Kapitel 75

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Viel später saßen sie unter dem Sternenhimmel auf der Dachterrasse, fütterten sich mit Pizza, tranken ein Glas Rotwein dazu.
Er holte das Päckchen vom Juwelier, legte ihr die Kette um. „Für immer, Annika!" sagte er leise.
Sie schloss den Verschluss in seinem Nacken. „Für immer, Philip!"

Dann lagen sie auf der Doppelliege, sie zwischen seinen Beinen. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, warum ein Single-Mann eine Doppelliege auf seiner Terrasse stehen hatte.

„Woher wusstest du eigentlich von der Zeichnung, die ich von dir gemacht hatte?" fragte sie. Immer wieder tauchten Flashbacks aus seinen Erzählungen in ihrem Gehirn auf.

Er drückte sie fester an sich. „Julio hat dein Zimmer ausgeräumt, da fiel ihm wirklich das Buch zu Boden. Er hat mir das Bild ins Krankenhaus gebracht. Ich habe es gehütet wie meinen Augapfel, habe es auch mitgenommen!"

„Das wird Er wohl gleich am nächsten Tag gemacht haben!" erklärte sie bitter. „Alle Erinnerungen ausradiert!"

Philip schwieg eine Weile, überlegte, ob er die Wahrheit sagen sollte, die ihm der ehemalige Sicherheitschef berichtet hatte.
„Nein! Er hat es erst nach seinem Entzug gemacht! Als er endgültig begriffen hatte, was er verloren hatte!" sagte er leise.

Sie sprang auf. „Was soll das denn jetzt heißen? Nimmst du ihn auch noch in Schutz? Schlägst du dich auf die Seite des armen Felix?"

Wütend lief sie zur Balustrade, die die Terrasse begrenzte. Philip nahm sie in den Arm, sie stieß ihn von sich. „Das kann ich nicht ertragen! Dieses Verständnis! Nicht von dir!" rief sie vollkommen aufgelöst. „Verstanden, was er verloren hat! Wie melodramatisch! Felix wird nie etwas verstehen! Felix Vanderberg hat immer Recht! Das ist Gesetz! Das Gesetz eines Milliardärs, der andere Menschen als nicht gleichberechtigt mit einem gottähnlichen Wesen betrachtet! Für den alle anderen nur Abschaum sind! Bodensatz! Objekte, an denen er sein Mütchen kühlen kann!"

Bei jedem Wort trommelte sie auf Philips Brust.
Er ließ es zu. Es tat ja nicht weh, ihre kleinen Fäustchen verursachten keine körperlichen Schmerzen.

„Er hat mir aus Grausamkeit Jahre meines Lebens gestohlen! Und ausgerechnet du verteidigst ihn!" Tränen liefen über ihr Gesicht.
Plötzlich wachte sie aus einem Taumel auf.
Was tat sie da?
Sie schlug auf Philip ein, weil sie es bei Felix nie gewagt hatte?
Sie machte diesen wundervollen Mann verantwortlich für die Taten des Scheusals?

In einem Weinkrampf brach sie zusammen. Er wiegte sie wie ein Kind, ließ sie schluchzen, dass es sie schüttelte. Als sie einen Schluckauf bekam, gab er ihr ein Glas mit Wein.
„Lass es raus, Süße! Lass es einfach raus!" Auch über sein Gesicht liefen die Tränen. „Heule! Schrei! Box mich, wenn es dir hilft! Aber zweifle nie an meiner Liebe!"

Seine Worte holten sie zurück. Sie klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende, er erwiderte ihren Klammergriff.

„Es tut mir leid!" sagte sie schließlich leise. Das Zittern hatte nachgelassen, ihr Puls beruhigte sich langsam wieder.
„Nein, Süße! Entschuldige dich nicht! Bitte! Du hast das alles viel zu schnell weggesteckt! Einmal musste es zu einem Ausbruch kommen!" versicherte er.
„Aber ausgerechnet bei dir!" schluchzte sie. „Dir tue ich weh, weil ich bei ihm zu feige war!"

Er konnte schon wieder lächeln, nahm ihre Hände, die sich noch immer zu Fäusten verkrampft hatten und küsste sie. „Diese Fäustchen können mir nicht weh tun, Bella!"
„Und meine Worte?" fragte sie vorsichtig.
„Auch nicht! Denn sie hatten ja nicht mich treffen sollen!"

Sie fühlte sich vollkommen ausgelaugt, todmüde, erschöpft. „Vielleicht brauche ich eine Fabienne!" flüsterte sie.
„Lass mich Fabienne für dich sein!" bat er leise.
„Ist mir auch lieber!" Der kleine Scherz vertrieb ein wenig von der Trauer.

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