9.Kapitel (Amaris)

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Gedankenverloren öffne ich die Tür zur Buchhandlung, aus welcher mir sofort der bekannte Geruch nach Papier entgegenweht. Habe ich schon einmal erwähnt, wie sehr ich diesen Ort liebe?

Ein leichtes Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, welches sich noch verstärkt, als mir Frau Grimm entgegen kommt:,,Ach, Amaris! Da bist du ja endlich! Heiliger Himmel, Kind! Was ist dir denn passiert?!"

Entsetzt schaut sie auf meinen Fuß hinunter, der sich mittlerweile gut eingebettet in einer Schiene befindet und somit geschützt ist. Das ist auch der Grund, weshalb ich überhaupt laufen kann. Das und die zwei Schmerztabletten, die ich mir heute morgen gemeinsam mit meinem Kaffee eingeworfen habe.

Andernfalls wüsste ich nun wirklich nicht, wie ich den heutigen Tag überstehen sollte. Doch das Detail erspare ich ihr lieber. Nicht, dass sie noch einen Herzinfarkt bekommt. Sie macht sich immer viel zu viele Gedanken um mich, was auf der einen Seite furchtbar lieb ist, auf der anderen jedoch nicht notwendig.

Ich bin nun einmal ein absoluter Tollpatsch und dies wird wohl auch immer so bleiben. Schließlich sind der Boden und ich nicht ohne Grund alte Bekannte, die regelmäßig in den Genuss kommen, sich wiederzusehen...

,,Ach, machen Sie sich keine Sorge. Ich war vorgestern Abend nur joggen und habe leider einen Ast übersehen. Sie wissen doch, wie ungeschickt ich sein kann. Der Arzt meinte, es ist nur eine leichte Bänderüberdehnung."

Stumm denke ich an all die Male, an denen ich schon über Bücherstapel geflogen bin, mich gestoßen oder einfach irgendetwas Herumliegendes übersehen habe und wieder einmal das Gefühl erfahren durfte, wie es ist, wenn man auf die Nase fliegt... Spoiler: Es ist nicht empfehlenswert!

Eigentlich ist es verwunderlich, dass mein Kopf bisher noch nie das Lied ,,I can believe, I can fly" dazu abgespielt hat. Oh, man! Was stimmt heute nur nicht mit mir? Vielleicht ist die Mischung von Koffein und Schmerzmitteln nicht die beste Idee. Anyways...

,,Aber es sieht schlimmer aus, als es ist. Also seien Sie bitte unbesorgt. Spätestens in sechs Wochen bin ich das Ding wieder los." Leicht zweifelnd, sieht mich Frau Grimm an, und ich will vermutlich gar nicht wissen, was sie gerade denkt, doch dann meint sie enthusiastisch:

,,Na, da trifft es sich ja gut, dass wir ab heute Verstärkung bekommen haben! Er wird uns dreimal in der Woche hier für einige Stunden im Geschäft aushelfen! So hast du auch weniger zu tun. Und ja, ich weiß, dass du gerne hier bist, aber ein wenig Unterstützung kann uns beiden nicht schaden."

Begeistert klatscht die alte Frau in die Hände. Wer es wohl ist? Er muss ja unheimlich sympathisch sein, wenn sich Frau Grimm so über den Neuankömmling freut. Als ich sehe, wer dort um die Ecke tritt und dabei auch noch die Frechheit besitzt, zu lächeln, bin ich kurz davor laut zu schreien.

Gerade noch kann ich es mir verkneifen, denn wie sollte ich mein Verhalten Frau Grimm erklären? Und einen Mord zu vertuschen, wird schwer! Vor allem wenn besagte Zeugin direkt neben mir steht!

,,Amaris, das ist Thorin Nygard. Er wird dienstags, donnerstags und samstags hier sein. Ich habe ihm schon einen groben Einblick in alles gegeben, aber wärst du so nett und würdest ihm zeigen, wie hier alles genau abläuft?"

Moment... Wieso siezt meine Chefin ihn nicht? Was habe ich verpasst? Sie darf ihn nicht mögen! Nein! Auf keinen Fall! Eher soll die Hölle zu frieren, als dass das passiert! Innerlich raufe ich mir die Haare und kann es mir nur mit großer Mühe verkneifen, Thorin mit Blicken zu erdolchen. Vielleicht kann ich es ja so unauffällig machen, dass es niemandem auffällt?

Na, bei meinem Geschick, würde ich eher selbst irgendwo verenden, als dass mir dies gelingen würde. Auch mein Lächeln muss wohl eher wie ein trauriger Versuch wirken...

WolfsmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt