21. Kapitel (Amaris)

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Die Stille, die auf meine Frage hin folgt, ist erdrückend und schürt die Angst, die sich lodernd in meinem Herzen ausbreitet. Warum schweigt er? Was verheimlicht er denn nun schon wieder? Das kann doch nicht wahr sein! Eigentlich dachte ich, dass jetzt der Moment gekommen wäre, in dem ich Antworten auf jene bekäme , die mir so lange verwehrt worden sind. Doch offenbar habe ich mich wieder einmal geirrt...

Manchmal habe ich das Gefühl, dass Schicksal will mir am Ende doch immer wieder den Mittelfinger zeigen, nur um mir beweisen zu können, dass man einfach nicht zu naiv sein darf! Was kann es doch für ein Miststück sein!

Das Gefühl der Enttäuschung steigt brennend meine Kehle hinauf und mir ist wahrlich danach in Tränen auszubrechen. Vermutlich habe ich mir einfach zu viele Hoffnungen gemacht! Mittlerweile sollte ich es doch eigentlich besser wissen...

Frustriert beiße ich mir auf die Unterlippe. Thorins Blick gleitet besorgt über mich und ich will bereits mein Gesicht wegdrehen, denn ich spüre, wie sich meine Augen mit Tränen füllen. Stur richte ich meinen Blick in die Ferne. Ich werde hier und jetzt sicherlich nicht weinen! Das verbietet mir allein mein Stolz! Verflucht sei er oder das Gefühl, welches mich immer noch durchströmt, wann immer ich mich in seiner Nähe befinde! Warum zur Hölle nochmal, gibt es da immer noch diesen Teil von mir, der ihn nicht loslassen will?

Vollkommen in meinen Gedanken versunken, nehme ich nicht wahr, wie Thorin mir zärtlich eine Träne vom Gesicht wischt. ,,Bitte, weine nicht. Das ist für mich und... meinen Wolf nur schwer zu ertragen."

Von diesen Worten begleitet, zieht er mich sanft aber bestimmt in seine Arme und obwohl sich ein großer Anteil in mir dagegen wehren möchte, weil es sich einfach viel zu früh anfühlt, zu intim, bin ich ihm in diesem Moment doch so unfassbar dankbar dafür.

Vielleicht ist die Verbindung, die ich einst zwischen uns zu spüren glaubte, doch über die Jahre nicht ganz verloren gegangen. Denn offenbar scheint er die Reaktionen meines Körpers immer noch genauso gut lesen zu können wie früher. Dieser Fakt irritiert mich enorm. Und aktuell weiß ich wirklich nicht, ob mich dies vollkommen durcheinander bringt oder es mich nicht doch glücklich macht. Irgendwie. Gleichzeitig ist meine Neugier immer noch unbefriedigt und ich will endlich Antworten auf meine Fragen, weswegen ich mich bestimmt zurückziehe.

Auffordernd blicke ich Thorin an, denn entweder er rückt nun komplett mit der Wahrheit heraus oder ich werde gehen! Diesen ganzen Scheiß ich will ich mir einfach nicht länger geben. Daher fährt Thorin seufzend fort:

,,Ich erwähnte ja bereits, dass es für uns gewisse Regeln gibt. Eine davon besagt, dass kein Mensch je von unserer Existenz erfahren darf. Unter keinen Umständen! Es ist eines unserer wichtigsten Gesetze, die uns allen absolut heilig sind! Menschen haben immer Angst vor dem, was sie sich nicht erklären können. Vor allem wenn sie bemerken, dass es stärker ist als sie. Das Mädchen aus der Legende einmal ausgenommen.

So ein Risiko wollte man also von Anfang an umgehen. Das war auch der Grund, weshalb du nie mit zu uns nach Hause durftest. Die Gefahr, dass du einen der unseren gesehen hättest, war einfach zu groß gewesen. Genau genommen hätten ich zu dir eigentlich auch gar keine so enge Freundschaft aufbauen dürfen, denn es bestand prinzipiell immer die Gefahr, dass mein Wolf hätte ausbrechen können.

Gerade in jungen Jahren, denn dann ist dieser noch sehr ungestüm, vor allem meiner war es. Wieso, erkläre ich dir wann anders. Und seien wir einmal ehrlich: Wie hätte ich mich aus der ganzen Sache gescheit herausreden sollen? Komischerweise aber, zumindest hat meine Mutter das immer gesagt, schienst du bereits als wir ganz klein waren, wie eine Art Ruhepol auf mich zu wirken. Und wenn ich heute so darüber nachdenke, so muss ich ihr immer mehr zu stimmen."

WolfsmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt