Desperation

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Der Mann auf den Aufnahmen.

Immer wieder ging ich alles im Kopf durch, hoffte mich zu irren aber als mein Blick wieder zum Bildschirm glitt konnte ich es nicht leugnen.

In meiner Zeit als Lakai von Gio Macciare hatte ich viele Gesichter gesehen. Ich hatte mit vielen Männern gesprochen und über die Frauen verhandelt, viele verkauft und dafür gesorgt das sie angemessen vorzufinden waren während ich darauf wartete das ihre Käufer oder die, die sie weiter verkaufen wollten endlich eintrafen. Ein Mann fiel mir dabei besonders oft ins Auge. Er hatte die Finger in allen möglichen kriminellen Machenschaften, handelte aber niemals unvorsichtig - und schon gar nicht alleine.

Sein Name war Ivan Torkev.

Damals interessierte es mich nicht wie die Zwischenhändler mit den Frauen umsprangen - mich interessierte nur das lukrative Geschäft. Mich interessierte nicht was sich hinter den Kulissen abspielte, solange ich das Geld für jeden Deal erhielt. Das hatte ich von Vater gelernt, denn auch er interessierte sich nur für die Summen die uns all die verschwundenen Frauen einbrachten.

Jezzt sah ich mich in der Position in die ich damals Eltern, Geschwister und Ehemänner gebracht hatte. Wie verzweifelt sie waren die Frauen zu finden, die einfach im Erdboden versunken und nie mehr aufgetaucht waren. Jetzt war ich es, der verzweifelt nach jemandem suchte - nach meiner Tochter. Nach unserer Tochter.

Chris stand die ganze Zeit etwas zurück gezogen hinter mir. Er überlegte selbst wie wir nun weiter vorgehen sollten, doch ich wusste das die Zeit knapp werden würde. Es war gut möglich was Maxine bereits verkauft worden war und ich wusste nicht an wen oder wohin. Einzig Ivan diente mir als Anhaltspunkt.

„ Finde heraus wo er sich rum treibt. Er muss in der Stadt sein. “ knurrte ich und sah mir weiter sein dummes Gesicht auf dem Monitor an.

„ Soll ich ein Team zusammen stellen? Du könntest Unterstützung gebrauchen. “

Ich stand auf, schob den Stuhl mit Wucht geräuschvoll weg und drehte mich zu Chris. Allein ein Blick genügte um ihm zu zeigen das nicht ich es war der Unterstützung benötigte. Ivan war es. Er würde sich wünschen jemand anderem ans Bein gepinkelt zu haben.

*

Die restliche Nacht verbrachte ich auf dem Sofa. Ich schaute auf die Dinge die ich auf dem kleinen Tisch vor mir aufgebaut hatte - darunter auch eine Waffe die mich fast mein lebenlang begleitet hatte. Ich hatte sie mehrfach auseinander gebaut und wieder zusammen gesetzt, hatte mich wieder mehr mit ihr vertraut gemacht und das Magazin geladen. Jede einzelne Kugel war für einen Mann bestimmt.

Weitere Waffen wie Wurfmesser, Munition und einer Schrotflinte sahen mir drohend entgegen. Nichts davon wollte ich je wieder anfassen, doch wenn es um meine Familie ging...
Ich war so gefesselt, daß ich gar nicht mitbekam wie es draußen langsam hell wurde. Ruhelos wie ich war hatte ich kein Auge zu getan und wartete nur darauf das Chris mir endlich ein paar neue Infos brachte. Ich war so in Gedanken vertieft das ich zusammen zuckte als Stella ihre Arme um mich legte. Sie hatte sich hinter mir postiert und nach vorn gebeugt.

„ Was machst du da? “ hauchte sie. „ Ihre Stimme war heiser vom weinen und schreien und ich verbot mir selbst sie zu rügen weil sie schon so früh auf war. Alles was ich sagte war, daß sie zu mir kommen sollte und das tat sie auch. Sie ging um das Sofa herum und fiel in meine offenen Arme, direkt auf meinen Schoß. Ihr Gesicht vergrub sich an meinem Hals während ich ihren Rücken sanft auf und ab streichelte. „ Ich hatte gehofft das... Wenn ich aufwache alles nur ein schlechter Traum gewesen wäre. Aber als ich vorhin in ihrem Zimmer war... “
Ihre Stimme brach und wieder fing sie haltlos an zu schluchzen. Es zerstörte mich innerlich wie so zu sehen.

Gleichzeitig erfasste mich eine derartige Wut das ich kaum an mich halten konnte. Wäre Stella jetzt nicht hier bei mir gewesen, hätte ich irgend etwas kurz und klein geschlagen. Aber ich wusste es... Das einzige Ventil das mir jetzt Abhilfe leisten konnte war der Mann der all diesen Kummer verursacht hatte.

Ich wollte seinen Kopf und mir war jedes Mittel recht.

Caspian 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt