3 | Unmögliche Freundschaft

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David

Über eine Woche war vergangen, seit ich Julian im Café getroffen hatte und mir fiel es noch immer schwer, seinen Umzug nach Dortmund zu begreifen. Die ganze Woche hatte ich unruhig geschlafen; ich hatte geträumt von ihm, von unserer Reise, von Las Vegas. Manchmal war ich aufgewacht und hatte ihn an meine Seite gewünscht, aber manchmal hatte ich auch das Bedürfnis gehabt, seine Nummer aus meinem Handy zu löschen und ihn nie mehr wieder zu sehen. Endgültig.

Ich konnte nicht einfach ausblenden, dass er mich beklaut und belogen hatte und dennoch loderten diese verräterischen Gefühle in mir, die ich doch eigentlich für Anna fühlen sollte. Die Gefühle wurden umso stärker, als ich auf das vor mir stehende Gebäude blickte, in dem Julian wohnte. Es war ein Altbau, der seine besten Tage bereits hinter sich haben musste.

Wenige Treppenstufen führten zur überdachten Eingangstür, die Hauswand war mit einem einsamen Graffiti beschmiert, nicht einmal eines, bei dem sich viel Mühe gegeben wurde. Mit einem Blick auf mein Handy versicherte ich mich, dass die Adresse stimmte.

Ich atmete tief durch und stieg die Treppenstufen bis zur Eingangstür hinauf. Auf der obersten Stufe angekommen suchte ich die Klingelschilder nach dem richtigen Namen ab. Büttner, Patiño, Seifert. Kurz sah ich zurück zur Straße und dachte darüber nach, einen Rückzieher zu machen.

Reiß dich zusammen, redete ich mir ein, und betätigte die Klingel. Augenblicklich schlug mein Herz höher und mich überkam der Impuls zu fliehen, solange ich noch konnte. Aber ich wartete zu lang, hörte das Summen und drückte gegen die Haustür, um sie zu öffnen.

Nervös ging ich die Treppenstufen hinauf, bis ich im zweiten Stock ankam, wo Julian bereits mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte, ein Lächeln auf den Lippen. »Hey, David.«

Ich sah die Treppenstufen hinab, die ich gerade erklommen hatte, und schluckte.

»Denkst du darüber nach, wieder umzukehren?«, fragte Julian. Ich schüttelte den Kopf und kam auf ihn zu. Vorsichtig lugte ich an ihm vorbei, aber viel mehr als den Flur der Wohnung konnte ich nicht erkennen.

Julian seufzte. »Ich bin wirklich allein.«

»Sorry«, antwortete ich und biss mir auf die Unterlippe. Julian nickte und trat zur Seite, sodass ich die Wohnung betreten konnte. Von innen sah sie schöner aus, als man von außen vermuten sollte. Sie musste erst vor wenigen Jahren saniert worden sein.

»Du kannst die Schuhe anlassen«, sagte Julian, als ich im Begriff war, sie auszuziehen. Also knöpfte ich lediglich meinen Mantel auf und hängte ihn an die Garderobe. Ich folgte Julian bis zum Ende des Flures, der in die Küche mündete. Sie war hell und modern, in der Mitte stand ein hellbrauner Holztisch mit vier Stühlen. Julian ging zum Kühlschrank und musterte mich erwartungsvoll. »Was möchtest du trinken?«

»Wasser«, antwortete ich und blieb am anderen Ende des Tischs stehen, um möglichst viel Abstand zwischen uns zu bringen.

Julian gluckste. »Natürlich.«

Er nahm eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank, holte ein Glas aus dem Hängeschrank daneben und schenkte Wasser ein. Gebannt sah ich auf seine Hände, weil es mir schwerfiel, ihm ins Gesicht zu schauen. Noch immer fühlte sich die Situation surreal an.

»Und du wohnst hier mit...?«

Julian drehte sich zu mir um.

»Lars und Lorena.«

Das Glas in seinen Händen stellte er auf den Tisch zwischen uns, aber ich war zu nervös, um mich einfach hinzusetzen.

»Wie sind die beiden so?«, fragte ich stattdessen.

Zwischen den Welten - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt