Brüder, wie sie im Buche stehen

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Kylan

Müde klimperte ich auf dem Keyboard herum. Die letzten Nächte waren nicht mal im Ansatz erholsam. Diese Melodie ging mir nicht aus dem Kopf. Sobald Leo von seinem Familienbesuch in Melbourne zurück war, sprachen wir mit ihnen über die Sache mit Sam. Bis dahin hieß es Füße stillhalten und dabei half mir nur Musik.

»Klingt gut.« Nolan kam gerade zurück und stellte die Tasche mit den Einkäufen auf den Tresen der Küche.

»Wie ein überfahrenes Tier«, brummte ich und legte den Kopf in den Nacken. Songs zu schreiben war noch nie mein Part, aus sehr offensichtlichen Gründen. Es lag eher Nolan und daher überließ ich ihm das Feld sehr gern.

»Spiel noch mal«, wies er mich an, ehe er sich auf die Bank neben mich setzte. Ich ließ meine Finger über die Tasten gleiten, wissend, wie aufmerksam er mich beobachtete. Dann übernahm er. Während ich noch einmal den Text sang, den ich bereits dazu hatte. Ohne dass wir groß sprachen, ergänzten wir uns.

»I was lost, Feeling empty. I thought I had nothing left to give, but you found me and showed me that I meant something to someone.« Immer und immer wieder arbeiteten wir diesen Part durch.

»Gar nicht so schlecht, komm ja nie auf die Idee eine Solokarriere zu starten.« Nolan grinste breit. Der Sound und Text entsprach nicht dem, was wir sonst spielten. Doch davon ließ Nolan sich nicht beirren.

»Wir müssen erst mal klären, ob es uns noch weiterhin gibt«, seufzte ich und legte den Block mit meinen Notizen weg.

»Sie kann uns das nicht wegnehmen. Dann wäre alles umsonst gewesen, was andere für uns aufgegeben haben.« Nicht nur Mia, Elisa oder Leah. Vor allem Eigth Ball, unsere Familien, Blake. Jeder steckte für diesen Traum zurück. Wir waren es ihnen quasi schuldig, nicht kampflos aufzugeben. »Ich habe einen Anwalt gefunden, der sich mit Vertragsrecht auskennt. Wenn Leo und Chad auch dafür sind, wird er ihn checken.«

Nie mussten wir uns um solche Dinge kümmern. Vertragsrecht, Anwälte, all das erledigte Sam gewissenhaft für uns, dachten wir jedenfalls. In der Sache waren wir nichts weiter als dumme naive Kinder. Wie sollten wir es besser wissen.

»Was, wenn sie dagegen sind?«, sprach ich meine größte Sorge aus. Leo schätzte ich nicht so ein. Chad hatte jedoch alles auf die Lucky Dilemma Karte gesetzt und möglicherweise die Band zu verlieren, die Songs und die letzten Jahre, könnte ihn auf Sams Seite ziehen. Dann hätte sie noch ein ehemaliges Mitglied und würde den Rest gnadenlos austauschen. So stand es in diesem beschissenen Vertrag. Sie hatte die Macht, das zu tun. Sie könnte uns alle ersetzen, mit einem Fingerschnipsen, denn Name und Songrechte gehörten ihr. Chad und Leo einzuweihen war richtig, aber ebenso risikoreich. Es stand so verdammt viel auf dem Spiel.

»Was würde ich jetzt für diese scheiß Kugel geben.« Nolan erhob sich.

»Mittlerweile glaube ich, dass das Ding nie funktioniert hat und er sie einfach so lange geschüttelt hat, bis er die passende Antwort hatte.« Ich schaltete das Keyboard aus.

»Wo ist sie? Hat Leah sie mitgenommen? Weil seine Mutter wollte sie ja nicht.«

Wir waren auf die glorreiche Idee gekommen, dass die Kugel mit ihm beerdigt werden sollte. Keine gute Idee, auch nicht, als Chad Mrs. Tander fragte. Sie hätte ihm diese Kugel am liebsten an den Kopf geworfen. Nicht verwunderlich, wenn er seinen jungen Tod damit vorhergesagt hatte. Wir erinnerten uns zu gut, als wir im Probenraum saßen und er diese vollkommen idiotische Frage stellte und die Kugel ja anzeigte. Damals nahm er es mit Humor. Heute fragte ich mich, ob er längst wusste, was los war und es seine Art war, uns darauf vorzubereiten, was passieren würde. Eine Frage, auf die wir nie eine Antwort erhielten.

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