Wolfsmond

30. Kapitel (Amaris)

Als ich die Tür zu meinem Zimmer öffne, sitzt wie nicht anders zu erwarten, Thea auf meinem Bett. Die Pfefferminzschokolade neben ihr ist kaum angerührt, dafür sieht meine beste Freundin allerdings ziemlich erhitzt aus. ,,Hab ich irgendetwas verpasst?”

Kritisch ziehe ich eine Augenbraue hoch. Dass Thea sie nicht angerührt hat, gleicht einem Wunder, wo sie diese doch sonst innerhalb von fünf Minuten verputzt. Wie sie das schafft, ist mir ein Rätsel.

Genauso wie ihr Stoffwechsel, denn so viel Süßkram wie meine beste Freundin isst, ist es ein Wunder, dass sie ohne Schwierigkeiten ihre perfekte Figur halten kann. Im Gegensatz zu mir. 

,,Das sollte ich wohl eher dich fragen.  Was machst du denn schon wieder zuhause? Ich hatte vor morgen früh nicht mit dir gerechnet. War es oder… er so schlecht?”

,,Du hast meine Frage nicht beantwortet, Thea! Außerdem ist es unhöflich auf eine Frage mit einer Gegenfrage zu antworten. Aber nein, es lag weder an Thorin noch an dem Fest. Also?" 

Wenn sie stur sein will, kann ich das auch. Und sie hat sich bereits vorhin schon so komisch verhalten! Nicht dass Thea sich je normal verhält. Davon ist sie Meilenweit entfernt, aber gerade wegen ihrer leicht abgedrehten Art, ist sie meine beste Freundin. Aus diesem und millionen anderer Gründe.

,,Okay, okay, du Nervensäge! Du gibst ja sonst keine Ruh. Ich habe möglicherweise mit Alex telefoniert. Ich habe dir doch erzählt, dass ich ihn vor drei Monaten kennengelernt habe? In diesem einen Café.  Nun, wir haben heute Abend wieder telefoniert. Mehr Infos gibt es nicht.”

Ungläubig starre ich mein Gegenüber an. Ja, ich kann mich an ihn erinnern. Eigentlich bin ich aber davon ausgegangen, dass es nichts Ernstes zwischen den beiden gewesen wäre.

Thea ist in all den Jahren noch nie in einer Beziehung gewesen, denn sie wartet immer noch auf den einen. Ähnlich wie ich, vermute ich. Nur mir dem Unterschied, dass meine beste Freundin in der Zwischenzeit eine Affäre und den ein oder anderen One Night Stand hatte, im Gegensatz zu mir. Mit Alex wären es zwei.

,,Warte, also ist das zwischen euch etwas Ernstes? Stellst du ihn mir irgendwann mal vor? Oder…?” Energisch schüttelt Thea den Kopf:

,,Oh, nein! Definitiv nicht. Er ist nett und es ist angenehm, ihn ab und an zu sehen, aber mehr? Auf keinen Fall! Und das weiß er. Ihm geht's da wie mir.  Unsere Anrufe sind dennoch immer sehr amüsant. Aber nun zu dir, Süße: Warum bist du schon zurück?”

Ihre eisblauen Augen, in welchen immer ein Hauch von flüssigem Silber zu schimmern scheint, mustern mich eingehend. Verlegen lasse ich mich neben sie auf mein Bett fallen, bevor ich mir die Hände vor mein Gesicht schlage und einmal tief seufze. ,,Okay, Ari. Nun hast du meine volle Aufmerksamkeit! Rück die Details raus, Mädchen! Ich muss alles wissen!”

Ich gebe einen spöttischen Laut von mir. ,,Ach, du darfst Miss Geheimnisvoll sein und ich darf keine haben?”

,,Ari, jetzt spann mich nicht auf die Folter! Wir beide wissen ganz genau, dass du es mir erzählen willst, damit wir es bis ins kleinste Details analysieren können! Außerdem sehe ich bei dir und Thorin ehrlich Potenzial. Bei mir und Alex nicht, also wie war es… oder er?”

Ihre letzten Worte bringen ihr einen leichtes Kneifen in ihre Seite ein, woraufhin sie nur lachend nach mir schlägt. Meine gute Stimmung verfliegt jedoch direkt, während ich meinen Blick auf meine beste Freundin richte, einen tiefen Seufzer ausstoßen, woraufhin Thea meine Hand ergreift und sie einmal bekräftigend drückt:

,,Der Abend war wunderbar. Thorin und ich haben zusammen getanzt, Discofox und … ach, Thea. Es war ein wundervolles Gefühl, ich war in diesem Moment so unglaublich glücklich. Ich …. Es hat sich wie früher angefühlt, als da noch nicht dieser dämliche Vertrauensbruch zwischen uns gestanden hat, wo ich meine Hand dafür ins Feuer gelegt hätte, dass er immer für mich da sein würde.