28.Kapitel (Amaris)

77 7 157
                                        

Als wir aus der großen Terrassentür hinaustreten, weiten sich meine Augen vor lauter Staunen. Die Kulisse, die ich vor mir erblicke, ist einfach wunderschön und wirkt fast, als ob sie einem Märchen entsprungen wäre. 

Die von Schnee bedeckten Bäume strecken sich dem Himmel entgegen, während über ihnen die Sterne das gesamte Himmelszelt mit ihrem magischen Licht erstrahlen lassen. Überall sind vereinzelt große Feuer errichtet worden, zwischen denen sich Wölfe jeglichen Alters tummeln. Von etwas weiter hinten erstrahlt Kinderlachen und von irgendwoher erklingt Musik. Es ist einfach wunderschön! Sowohl der Moment als auch die aufgebaute und wirklich wunderbar geschmückte Tanzfläche inmitten der Feuer. 

Alec führt mich zielsicher zwischen der Szenerie hindurch, bis ich Thorin erblicke. Mein Herz macht einen leichten Hüpfer und zwingt mich förmlich in seine Richtung. Nach der vorherigen Situation mit dieser Schlange verspüre ich das unbändige Bedürfnis mich in seine Arme zu werfen und mich zumindest für einen kurzen Moment der Illusion hinzugeben, dass das nur ein schlechter Traum war und nichts davon wirklich stattgefunden hat. 

Aber das wäre Thorin gegenüber unfair. Vorhin bin ich noch vor ihm weggelaufen, weil mir sein Verhalten viel zu besitzergreifend war und ich mich in diesem Moment wirklich unwohl gefühlt habe und nun renne ich in seine Arme? Nein, das wäre ihm gegenüber nun wirklich nicht fair und außerdem auch vollkommen widersprüchlich! 

Aber auch wenn ich die Worte dieses Miststückes nicht an mich heranlassen möchte, haben sie dennoch einen bitteren Nachgeschmack in mir hinterlassen. Nicht weil ich Thorin wirklich zutraue, dass er mich nur ausnutzt, sondern weil sie in mir Gefühle auslösen, die ich aktuell gar nicht gebrauchen kann und denen ich mich auch nicht stellen möchte! 

Vor allem hasse ich diesen leisen Hauch von Eifersucht, die in mir hochkocht, wenn ich daran denke, dass die beiden offenbar etwas miteinander haben oder zumindest etwas miteinander gehabt haben müssen... Was fand Thorin so anziehend an ihr? Sie ist ein falsches.... Auf so eine kann man sich doch nicht einlassen! Oder hat er in den letzten Jahren einen so dermaßen fragwürdigen Frauengeschmack entwickelt?! Aber im Grunde geht es mich ja auch überhaupt nichts an. 

Ich bin und werde mit Thorin nie zusammen sein. Ende, aus! Schließlich hat er ja selbst gesagt, dass das Band, was uns verbindet, auch wieder nach einer Weile verschwinden wird, wenn sich zwischen uns nichts entwickeln wird... Doch will ich das überhaupt? Wer versichert mir, dass in dem, was diese blöde Kuh gesagt hat, nicht doch ein Funken Wahrheit steckt? 

Aktuell weiß ich noch viel zu wenig über Werwölfe, aber was ist, wenn ich Thorin irgendwann wirklich nicht als Seelenverwandte reiche? Ich bin keine Wölfin und werde auch nie eine sein... Würde er sich irgendwann vielleicht sogar für mich schämen? Weil er insgeheim doch keinen gewöhnlichen Menschen an seiner Seite haben will...? Schließlich... mit ihrem Aussehen kann ich wohl kaum mithalten... Argh! Was ist, wenn... 

,,-ris. AMARIS, heyy!" Schlagartig werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als ich vor meinem ehemaligen besten Freund stehe, der mich besorgt mustert. War ich soweit weggedriftet, dass ich nicht einmal mehr mitbekommen habe, dass er mich angesprochen hat? Offenbar. Und was mich am meisten ärgert, ist dass dieses Miststück es durch wenige Worte geschafft hat, dass sich Selbstzweifel in meinen Gedanken einnisten, die ich jahrelang bekämpft habe! Ich hatte nicht von Beginn an das Selbstbewusstsein, was ich heute zu meinem Körper habe, aber mittlerweile besitze ich es und ich werde einen Teufel tun, wenn ich zulasse, dass sie mir das durch wenige Worte nimmt! 

,,Ist alles okay, Mondfee?" Ob alles in Ordnung ist? Vermutlich nicht, aber das werde ich ihm bestimmt nicht sagen. Ja, ich habe versprochen, dass ich ihm eine Chance geben werde, allerdings heißt das noch lange nicht, dass ich ihm einen Blick in meine Gefühlswelt gewähren muss. Zeigst du Menschen deine Emotionen, machst du dich verletzlich und gibt ihnen Macht über dich. Und für den Moment reicht mir die Begegnung mit diesem Miststück vollkommen aus! 

WolfsmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt