10 | Leise Hoffnung

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Julian

Ich verschränkte nervös die Hände ineinander, als ich durch die Tür trat. Es war, als würde ich in eine Wohnung eintreten, doch hinter der Tür befand sich lediglich ein kleines Zimmer mit Bücherregal, einem Stuhl und einem Tisch mit weiteren Büchern und Zeichenutensilien.

Ich ging durch eine weitere Tür und wurde von dem Therapeuten begrüßt, bei dem Lena mir einen Termin beschafft hatte, Herr Sternberg. Er lächelte und machte eine winkende Bewegung zum Sessel.

»Ich bin gleich da.«

Ich nickte und da verschwand er in einem Nebenzimmer. Mein Mund war trocken, als ich mich auf den schwarzen Sessel setzte; vor mir befand sich ein Tisch und auf der anderen Seite des Tisches stand ein weiterer Sessel. Es war also wirklich so, dass man sich wie bei einem Kaffeekränzchen gegenübersaß und plauderte. Meine Hände verkrampften sich beinahe ineinander. Was würde mich erwarten?

Bis Herr Sternberg zurückkehren würde, sah ich mich im Zimmer um. Hier standen weitere Regale mit Büchern, aber auch mit Gegenständen, die aussahen wie Spielzeug. Ich entdeckte eine Holzpuppe mit bewegbaren Teilen, die die einzelnen Körperteile darstellten. Der Raum war gemütlich und dennoch schlicht eingerichtet, von draußen hörte man die Autos auf der Straße entlangfahren.

Erst als ein stechender Schmerz meinen Kiefer durchzog, atmete ich tief durch, um mich zu entspannen. Ich löste auch meine Hände aus ihrer verkrampften Haltung, lehnte mich in den Sessel und versuchte bewusst, meine Schultern sinken zu lassen. Die Sekunden zogen sich wie Kaugummi.

»Verzeihung«, sagte Herr Sternberg, als er in den Raum zurückkehrte. Er setzte sich auf den Sessel und legte einen Block und einen Kugelschreiber vor sich auf den Tisch, darunter befanden sich mehrere Blätter, die aussahen wie Arbeitsblätter in der Schule. »Ich musste noch kurz die Unterlagen des vorherigen Termins sortieren.«

Ich runzelte die Stirn und fühlte mich für einen Moment, als wäre ich beim Arzt.

»Also, Herr Seifert, schön, dass Sie hier sind.«

Ich rümpfte die Nase. Meinen Nachnamen zu hören, löste ein unangenehmes Gefühl in mir aus.

»Julian, bitte.«

»In Ordnung, Julian.« Er lächelte, aber es war ein seltsam förmliches Lächeln, als würde er nur lächeln, weil es sein Job war. »Wie geht es dir heute?«

Ich leckte mir über die Lippen und räusperte mich, um den Knoten in meinem Hals zu lösen. »Ähm, ganz gut, denke ich.«

Kleine Fältchen bildeten sich an seinen Augen, während er lächelte, und da atmete ich tief durch und bemerkte, dass ich schon wieder meine Schultern angehoben hatte. Ich streckte meine Schultern und stieß Luft aus.

»Warum bist du hier?«, fragte er.

»Weil Lena mir einen Termin besorgt hat.«

»Ich meinte, was hat dich dazu bewegt herzukommen?«

Ich zog die Augenbrauen zusammen. Fieberhaft versuchte ich mir eine Antwort zu überlegen, doch die Gedanken rasten chaotisch durch meinen Kopf, sodass ich sie nicht greifen, nicht ordnen konnte.

»Ich frage anders: Was belastet dich aktuell?«

Kurz sah ich ihn an, aber es fiel mir schwer, Augenkontakt zu halten. Ich befürchtete, er konnte sonst in mich hineinsehen und all die Gedanken und Bilder lesen, die durch meinen Kopf schwirrten. Verunsichert rieb ich mir die Handflächen. »Ich hab das Gefühl, mein Leben nicht auf die Reihe zu kriegen.«

Ich verzerrte das Gesicht, weil es sich lächerlich anfühlte, das zu einer fremden Person zu sagen.

»Was müsstest du denn auf die Reihe kriegen?«, fragte er.

Zwischen den Welten - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt