7 | Schlaflose Nacht

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Julian

‚Weißt du, Julian, manchmal wünschte ich, wir könnten einfach wieder zusammen abhauen, uns irgendwo an den Strand legen und den Sonnenuntergang beobachten.'

Es war mitten in der Nacht, als ich auf den kleinen Bildschirm meines Laptops starrte. Mühselig versuchte ich meine Augen offen zu halten; im Fernseher lief eine Doku über Tiere in Sibirien, die ich nur für die Hintergrundgeräusche laufen ließ. Hauptsache, es würde mich wachhalten, während ich nach potenziellen Reisezielen in Deutschland suchte. Doch was sollte man im kalten, grauen Dezember schon unternehmen können außer Weihnachtsmärkte besuchen?

Hamburg, Berlin, Dresden, Köln, Erfurt, Frankfurt, Trier, Freiburg...

Ich klickte mich durch alle Top Städtereisen-Listen, die ich im Internet finden konnte und überflutete mich so mit Informationen, dass ich am Ende überhaupt keine Ahnung mehr hatte, was die jeweiligen Städte ausmachte, geschweige denn was mir und insbesondere David gefallen könnte. Als ich das Geräusch einer Tür hörte, hielt ich inne. Aus dem Flur schien schwaches Licht ins Wohnzimmer, und wenige Minuten später vernahm ich das leise Geräusch unserer Toilettenspülung. Ich erwartete, dass das Licht im Flur wieder ausgehen würde, doch stattdessen öffnete sich die Wohnzimmertür und Lorena trat in ihrem hellen Nachthemd ein. Müde rieb sie sich über die Augen, ehe sie mich blinzelnd anstarrte.

»Warum bist du wach?«, fragte sie.

»Konnte nicht mehr schlafen.« Konnte ich selten, wenn mich die Albträume heimsuchten.

Sie setzte sich neben mich auf die Couch und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Da griff ich nach der Decke, die neben mir lag und reichte sie ihr rüber.

»Was ist mit dir?«, fragte sie.

Ich zuckte mit den Schultern. Ein bisschen kalt war es durchaus, aber bisher war mir das nicht aufgefallen. Dennoch warf sie einen Teil der Decke über meine Beine, bevor sie sich in das andere Ende der Decke regelrecht einkuschelte.

»In den letzten Tagen schläfst du oft schlecht, oder?«

Ich atmete tief ein und rückte die Decke zurecht, ehe ich den Laptop wieder auf meine Oberschenkel legte »Passt schon. Ich komm klar.«

»Für dich ist es offensichtlich normal, entweder zwei Stunden die Nacht zu schlafen oder zwölf.«

Meine Mundwinkel hoben sich. »Schlafrhythmus wird überbewertet.«

Sachte kreiste ich meinen Kopf, um die Verspannungen in meinem Nacken zu lösen. Derweil zog Lorena die Decke bis an ihr Kinn und legte es auf ihre angewinkelten Knie ab.

»Es sind die Albträume, oder?«

Ich presste meine Kiefer aufeinander und starrte auf den kleinen Bildschirm meines Laptops. Einmal hatte ich ihr davon erzählt, nachdem ich ein Glas Wein zu viel getrunken hatte, und anscheinend hatte sie dem mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als mir bewusst gewesen war.

»Hat es was mit David zu tun?«

»Nein.« Ich zog meine Augenbrauen zusammen. »Seine Schwester hat mir angeboten, mir einen Therapieplatz zu besorgen.«

»Ist das nicht gut?«, fragte Lorena.

Ich seufzte tief. »Keine Ahnung ehrlich gesagt.«

»Du hast Angst, oder?«

Ich zuckte zusammen, als hätte sie mir einen Schlag ins Gesicht verpasst, und erwiderte ihren Blick, der mich aufrichtig und interessiert fixierte, doch reden war das letzte, was ich tun wollte. Nicht darüber. Über die Träume. Und alles drum herum.

Zwischen den Welten - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt