19 - Jaguar und Tiger

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Du kannst vor nichts wegrennen, was dein Schicksal für dich geschrieben hat, es wird dich immer finden.
~demez 34




















Als ich dachte, dass mein Tag nicht schlechter anfangen könnte, bekam ich eine Extraportion Drama am Morgen.
Es war eines der Tage, an denen ich verschwinden wollte.

Wie ein beleidigtes kleines Kind schränkte ich die Arme aufeinander und schaute Aziz beim Reifenwechseln zu.
„Tut mir Leid Asel.", blickte er auf mich hinauf.
„Nicht deine Schuld Aziz. Brauchst du Hilfe?"
Lächelnd sank sein Blick auf meine Stilettos herab.
„Nein, danke."
Für mein gutes Gewissen hatte ich die Frage gestellt.

Vom Augenwinkel nahm ich ein Auto wahr, das den Fahrstreifen wechselte. Unmittelbar bleib ein Jaguar hinter uns stehen.
Ein Blick auf das personalisierte Kennzeichen verriet, wer diese Person sein könnte. F AS 601.

Ein freundliches Lächeln setzte ich mir auf. Das kam von Professionalität und nicht von guter Laune. Regel Nummer zwei: entschuldige dich nicht für das Versäumnis, sondern bedanke dich für das Verständnis.
Tief atmete ich durch und öffnete die Beifahrertüre. Die ersten Sekunden beim Kennenlernen sind die wichtigsten. Auch wenn du der größte Loser bist, darfst du das nicht preisgeben.

„Guten Morgen.", begrüßte ich den Fahrer und setzte mich rein.
„Morgen, Asel.", wurde ich direkt persönlich angesprochen. Als ich mich zum Fahrer drehte, erlebte ich einen kurzen Schockmoment.
Das war Ali? Er war ein ganz anderer Mensch geworden! Abgenommen hatte er, die rundlichen Gesichtszüge waren verschwunden. Selbstsicher wirkte der braun gebrannte Südländer. Ich hatte ihn ganz anders in Erinnerung.

„Danke, dass du mich abholen gekommen bist."
„Bitte", antwortete Ali und die Fahrt begann. Was ich in ersten Sekunden bemerkte war, dass Ali im Gegensatz zu Cihan ganz vernünftig fuhr, trotz seines schnellen Sportwagens.

Bis zum Unternehmen seines Vaters, dauerte es noch um die 20 Minuten. Die Situation war mehr als komisch und ich verspürte ein komisches Gefühl im Magen. Noch nie war mich ein Mandant abholen gekommen und das würde ich auch nie erfordern.

Ein leiser Song spielte im Hintergrund. Irgendein Radiosender war an. Zumindest herrschte keine Totenstille.
„Ist die Wärme im Wagen angenehm oder soll ich sie etwas aufdrehen?", tauschte Ali Worte mit mir aus.
„Es ist gut so, danke."
Ich glaube, wir beide hatten keine Lust auf ein gezwungenes Gespräch, also beließen wir es. Auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, kam mir Ali genervt vor. Der Aufwand, den er meinetwegen machen musste, war nicht selbstverständlich.

„Ich nehme an, es gibt Stau auf der Route.", warf Ali einen Blick nach vorn und nahm sein Handy zur Hand. Na super.
„Nichts Ungewöhnliches für Frankfurt.", antwortete ich. „Genauso wie in Dubai. Großstadtprobleme.", blickte mich Ali an, nachdem er eine Nachricht verfasste.
„Wie war es auf den Arabischen Emiraten?", führte ich das Gespräch aus Höflichkeit fort.

„Darüber gibt es viel zu erzählen. Aber zusammengefasst kann ich sagen, dass mir die Zeit in Dubai gefallen hat. Ich habe bei meinem Onkel nebenbei gearbeitet. Als Bauingenieur habe ich besonders auf die Bauten geachtet und war fasziniert.", gab Ali wieder.
Bauingenieur war er also.

Der Stau löste sich auf und die Wege waren frei.
Fünf Minuten vor Beginn kamen wir an bei El Said Building an. Weltweit sollen Sie agieren. Ihr Profil nahm ich mir vor dem Meeting unter die Lupe.
Immer wieder warf Ali flüchtige Blicke auf die Uhr.
Im Besprechungsraum empfing uns der CEO.

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