PROLOG

326 19 0
                                    

  „Warte, Leander!", hörte ich hinter mich noch meine Großmutter nach mir rufen und natürlich blieb ich sogleich stehen, denn mit einer waschechten italienischen Nonna war nicht zu spaßen.

„Hier, mein Junge... ich habe dir noch den Rest der Nudeln eingepackt...", meinte sie zu mir, während sie gutmütig meine Wange tätschelte und mir kurz darauf eine weiße Plastiktüte mit dem Rest meines Abendessens entgegenhielt.

„Danke, Nonna...das wäre doch nicht nötig gewesen...", murmelte ich daraufhin, jedoch fiel sie mir sogleich ins Wort: „Ach, papperlapapp, Leander..."

Ihre herzlichen, tiefbraunen Augen musterten mich und meine dünne Figur leicht besorgt und sie jammerte noch: „Ach mein Süßer...du hast so viel abgenommen in den letzten Wochen..."

„Ich hatte nur viel Stress in den letzten Wochen, Nonna...ich nehme schon wieder zu, keine Sorge...", versuchte ich sie zu beschwichtigen und ich konnte es in diesem Augenblick kaum verhindern, dass sich meine Gedanken für einen kurzen Moment in Richtung meines Exfreundes verirrten. Zum Glück hatte ich irgendwann die eindeutigen Chat Nachrichten auf seinem Handy gefunden und sofort hatte ich dieses betrügerische Arschloch vor die Tür gesetzt.

Weder wollte ich von ihm persönlich etwas hören noch von seinen halbherzigen Entschuldigungsbeteuerungen. Und das hatte ich ihm auch erst letztens direkt ins Gesicht gebrüllt, als er doch zu mir gemeint hatte, dass wir es doch vielleicht noch einmal miteinander probieren sollten.

Eventuell hatte ich in dieser Hinsicht doch das Temperament meiner italienischen Mutter geerbt und nicht die Besonnenheit meines asiatisch stämmigen Vaters.

„Sei nicht so traurig wegen diesem Idioten... er hat dich gar nicht verdient, Schatz...", sagte meine Großmutter noch hinzu und sie schimpfte noch: „Ich habe ihn ja noch nie richtig gemocht...dieses arrogante und besserwisserische Gehabe von diesem Connor ging mir gehörig auf die Nerven..."

„Nonna, ich gehe jetzt... ich muss mich jetzt beeilen, damit ich noch meine Bahn erwische...", unterbrach ihren meist nie endenden Redeschwall bestehend aus hektischem Italienisch und ich hauchte meiner Großmutter mütterlicherseits einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor ich das traditionell geführte Familienrestaurant im Inneren von San Francisco verließ.

Ich schulterte meine Umhängetasche, während ich die menschenleeren Straßen entlangging und mich sputete, damit ich hoffentlich noch auf dem letzten Drücker meine Bahn erwischte. Aber dazu kam es im Laufe dieser verhängnisvollen Nacht leider nicht mehr.

„Onkel Hiro?", fragte ich nun leicht verwirrt, als mich plötzlich, wie aus dem Nichts jemand am Ärmel meiner leichten Jacke packte und mich hektisch in eine dunkle Seitengasse zog, wobei mir die Plastiktüte aus der Hand fiel und mein von Nonna sorgfältig und liebevoll zusammengepacktes Abendessen auf den harten Asphaltboden klatschte.

„Was machst du denn hier?", wollte ich von dem schweigsamen, meist nicht sehr empathisch wirkenden Bruder meines Vaters wissen und sah ihn verwirrt an: „Was ist denn los?"

„Bitte...Leander... ich muss untertauchen...", brachte der stille Japaner schließlich stotternd und hektisch atmend hervor, während er einen Stapel Akten und Papiere unter seinem Mantel hervorzog und mir diese im nächsten Augenblick in die Arme drückte: „Und du musst diese Dokumente für mich aufbewahren..."

Ich war nun nur noch mehr verwirrter und ich musterte den kleinen, schmächtigen Japaner mit großen Augen: „Was ist denn überhaupt los? Weshalb musst du denn untertauchen?"

Mein Onkel setzte schon zu einer Antwort an, als plötzlich ein Pistolenschuss die Luft wie glühendes Eisen durchschnitt und erst als ich den großen, sich langsam mehr ausbreitenden Blutfleck auf Hiros weißen Hemd wahrnahm, erwachte ich erst aus meiner Starre.

Undercover LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt