5. Dezember

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🎄 M A E L 🎄

Es war kalt. Natürlich war es kalt, schließlich hatte ich die Nacht im Freien verbracht.

Ich konnte mich gestern im Krankenhaus einquartieren, hatte Weihnachtslieder mit den Kindern gesungen und mich dann in einer Abstellkammer versteckt. Zwischen allen möglichen Sorten von Putzmitteln und Besen hatte ich mir ein kleines Lager gebaut.

Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte und das erschien mir als eine einfache und vor allem warme Lösung. Vor allem hatte ich keine Lust, in der Kälte draußen zu schlafen.

Tja, mein Plan ging nicht sonderlich gut auf. Gegen 21 Uhr fand mich ein Arzt und er ließ mich hinausschmeißen. Wahrscheinlich dachte er, er hätte es mit einem Obdachlosen zu tun, der sich einfach eingenistet hatte. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Ich sah eindeutig so aus. Mit meinem Gepäck und mit dem traurigen Gesichtsausdruck, den ich auch nicht mehr verstecken konnte.

Nachdem mein Programm mit den Kindern geendet hatte, hatte ich es erst so richtig begonnen zu realisieren. Ich hatte geschluchzt, wie ein Kleinkind und mir gewünscht, dass meine Eltern da waren und mir halfen.

Anschließend hatte ich mit mir gerungen, ob ich sie anrufen sollte. Doch dann kam mir wieder in den Sinn, wie sie mich behandelt hatten. Und das nur, weil ich zu mir selbst stand. Ich hatte das Telefonat nicht getätigt.

Seitdem lag ich in meine Jacke eingewickelt unter einer Brücke. Ich hatte das Gefühl, dass meine Finger taub waren und ich zugleich meinen Körper nicht mehr richtig spürte. Ich wünschte mir meine Wohnung zurück und die Kraft, aufzustehen und mir einen anderen Unterschlupf zu suchen.

Ich hatte kein Auge zugetan. Immer wenn ich dachte, dass mich jetzt die Müdigkeit übermannen würde, schreckte ich wieder hoch, weil irgendwo eine Autotür zufiel oder jemand hupte.

Es war die schrecklichste Nacht, die ich jemals erlebt hatte. Und alles nur, weil ich zu dumm war, Geld an den richtigen Empfänger zu überweisen.

Natürlich hatte ich die Firma kontaktiert. Die hatten mich eher ausgelacht, als dass sie mir helfen wollten. Sie hatten es als „Freie Spende" gesehen und die wurde nicht mehr zurückgegeben. Egal, wie lange ich bettelte und flehte, daran konnte ich nichts ändern. Das Geld, das ich seit Monaten bezahlt hatte, war fort und ich war kurz vor dem Erfrieren.

Außerdem konnte ich nicht aufhören an Caspar zu denken. Ich hoffte, dieses reiche Arschloch konnte gut schlafen und hatte keine Sorgen. Nein, noch mehr wünschte ich mir, er würde in der Hölle schmoren.

Schließlich konnte er mir mit Skrupel einfach meine Wohnung rauben und dabei auch noch gut aussehen. Wahrscheinlich hatte er mich schon wieder vergessen und eine ruhige Nacht gehabt, ohne auch nur einen Gedanken an mich zu verschwenden.

Gott sei Dank kamen nicht so viele Menschen an mir vorbei, aber die, die mich richtig ansahen, wandten sich gleich wieder ab. Ich wollte gar nicht wissen, was ich für einen Anblick bot.

Sogar ein Obdachloser hatte mich angefahren, dass ich von hier verschwinden sollte, weil das sein Revier war. Am liebsten hätte ich gelacht, weil die ganz Situation schon so skurril war. Ich hatte den Platz geräumt und saß nun vor einem Geschäft, das schon lange zugesperrt hatte.

Als ich ein kleines Kind mit Krampusmaske vorbeilaufen sah, fiel mir wieder ein, dass ich ganz vergessen hatte, welcher Tag heute war.

Heute war Krampus, der 5. Dezember. Generell hatte ich den Überblick verloren. Ich mochte Weihnachten und normalerweise zählte ich die Tage und unternahm jeden Tag etwas Tolles.

Es gab Weihnachtsmärkte in der Stadt und ich wollte eine Tanne besorgen, die ich schmücken konnte. Tja, diese beiden Sachen waren jetzt eindeutig das letzte, das ich wollte. Ich lag hier mit meinen sieben Sachen und fühlte mich, als wäre ich bereits eher tot, als lebendig.

Love is Christmas [manxman]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt