16. Kapitel

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Ich stand im Schulflur bei meinem Spind. Ich holte gerade meine Bücher heraus. Es war an wie an jeden anderem Tag, nur dass Kol jetzt an der Schule war. Wunderte mich eh, dass er noch nichts Psychopathen-Mäßiges gemacht hatte. Dass er nicht irgendjemanden manipuliert oder ermordet hat. Er benahm sich endlich mal.

Ich nahm gerade meine Bücher aus dem Spind und schloss diesen, da stand plötzlich Kol neben mir. Ich zuckte erschrocken zusammen und ließ meine Bücher dabei fallen. Kol fing sie geschickt auf und reichte sie mir. Skeptisch musterte ich ihn und nahm die Bücher entgegen, während ich ihn fragte: „Bist du eigentlich nicht schon zu alt für die High School?"

Er schmunzelte und erwiderte: „Wenn das so ist, wärst du auch schon zu alt für die Schule. Ich bin gleichalt wie du." Ungläubig blickte ich ihn an und äußerte mich argwöhnisch: „Nein." Er grinste belustigt über mich und ich fragte ihn nun skeptisch: „Wie alt bin ich denn?" Vielleicht schätzte er mich einfach älter. Sah ich so alt schon aus?

„18 Jahre, 7 Monate - wenn man den jetzigen Monat mitzählt, 16 Tage, 8 Stunden und...", er warf einen kurzen Blick auf die Schulglocke, „...48 Minuten." Ich blickte nun ebenfalls auf die Uhr und rechnete kurz im Kopf nach. Es war jetzt 14:04 und ich bin um 05:56 geboren. 14:04 minus 8 Stunden und 48 Minuten ergab genau... Nein, wie konnte er das nur so genau wissen?

Ich sah ihn sprachlos an, doch ich wollte ihm nicht recht geben und rechnete mir nun auch den Tag aus. 7 Monate. Also wenn man Oktober mitzählte, dann Oktober, September, August, Juli, Juni, Mai, April... und dann im März 16 Tage zurück, dann kam man genau auf den 14 März! Wie konnte er das nur wissen? Wer war er? Er war definitiv ein... „Du bist ein perverser Stalker!", schrie ich ihn an und fühlte mich plötzlich unwohl ihm gegenüber.

Er wusste zu viel über mich. Er wusste wie es aussah wirklich alles über mich. Vielleicht sogar mehr, als ich über mich selbst. Ich lenkte schnell von mir ab und meinte zu ihm: „Du bist doch niemals erst achtzehn!" „Doch bin ich, ob du es glaubst oder nicht", erwiderte er grinsend und fügte theatralisch hinzu: „Für immer achtzehn Jahre alt."

„Und wie alt bist du in...", ich verstummte, als jemand an uns vorbeiging. „...also in du-weißt-schon Jahren." Ich wollte das Wort Vampir nicht laut sagen, denn niemand sollte wissen was er war. „Du meinst als Vampir?", fragte er laut und ich deutete ihm sofort, dass er leiser reden sollte. Er schmunzelte kurz amüsiert, dann beugte er sich zu meinem Ohr vor und flüsterte: „1021, also insgesamt lebe ich schon 1039 Jahre."

Mit offenem Mund blickte ich ihn an. War das sein Ernst? „Jetzt bist du sprachlos", meinte er belustigt und ich nickte stumm. Wie konnte er schon so alt sein? Das so etwas überhaupt möglich war. Ich hatte ja erwartet, dass er älter als der älteste Mensch war. Ein paar hundert Jahre vielleicht. 300 Jahre oder höchstens 500. Aber 1000 Jahre!

„Wird das nicht irgendwann langweilig einfach so dahin zu leben?", fragte ich, da mir dies immer noch so unreal vorkam. Er zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Ich habe nicht mal alle Jahre meines Lebens erlebt. Meine Geschwister haben mich immer wieder erdolcht, was einen in einen Schlaf versetzt bis der Dolch wieder entzogen wird. Insgesamt habe ich dadurch 295 Jahre meines Lebens verpasst."

Ich war nun noch sprachloser. Seine Geschwister hatten ihn erdolcht?! Was für eine Familie hatte er bitte? „Und wenn ich lebe verbringe ich meine Zeit damit andere leiden zu lassen, so wie auch dich", er strich über meine Wange und ich zuckte sofort vor ihm zurück. „Ich spiele eben Psycho-Spielchen zum Zeitvertreib", meinte er. Ich funkelte ihn böse an.

In dem Moment kam Layla zu uns. „Störe ich bei irgendetwas?", fragte sie und betrachtete uns beide. Während ich Kol immer noch wütend ansah, erwiderte ich: „Nicht im Geringsten." „Du kommst sogar gerade perfekt", meinte Kol und betrachtete sie kurz. „Ihr seid doch beste Freunde, oder?", fragte er und Layla nickte lächelnd. Wow, sie stand schon wieder auf meinen Freund... Warte, was denke ich da bitte! Kol ist nicht mein Freund, sondern mein Feind. Ich stehe ganz und gar nicht auf ihn! Niemals!!

Ich hatte schon eine leise Ahnung, was Kol vorhatte. Drohend sprach ich seinen Namen aus. „Kol!" Er grinste mich nur frech an, dann packte er plötzlich Layla und biss ihr in den Hals. Sie schrie qualvoll auf und alle Schüler drehten sich zu uns um. Kol löste sich und lächelte mit blutigen Zähnen. Ebenso hatte er Layla ihr Blut an den Lippen und es tropfte von seinem Kinn herab.

Ich starrte ihn geschockt an. Schreie verbreiteten sich in den Fluren. Alle versuchten ihr Leben zu retten. „Alle bleiben an Ort und Stelle, wo sie sind und geben keinen Mucks von sich!", rief Kol und so verharrten alle in ihrer Bewegung, während ich endlich aus meiner Starre erwachte. Ich stieß Kol von Layla weg und schrie ihn an: „Lass sie in Ruhe!" Layla fiel geschwächt zu Boden und ich stellte mich schützend vor sie.

Kol hob ergeben die Hände und erwiderte: „Gut, ich lasse sie in Ruhe." Misstrauisch blickte ich ihn an. So einfach konnte das doch nicht sein. Kol hatte einen Hintergedanken. Aber was hatte er nur vor? Meine Frage wurde augenblicklich beantwortete, als er mir in die Augen schaute und mich hypnotisierte: „Bring sie um."

Layla wimmerte und ich drehte mich unter Trance zu ihr um. „Mary, wehr dich gegen die Manipulation", versuchte sie auf mich einzureden. Stumm packte ich sie und drückte sie gegen die Schulspinde. Sie schnappte nach Luft und krächzte: „Mary...das bist nicht du. Mary! Komm zu dir...du willst das doch nicht...ich bin es...deine Freu...Freundin..."

Ich drückte meine Hand immer fester gegen ihren Hals. Schnürte ihre Luft ab. Doch als sie meinen Namen röchelte: „Mary..." Ich zögerte einen kurzen Augenblick. Ich wehrte mich gegen die Manipulationen. Einen winzigen Moment sah ich sie verzweifelt an. Erinnerte mich an all die schönen Zeiten zurück, aber dann erinnerte ich mich an den Herzschmerz zurück, denn ich durch sie gehabt hatte und sofort kontrollierte mich wieder die Manipulation.

„Mach's gut, Layla", fauchte ich und presste noch fester meine Hand gegen ihren Hals. Ich sah in ihren Augen, wie all das Leben in ihnen verschwand. Ihre Augen flimmerten und dann ließ ich sie los und sie fiel tot zu Boden. „Gut gemacht", lobte mich Kol und klatschte amüsiert in die Hände. Geschockt hielt ich mir eine Hand vor den Mund und starrte auf die leblose Layla.

„Nein...", hauchte ich und kniete mich zu ihr runter. „Wach auf, Layla", bettelte ich verzweifelt und rüttelte sie. „Wach auf! Bitte!" Ich schluchzte und Tränen kullerten auf Layla hinab. Ich hatte sie getötet... Ich blickte zu Kol auf und schrie ihn an: „Wie konntest du nur?!"

Er grinste nur und beugte sich zu mir herunter. „Weil ich es liebe dir zuzusehen, wie du leidest", meinte er und ich blickte ihn herzbewegend an. „Vergiss deine Freundin", manipulierte er mich und ich starrte ihn nur stumm an. Wiedermal tat ich das, was er mir sagte. Ich vergas meine tote beste Freundin...

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