74 - Hyänen

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Wenn du es am wenigsten erwartest, passiert es...

~demez34




























Es hätte nicht passieren sollen, doch es passierte. Die Welt war nicht stehen geblieben, doch dem Anschein nach war es.
Was war schlimmer als die Ungewissheit? Wohl nichts Anderes auf der Welt. Als die Angst, die sich in unsere Zellen wie ein Fremdkörper hineinfrisst und uns lähmt.
Angst ist ein Begleiter, der dich zum Untergang führen wird...

„Wie viel Uhr ist es?", raunte Cihan verhärmt vor sich hin. „Viertel nach elf."
Seit gefühlten hunderten Stunden verweilten sie in dem Korridor der Privatklinik.
Wie ein böser Streich spielte sich der Moment, in dem die Kugel aus dem Kaliber geschossen wurde, vor seinen Augen wieder.

„Ich wusste, dass uns der Typ Probleme verbreiten wird.", erhob Timur den Kopf vom Vinylboden. „Diese Aussage bringt uns jetzt auch nicht weiter.", konterte Deneb von der Ecke. Die Luft spannte sich deutlich an.
„Haltet einfach-", setzte Cihangir an, doch stockte. „Seit einfach leise Jungs. Mehr will ich nicht.", formulierte er seine Worte um und fand den Weg nach draußen.

Die ganze Situation bedrückte ihn.
Manchmal zweifelte Cihangir an seiner Standhaftigkeit. Seine Wortwahl konnte er gekonnt einsetzten, Menschen einschüchtern, oder an Autorität gewinnen. Doch dann, gab es Situationen, die sein Selbstbild völlig zerschmetterten.

Ich denke wieder zu viel nach, warnte er sich innerlich und zog scharf die Luft ein.
Ich bin viel mehr als das, was ich von mir halte. Wenn ich Onkel Ilyas von mir überzeugt habe, der der härteste Brocken von allen ist, dann werde ich alles überstehen.

Ertan war jemand, der kaum an sich selbst zweifelte. Und selbst wenn, dann sah man es ihm kaum an. Einen weisen Satz gab er seinem Freund vor langer Zeit mit. „Identifiziere dich nicht mit deinen Fehlern."

„Du bist nicht dein Fehler. Du bist auch nicht dein Erfolg. Du bist einfach du. Wenn du etwas Großartiges schaffst, dann sollte es so sein. Und wenn du etwas Miserables schaffst, dann sollte es auch so sein. Was Gott geschrieben hat, kannst du nicht wissen. Vielleicht war es Glück."

Ein Lächeln huschte ihm über's Gesicht bei der Erinnerung an Ertan.
Genau, vielleicht war es Glück, dass all die Intrigen passierten. „Abi?", meldete sich eine Stimme beim einsam stehenden Mann, dessen Aufmerksamkeit er ergriff.
„Er ist aufgewacht."
Na, endlich.

Schweigsam betrat Cihangir den Raum. Eine Krankenschwester und der Arzt führten noch letzte Kontrollen durch.
In der Nacht wurde der Verletzte in eine Privatklinik gebracht, in der er unverdeckt bleiben konnte. Noch befand sich Riyaz auf der Flucht.

Die Kugel traf zum Glück nur seinen Arm.
Müde Augen trafen auf müde Augen.
Unruhig entwich Riyaz den Blicken seines Gegenübers. Doch Cihangir starrte ihn so lange an, bis er sich dazu gezwungen fühlte zurückzuschauen.

Cihan wartete auf den Moment, bis sie allein verblieben. Er verharrte auf seiner Position und trieb Riyaz regelrecht in die Bredouille.
„Abi! Ich-"
Mit dem erheben seiner Hand verstummte Riyaz.
„Wenn du mir...", setzte sich Cihan in Bewegung.
Die Reue in Riyaz Augen waren deutlich sichtbar.
„noch einmal Probleme bereitest, dann bist du durch bei mir."

Verlegen nickte der junge Mann.
„Der Schuss hätte auch nach hinten losgehen können.", vermerkte Cihan eine Metapher, die Wort wörtlich zu Stande kommen könnte. Wenn der Schuss in die andere Richtung losgegangen wäre, hätte er womöglich Cihangir erfasst.

„Eine Chance wollte ich dir geben! Denn bei uns hilft man seinem Bruder! Frankfurter halten zusammen. Aber du hast unseren Kodex zertreten und dein Leben einfach auf's Spiel gesetzt.", fuhr die Predigt fort.
„Du hast Recht bei allem, das du sagst!", gab Riyaz reuevoll von sich.

Gefangen in dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt