Kapitel 7

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Philip

Nachdem er eine Stunde Rotz und Wasser geheult hatte wie nicht mehr, seit damals, als sein Hund vor dem Elternhaus überfahren worden war, verfiel er in hysterisches Lachen.
Philip! Philip! dachte er. Da hat dich die kleine Schönheit ganz schön vorgeführt!
„Gibst du mir deine Nummer?" hatte er gefragt und war auf ihren ehrlichen Blick hereingefallen, als sie „Natürlich!" gesagt hatte.

Wieder musste er lachen. Wie oft hatte er Stress mit Mädchen gehabt, die mehr als nur eine Nacht von ihm gewollt hatten!
Und die erste, die einzige, von der er mehr wollte, hatte ihn gelinkt wie einen Schuljungen!
Der Teufel sollte sie holen!
Verdammte Bitch!
Verdammtes Weib!
Verdammte Lügnerin!

Das Glas, das noch auf dem Tisch stand, flog in die Ecke.
Verdammtes Miststück!
Die Flasche folgte.
Elendes Biest!
Das zweite Glas.
Hure!

Doch schon flossen die Tränen wieder. Er schenkte sich ein Glas Whiskey voll und kippte es auf ex. Er war an harte Sachen gar nicht gewohnt, noch dazu auf nüchternen Magen! Es brannte die Speiseröhre hinunter, machte im Magen damit weiter.
Er schüttelte sich. Doch die Wirkung setzte fast blitzartig ein. Die Tränen versiegten, das Lachen stieg wieder hoch.
So ein Luder!

Er lachte, bis er Bauchschmerzen hatte.
Dann kam der Weltschmerz zurück.
Aber ein verdammt süßes Luder!
Ein verdammt schönes Luder!
Ein Luder mit verdammt heißen Rundungen, verdammt weicher Haut, verdammt erregenden Lippen!
Er stöhnte auf. Der Druck in seinen Lenden, hinter den Knöpfen seiner Jeans machte ihn atemlos.

Er schenkte sich noch ein Glas voll, kippte es hinunter.
Er musste sie vergessen!
Er musste sie wiedersehen!
Er musste sie aus seinem Kopf kriegen!
Er musste sie suchen!

Der Teufel sollte sie holen!

Ja! Und dann möglichst schnell zu ihm bringen!

Die Gedanken in seinem benebelten Gehirn wurden immer wirrer.
Nach dem dritten Glas zog es ihm die Füße weg. Er taumelte ins Bett und schlief ein. Doch ein traumloser Schlaf war ihm nicht vergönnt.

Er war in Paris, London, New York. Lief immer wieder blonden langhaarigen Mädchen nach, war immer wieder sicher, Bella gefunden zu haben. Doch jedes Mal, wenn sie sich umdrehten, sah er in hässliche Frauengesichter.

Dann endlich war sie es. Sie strahlte ihn mit Bernsteinaugen an.
Doch ein schreckliches helles Geräusch weckte ihn und vertrieb sie. Er versuchte, sich aus dem Traum zu lösen, versuchte das Läuten zu identifizieren. Handy, Telefon oder Türglocke?
Türglocke, Telefon, Handy?

Er kam zu keinem Ergebnis. Irgendwie schaffte er es, den Kopf zu heben und auf den Nachttisch zu sehen.
Gott sei Dank! Handy! Bella?

Er grapschte nach dem IPhone, verfehlte es, es landete auf dem Boden.
Fuck! fluchte er.
Endlich hatte er das widerspenstige Ding geschnappt. „Mum" las er auf dem Display. Ihr Foto lachte ihn an.
Oder aus?
„Hallo!" meldete er sich krächzend.

„Hallo, Sohnemann! Wir wollten dir nur viel Glück für das Colloquium morgen wünschen!" brüllte seine Mutter direkt in seinen schmerzenden Kopf.
Seine Mutter? Die immer leise und kultiviert sprach? Und was erzählte sie da?

„Colloquium? Was? Wie? Wann?" brabbelte er.
„Philip? Bist du krank?" schrie sie weiter.
„Nein!" Er kicherte dümmlich. „Ich bin stockbesoffen!"

Eine Weile war es still. Gott, ich danke dir! Dann bohrte sich ihre sonst immer so geliebte Stimme wieder in sein Ohr.
„Bist du zu Hause? Rühr dich nicht von der Stelle! Wir kommen!" Sie beendete das Gespräch.
Nicht von der Stelle rühren! Er kicherte wieder! Das war gut! Er saß in einem Karussell!

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