26. Kapitel (Amaris, Lesenacht)

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Ich habe das Bedürfnis das zu tun, was ich am Besten kann, wenn ich mit einer Situation überfordert bin oder es mir schlecht geht: Laufen. Doch angesichts der Tatsache, dass es bereits dunkel ist und ich mich mitten im Wald befinde, halte ich das für eine denkbar schlechte Idee.

Hinzu kommt, dass es mittlerweile einfach verdammt kalt ist und mit meinem Talent würde ich es vermutlich noch schaffen, mal wieder den Boden zu knutschen und anschließend halb zu erfrieren. Genau deshalb bin ich umso dankbarer, dass Thorin mir nicht gefolgt ist, da ich so zumindest die Chance bekomme, ein wenig meine Gedanken zu sortieren. 

Ich ziehe meine Jacke enger um meine Schultern und lasse meinen Blick hinauf in den Himmel schweifen, an welchem der Mond mit seinen Gefährten über das Himmelszelt tanzt. Keine einzige Wolke verhüllt dieses und es weht lediglich ein sanfter Wind, der die Nadeln der Kiefern ihr ganz eigenes Konzert spielen lässt. 

Noch immer ist mir nicht ganz klar, was da eben eigentlich passiert, weshalb Thorin so ausgerastet ist. Alec hat doch nun wirklich nichts gemacht, er hat allerhöchstens ein wenig mit mir geflirtet und selbst als das kann man die Situation von vorhin nicht beschreiben. Im Grunde war es nur ein Kompliment, vermutlich um mir die Situation angenehmer zu machen...

Irgendwie scheint genau diese Tatsache Thorin aber extrem getriggert zu haben, so wie er geknurrt hat. Vor allem kann ich absolut nicht einordnen, warum die Lage beinahe so eskaliert wäre. Denn mir ist keinesfalls entgangen, wie sehr Thorin gezittert hat und wie bedrohlich diese Laute waren. 

Eigentlich kann all das nur mit seinem Wolf zusammenhängen, denn mein ehemaliger bester Freund besitzt eigentlich von Natur aus ein eher ruhiges und ausgeglichenes Wesen, was die ganze vorherige Handlung irgendwie noch verwirrender macht. Ich verstehe diesen ganzen Wolfskram einfach nicht, verdammt! Ihr Verhalten, ihre Regeln... Es ist so...argh! 

Verzweifelt kneife ich mir in die Nase, während ich langsam spüre, wie die Kälte sich einen Weg durch meine warme Jacke bahnt und ich zu frieren beginne, weswegen ich mich letzten Endes doch dafür entscheide, wieder ins Innere des Rudelhauses zu gehen. Eis á la Amaris würde sicherlich keiner amüsant finden. Am allerwenigsten ich selber. 

Ich fühle mich aber definitiv noch nicht bereit, mich wieder der Situation und irgendwie auch diesem irritierenden Chaos an Gefühlen in mir zu stellen. Hier muss es doch irgendwo Toiletten geben, schließlich kann mir keiner erzählen, dass Werwölfe keine inneren Bedürfnisse verspüren. Dort wird mich Thorin zudem sicherlich nicht vermuten! Verflucht sei meine Feigheit, aber ich bin mehr von allem überfordert, als ich gedacht hätte! 

Mir ging es vorhin extrem gegen den Strich , als Alec meinte, ich würde Thorin gehören. Ich meine... Was bildet er sich eigentlich ein?! Woher nimmt er sich dieses Recht?! Ich gehöre nur einer Person, nämlich mir selber! Und das ändert auch kein zugegeben teilweise sehr charmanter und dummerweise auch gut aussehender Werwolf! Ich meine, ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen. Mir ist nur allzu bewusst, dass Thorin... gut aussieht... Es wäre einiges leichter, wenn er das nicht täte... 

Aber irgendwann einen Partner zu haben... Mit jemandem zusammen zu sein..., zu wissen, dass da jemand ist, der mit einem durch die Höhen und Tiefen des Lebens geht..., ja... Das stelle ich mir wirklich wunderschön vor. Dennoch werde ich mich sicherlich nicht zum Objekt machen lassen, nur weil Werwölfe offenbar eine ziemlich seltsame Einstellung bezüglich einer Beziehung haben! 

Frustriert schüttle ich meinen Kopf und finde nach einigem Hin und Her endlich eine Tür, die die typischen Figürchen für Klos besitzt und mit einem erleichterten Seufzen trete ich ein und bekomme einen halben Herzinfarkt, als ich plötzlich ein Räuspern hinter mir höre:,,Hey, bist du Amaris, Thorins Mate?" 

WolfsmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt