2.Kapitel (Amaris)

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Am nächsten Tag stehe ich pünktlich um drei Uhr vor unserem vereinbarten Treffpunkt, während die Sonne hoch am Himmel steht. So sehr ich auch die kalten Monaten hier in Norwegen genieße, so sehr liebe ich die wärmeren Zeiten, wo sanfte Brisen durch die Straßen streifen und die Blätter durch die Luft gewirbelt werden. Auch wenn sich diese Zeit bereits dem Ende neigt und die Tage wieder kürzer werden...

Irgendwo in der Ferne zwitschert ein Vogel seine Lieder, dennoch kann ich dem allem heute nichts abgewinnen, da ich das Gefühl nicht loswerde, dass mich mein Leben verhöhnen möchte. Wieso kann es heute nicht einfach regnen?

Noch immer zweifle ich, ob es eine gute Idee gewesen ist, ihm eine Chance zu geben, sich zu erklären. Was habe ich mir nur dabei gedacht?! Ich hätte zuhause bleiben sollen. Dann hätte ich mir einen leckeren Kaffee gemacht und mich meiner liebsten Tätigkeit gewidmet: Dem Herumbasteln an meiner Maschine.

Okay, einer meiner liebsten. Aber ich liebe den Geruch von Motoröl, den Moment, wenn ich sehe, dass sich meine Arbeit gelohnt hat..., einfach alles daran. Schade eigentlich, dass wir bereits Herbst haben. Viel Zeit bleibt mir nicht mehr, um mit meinem Baby längere Touren zu unternehmen.

Nachdenklich spiele ich mit dem Ende meines Zopfes, welcher aus einem simplen Pferdeschwanz besteht, welchen ich mir extra gemacht habe. Denn man kann mit offenen Haaren schlecht Motorrad fahren. Dies ist mit dem Helm einfach furchtbar unpraktisch. Jedoch schweife ich vom eigentlichen Thema ab...

Wieder einmal frage ich mich, ob nicht jeder eine zweite Chance verdient? Diese Frage stelle ich mir seit gestern Abend fast dauerhaft und langsam geht es mir auf die Nerven. Vor allem, da ich nicht so recht weiß, wie ich mit den Gefühlen umgehen soll, die mit Thorins Auftauchen wieder schlagartig zurückgekommen sind und mich fast umgehauen haben.

Der Orkan in mir, ist doch nicht mehr normal... Obwohl es bei Thorin möglicherweise anders aussieht, als bei mir, so ist dieses Treffen, ein Spiel mit meinem Herzen. Und ich weiß nicht, ob ich bereit dafür bin....

Denn ich lag gestern Abend noch lange in meinem Bett und habe einfach nicht in den Schlaf gefunden, da viele alte Erinnerungen in mir hochgekommen sind, die mich auf der einen Seite zum Lächeln gebracht haben.

Auf der anderen Seite haben sie aber auch dafür gesorgt, dass ich schluchzend dort gelegen habe. Oh, man. Ich hätte Geld, viel Geld, darauf verwettet, dass ich mich allem abgeschlossen habe. Tja, scheinbar habe ich mich getäuscht. Und dieser Fakt gefällt mir ganz und gar nicht!

Eine davon, war die, als wir uns das erste Mal hinausgeschlichen haben. Da waren wir gerade zwölf Jahre. Natürlich war es riskant und völlig hirnrissig von uns, aber irgendwie... Ich habe es nie bereut, dass wir es getan haben, denn diese Erinnerung ist mir bis heute heilig...



,,Meinst, du dass das wirklich eine gute Idee ist, Thorin? Wenn unsere Eltern mitbekommen, dass wir nicht in unseren Bett liegen, machen sie uns die Hölle heiß! Oder aber wir können unsere Sommerferien zuhause verbringen!"

Wieso nochmal, habe ich meinen besten Freund gebeten mit mir ausgerechnet jetzt herauszugehen? Ach, ja, er hat mir ja von seinem neuem persönlichen Lieblingsplatz erzählt. Warum komme ich nur auf diese schwachsinnigen Ideen und warum hält mich Thorin nie davon ab?

Natürlich musste ich mal wieder meiner Neugierde nachgehen! Innerlich rüge ich mich weiterhin selbst, denn das alles hier, kann nur eine Schnapsidee sein... Thorin meinte, von dort aus hätte man einen perfekten Blick auf die Sterne und zudem könnte man kilometerweit in die Ferne blicken. Und da ich die Gestirne schon immer wunderbar fand, hab ich Thorin förmlich angebettelt, mir diese Stelle bei Nacht zu zeigen, weswegen wir nun hier sind.

WolfsmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt