23 | Nächtliche Gespräche

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Julian

Die Straßen der Stadt wurden nur von den Straßenlaternen beleuchtet. Am Dortmunder Nachthimmel war kein Stern zu sehen. Es waren kaum noch Menschen auf den Straßen unterwegs, als ich die letzten Meter bis zu dem Haus meiner WG joggte. Hektisch atmend kam ich zum Stehen und hielt mir die stechenden Seiten. Vielleicht war es doch nicht die beste Idee gewesen, meinen untrainierten Arsch zu einem nächtlichen Cardiotraining zu bewegen.

Ich strich mir mit einer Hand über meine verschwitzte Stirn, ehe ich meine Hosentaschen abtastete und den Schlüssel herauszog. Mit zittrigen Händen schloss ich die Haustür auf und sprang regelrecht die Treppenstufen hinauf bis in den zweiten Stock. Das Joggen hatte meine Unruhe nicht schmälern können. Eigentlich hatte ich nur schlafen wollen. Ich war so müde und erschöpft und sehnte mich danach, zur Ruhe zu kommen, doch ich schaffte es nicht. Nicht ohne...

Ich zog die Augenbrauen zusammen, als ich in unseren Wohnungsflur trat. Am Ende des Gangs schimmerte gedimmtes Licht durch die Glasscheibe der Wohnzimmertür. Dabei war niemand zuhause gewesen, als ich die Wohnung zum Joggen verlassen hatte. Sowohl Lars als auch Lorena hatte ich heute Morgen das letzte Mal gesehen und beide hatten mir gesagt, dass sie die Nacht unterwegs waren. Lorena war auf einem Kurztrip mit ihrer Freundin und den anderen internationalen Studierenden und Lars sollte eigentlich mit seinen Leuten feiern, wie er das immer am Wochenende tat.

Ich streifte mir die Schuhe von den Füßen, hängte meine dünne Jacke an die Garderobe und ging den Flur hinab. Als ich das Wohnzimmer betrat, war es doch Lars, der mich von der Couch aus anschaute. Über seinem Schoß lag eine Decke, im Fernseher lief irgendeine Teenie-Serie, die ich nicht kannte. Lars sah zu mir auf und schmunzelte. »Sag nichts, ich will mich jung fühlen, okay?«

Ich schmunzelte. »Schau, was du willst. Aber was machst du überhaupt hier?«, fragte ich und trat einige Schritte näher, bis ich mich mit den Händen auf der Lehne unseres Sessels abstützen konnte. So konnte ich immerhin das Zittern meiner Finger verstecken.

»Ich glaube, mein Körper brütet 'ne Erkältung aus. Also bin ich doch wieder heimgefahren.« Demonstrativ zog Lars die Nase hoch. Erst jetzt fiel mir die Tasse auf dem Couchtisch auf, in der ein Teebeutel hing. Wenn Lars Tee trank, musste er sich schon wirklich dreckig fühlen.

»Kann ich dir was bringen? Brauchst du noch 'nen Tee?«, fragte ich. Lars setzte sich schleppend auf und griff nach seiner Teetasse. Nach einem Blick hinein streckte er sie mir hin und lächelte. »Tee klingt super.«

»Kommt sofort.« Ich griff eilig nach der Tasse in der Hoffnung, dass Lars das Zittern meiner Finger nicht bemerken würde. Seiner skeptischen Miene nach zu urteilen war es ihm jedoch aufgefallen. Räuspernd wandte ich mich von ihm ab in der Hoffnung, dass er es unkommentiert lassen würde. Ich stellte die Tasse auf der Küchentheke ab und befüllte den Wasserkocher mit Wasser. Während ich auf den Wasserkocher wartete, dachte ich darüber nach, wie ich Lars meine Unruhe erklären sollte – denn ich war mir sicher, dass er fragen würde, sobald ich wieder ins Wohnzimmer kam.

Ich nahm einen weiteren Beutel des Kräutertees und legte ihn in die Tasse, bevor ich das kochende Wasser eingoss. Mitsamt der Tasse ging ich zurück zu Lars und stellte sie ihm auf den Tisch. Er bedankte sich. Stumm setzte ich mich in den Sessel und verschränkte meine Finger ineinander, während Lars mich nachdenklich musterte. Gleich würde er fragen, ich war mir sicher.

»Warum bist du noch wach?«, fragte Lars schlussendlich.

Ich zog die Augenbrauen zusammen. Das war nicht ganz die Frage, die ich erwartet hatte, aber das kam mir mehr als gelegen. »Ich konnte nicht schlafen und dachte, ich könnte mich mit Sport auspowern...«

Lars gluckste. »Sport vor dem Schlaf? Glückwunsch, du hast deinen Kreislauf jetzt voll auf Touren gebracht. Viel Glück beim Versuch zu schlafen.«

Ich zischte. »Klugscheißer.«

Zwischen den Welten - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt