6. Dezember

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⭐ C A S P A R ⭐

Es war warm. Natürlich war es warm, ich lag nämlich mit einer anderen Person unter einem Berg an Decken. Es war eindeutig zu lange her, dass ich einem anderen Mann so nahe war.

Ich hatte ihn geholt. Am Sonntag dachte ich, dass ich einfach Gespenster sah, aber er war es. Mael hatte unter der Brücke gelegen und in einem Anflug von Sorge, hatte ich ihn schließlich vor dem Geschäft aufgeweckt und ihn mit zu mir genommen.

Ich war vielleicht ein Unmensch, aber tief in meinem Inneren doch ein Mensch und ich ließ bestimmt niemanden erfrieren. Vor allem dann nicht, wenn ich auch noch der Übeltäter war.

Wahrscheinlich wäre er sonst heute tot. Ich war sein Retter und gleichzeitig auch sein Mörder, weil ich ihm keinen Ausweg gelassen hatte.

Der ältere Mann, der auf Mirandas Liste stand, die sie mir zusammengestellt hatte, war vor einem Monat verstorben. Seine Tochter hatte mich bereits kontaktiert, deswegen war mir der Name auch bekannt vorgekommen. Mir blieb somit nur die andere Wohnung übrig. Und ich nahm sie ihm, um Susanne ein schönes Leben darin zu ermöglichen.

Natürlich war ich, als ich in seiner Wohnung erschienen war, der Meinung, dass er nicht so arm war und einfach zu seinen Eltern ziehen würde. Tja, das tat er nicht. Stattdessen zog er aus, nahm alles, was er wohl besaß mit sich und legte sich einfach unter eine Brücke in die Kälte.

Ich würde meinen Vater umbringen, das wusste ich jetzt schon. Ich war damals noch ein Teenager und heute konnte ich Verantwortung übernehmen. Doch es fiel ihm noch immer viel zu leicht, mich einzulullen und mir beizubringen, wo ich her kam und wer ich war.

Der Alkohol hatte mir fast mein Leben zerstört und mein Erzeuger war der, der mich gerettet hatte. Doch gleichzeitig hatte er mich wohl auch zerstört.

Nachdem ich Mael in mein Apartment bugstiert hatte, steckte ich ihn in Decken und weil er noch immer zitterte, legte ich ihm Wärmeflaschen auf Oberkörper und Beine und ließ ihn ruhen. Wahrscheinlich fühlte er sich wie ein Laib Brot, das in den Backofen geschoben worden war.

Seitdem schlief er. Als er einmal aufwachte, trottete er mit schweren Schritten auf die Toilette und ich flößte ihm danach etwas Tee ein, damit er nicht eintrocknete.

Ich hatte noch im Büro angerufen und gesagt, dass ich nicht kommen würde. Leons Redeschwall, warum, weshalb und was ich sonst täte, konnte ich irgendwie abwimmeln. Ich wusste, dass er sich jetzt den Kopf darüber zerbrach und nicht vernünftig arbeiten würde. Aber es war mir egal.

Heute war der 6. Dezember und nachdem Mael gestern nicht viel tat, außer zu schlafen und ein wenig zu essen und noch mehr Tee zu trinken, kümmerte ich mich um ihn. Ich kochte ihm Suppe und achtete darauf, dass er regelmäßig trank und ihm nicht kalt war.

Gestern legte ich mich schließlich neben ihn, weil ich nicht wollte, dass irgendetwas in der Nacht passierte und ich nicht anwesend war. Es war eigenartig so nah beieinander zu schlafen und jede seiner Bewegungen, ob im Halbschlaf oder im Traum mitzubekommen. In meiner letzten Beziehung hatte mein Freund öfter Nachtschicht und ich schlief deshalb die meiste Zeit alleine ein.

„Heute ist Nikolaus?", flüsterte da eine Stimme und ich zuckte zusammen.

Ich war schon länger wach und wollte ihn nicht wecken, obwohl unsere Beine ineinander verschlungen waren und mein Unterarm kribbelte. Außerdem begann dieser nach und nach weh zu tun.

„Ja?", machte ich. Das war sein erster Gedanke? Er wäre fast gestorben, ich lag mit ihm auf einer Couch und seine erste Frage war etwas Weihnachtliches. Vielleicht hatte ich doch Leon von der Straße geholt und nicht Mael.

Love is Christmas [manxman]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt