6 | Ungebetene Hilfe

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Julian

Der süße Geruch meiner Sahnesoße zog mir bereits in die Nase, als ich das Hähnchenfleisch vom Fett befreite. Ich summte zur Radiomusik der Musikbox und ich wusste nicht einmal, warum ich ausgerechnet Radio hörte, wo doch ohnehin immer die gleiche, langweilige Popmusik lief. Aber gerade war mir nach langweiliger Popmusik. Zu ihr konnte man wunderbar kochen.

Woher meine Motivation am heutigen Tag kam, wusste ich nicht, aber ich kostete sie aus, solange sie weilte. Denn ich wusste, sie würde nicht von Dauer sein. Das war sie nie. Ich schluckte den Gedanken runter und legte das Hähnchenfleisch in die bereits erhitzte Pfanne. Den Regler des Herdes stellte ich runter, ehe ich den Kochlöffel von der Küchentheke nahm, um ein weiteres Mal meine Soße umzurühren.

Hinter mir ertönte das Geräusch einer Tür und ich fuhr herum, schmunzelte, als ich Lars erblickte, der mit seinen dunkelblonden, zotteligen Haaren und Augenringen in die Küche schlich. Er trug nur eine weite Jogginghose und ein weißes Tank Top. Sein Weg führte ihn direkt zur Kaffeemaschine.

»Na, auch mal ausgeschlafen?«, flötete ich. Abseits von einem leisen Murren ignorierte er mich. Aber das war in Ordnung, ich wusste, dass er ein Morgenmuffel war. Oder wie auch immer man es nennen wollte, denn es war bereits kurz vor Eins.

»Warum hast'n du so gute Laune?«, fragte Lars brummend, nachdem er unsere Kaffeemaschine eingeschaltet hatte. Er lehnte mit dem Rücken an der Küchentheke und hielt sich mit den Händen an der Kante fest. Immer wieder kniff er die Augen zusammen, als hätte er Schwierigkeiten, sie offen zu halten.

»Weiß ich doch nicht«, antwortete ich glucksend und kostete meine Soße vom Kochlöffel.

»Das hängt nicht zufällig damit zusammen, dass dein Freund gestern hier war?«

Meine Mundwinkel hoben sich und ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht wie ein Clown zu grinsen. Ich räusperte mich und vermied es, Lars anzusehen. Diese Genugtuung wollte ich ihm nicht geben.

»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte ich. »Außerdem ist er nicht mein Freund.«

»Noch nicht.«

Mit verengten Augen sah ich zu Lars, der mich breit angrinste. Ich atmete tief durch, doch mein laut klopfendes Herz konnte ich kaum ignorieren. Immerzu blitzten Gedankenfetzen an den gestrigen Tag auf, insbesondere an Davids weiche Lippen und an seinen süßen Geruch.

»Gut. Wir haben uns geküsst«, sagte ich und drehte das Fleisch in der Pfanne. Neben mir lachte Lars und klopfte mit den Händen hörbar gegen die Kante der Küchentheke.

»Ich wusste, dass was zwischen euch gelaufen ist!«

Im ersten Moment erwiderte ich sein Grinsen, doch dann senkte ich meinen Blick und atmete gedehnt aus. So einfach war es nicht, das war mir bewusst. David würde sich nicht einfach so auf mich einlassen, und so sehr ich auch bei ihm sein wollte, ich durfte nicht erwarten, dass er einfach alles stehen und liegen ließ, um mit mir zusammen zu sein. Mitunter hatte ich mir das selbst zuzuschreiben. Als mein Kiefer schmerzte, kreiste ich kurz meinen Nacken und versuchte mich zu entspannen.

»Was ist das Problem?«, fragte Lars. Ich stützte mich mit den Händen an der Theke ab und starrte abwesend auf das Essen in meiner Pfanne, das so langsam einen goldbraunen Farbton annahm.

»Die Probleme«, antwortete ich. »Willst du sie hören?«

»Klar, hau raus.«

Ich schmunzelte über Lars' Naivität.

»Also, erstens, er hat 'ne Freundin. Seit einigen Jahren. Zweitens, er kommt nicht mit seiner Sexualität klar und seine Familie vermutlich auch nicht, und drittens – « Ich schluckte schwer. »Ich hab 'nen verdammt großen Fehler gemacht, wegen dem er mir zurecht nicht mehr vertraut und keine Ahnung, ob er das jemals wieder tun wird.«

Zwischen den Welten - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt