5.Kapitel (Amaris)

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Zwei Tage später habe ich das Treffen mit Thorin so weit verdrängt, dass ich wieder bereit dazu bin, mein Leben normal weiterzuleben. Naja, so normal, wie es eben sein kann. Es gibt zwar so oder so keine andere Alternative, aber wenn ich mir nicht selbst in den Hintern getreten hätte, läge ich wohl immer noch weinend in meinem Bett. Und darauf habe ich absolut keine Lust! Vor allem weil es nichts bringt, egal wie man es auch dreht und wendet.

Zudem möchte ich es mir auch nicht mit Frau Grimm verscherzen, weswegen ich nun wieder mit einem Lächeln auf den Lippen im Laden stehe. Sie hat sowieso schon genug um die Ohren. Daher kann sie meine Hilfe gut gebrauchen...

Ganz davon abgesehen, dass es sowieso mein Job ist. Außerdem soll man Privates und Berufliches ja bekanntlich trennen...

Das Wiedersehen mit Thorin hat einiges in mir aufgewühlt und noch immer bin ich nicht wieder ganz die Alte und das wurmt mich zutiefst! Vor allem weil ich dachte, ich wäre über meinen ehemaligen besten Freund hinweg. Doch ich muss nur an ihn denken und mein bescheuertes Herz fängt an, wie wild zu klopfen. Das ich nicht noch erröte, ist alles!

Dieser Mann nimmt, trotz seiner Abwesenheit, eindeutig zu viel Platz in meinen Gedanken ein! Argh, es ist doch zum Mäuse melken! Es kann doch wahrlich nicht sein, dass mein gut strukturiertes Leben so aus seinen Fugen gerät, nur weil der werte Herr beschließt, einfach wieder, wie aus dem Nichts, vor meiner Haustür aufzutauchen! Dieser-

,,Mädchen, wo bist du nur schon wieder mit deinen Gedanken?" Entschuldigend lächle ich Frau Grimm an. Die bereits in die Jahre gekommene Frau ist eine Seele von Mensch, weshalb es wohl auch kein Wunder ist, dass sie, trotz meiner Versuche es zu verbergen, gemerkt hat, dass es mich etwas belastet.

Ihre Frisur, die einen zotteligen Dutt darstellt und ihr eine gewisse Leichtigkeit verleiht, ist fast gänzlich ergraut, doch durch einige rote Strähnen ist immer noch gut zu erkennen, wie prächtig sie einst gestrahlt haben müssen.

Auch die kleinen Lachfältchen um ihre Augen herum, zeugen von ihrem Alter. Dennoch sollte man nicht den Fehler begehen, diese Frau zu unterschätzen, denn auch wenn ihr Körper sie derweilen im Stich lässt, ist ihr Verstand immer noch messerscharf und es wäre definitiv ein Fehler, sich mit ihr anzulegen.

Vor allem weil sie derweilen Kräfte zu entwickeln scheint, die eigentlich völlig unerklärlich sind. Doch ich habe mich damit abgefunden und bin einfach dankbar, dass ich hier einen so wunderbaren Job habe.

Dennoch sollte ich wahrlich an meinen Schauspielkünsten arbeiten, wenn ich einmal überzeugend herüberkommen will. Wobei ich diese bisher auch noch nicht auf die Probe stellen musste...

Gerade deswegen erinnert sie mich auch etwas an meine vor zwei Jahren verstorbene Oma. Da sie nie Enkelkinder bekommen hat, bin ich wohl bis zu einem gewissen Grad in diese Rolle hineingerutscht. Deshalb möchte ich sie aber auch nicht verärgern. Oder noch viel schlimmer: Enttäuschen.

Weinen und Trübsal blasen, kann ich heute Abend immer noch. Vielleicht treffe ich mich morgen auch wieder mit Thea auf einen Kaffee. Oder aber ich mache heute Abend einen Abstecher in die Kletterhalle.... Da könnte ich meine überschüssige Energie loswerden und ich würde auch Laurin endlich mal wieder sehen.

Wir haben es in den letzten Wochen einfach nicht geschafft uns zu treffen, was mich im Nachhinein immer noch wurmt.... ,,Entschuldigen Sie, wenn ich in letzter Zeit etwas nachlässiger oder unaufmerksamer gewirkt habe. Das war nicht meine Absicht. Es wird nicht wieder vorkommen!"

Nachdenklich schaut sie mich an, bevor sie leicht den Kopfschief legt und mir ein sanftes Lächeln schenkt. ,,Oh, um deine Arbeitsmoral mache ich mir keine Sorgen, sondern eher um dich selbst, Amaris. Wenn du dir ein paar Tage frei nehmen möchtest, ist das vollkommen okay."

WolfsmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt