus, diese wichtige Entscheidung zu treffen.

»Wirst du irgendwann dieses gruselige Stalking lassen?« Leo warf sich in den dunklen Ledersitz mir gegenüber und sah mich mit einem verschlafenen Blick an.

Ich warf das Telefon auf den Sitz neben mir und holte tief Luft. Gott war ich erbärmlich. Tatsächlich hatte ich so viele angefangene Nachrichten an sie in meinen Notizen. Keine davon hatte ich ihr gesendet und würde es auch nicht. Wann immer ich glaubte, allein zu sein, betrachtete ich irgendwelche Fotos von uns. Ich konnte sie nicht loslassen. Gestern waren es sechs Wochen, seit sie mich auf der Dachterrasse hatte stehen lassen. Der Tour durch Europa folgte eine Festivaltour durch die USA. Mir war alles recht, was mich ablenkte. Einen Vorteil hatte die USA. Olivia war nicht mehr mit dabei und das Duett konnte ich getrost aus dem Set streichen. Doch da waren noch immer zwei Songs auf der Setlist, die mich an jedem Abend auf der Bühne schmerzten, weil ich sie für Mia schrieb. Egal wie weit ich von ihr entfernt war, meine Gedanken kreist immer wieder um sie.

»Es ist bescheuert, oder?«

»Es sind sechs Wochen. Die Sache braucht Zeit, Kyle.«

Leo griff nach der Wasserflasche vor sich und schüttelte den Kopf. »Du weißt, ich mag sie, aber ihr habt euch echt zu einer beschissenen Zeit getroffen.«

Da hatte er recht. Die Tour, die ganze Sache mit Olive. Zudem war Mia dabei sich selbst zu finden, nachdem Wes sie gebrochen hatte. Zu wenig Zeit, zu viel Druck und dann sprachen wir nicht über die wichtigsten Punkte. Ich nahm ihre Sorgen nicht ernst. War blind und dachte, es sei bloß die Entfernung, die uns auseinanderriss. Dabei drängte ich sie immer wieder sich aufzugeben, für mich. Das wahre Problem, welches ich so geflissentlich übersah, oder einfach nicht sehen wollte. Ich stellte mich und mein Leben so deutlich über das ihre und war damit kein bisschen besser als ihr Ex.

»Ich hab's richtig verkackt.« Die letzten Nächte waren zu lang und Schlaf nicht mehr mein bester Freund. Immer wenn ich meine Augen schloss, war sie da. Also fuhren meine Gedanken mit mir Karussell, die ganze Nacht, bis ich irgendwann vor Erschöpfung einschlief und kurz darauf schweißgebadet aufwachte.

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