84 - Lächeln und Tränen

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Wir haben von allem eine perfekte Vorstellung und vergessen dabei, dass das Schicksal auch plant...

~ demez34































Hadir Hashim - geboren und aufgewachsen in Ägypten. In einer kleinen Stadt nördlich. Vollwaise wurde er im Alter von Sieben.
Kassim Hashim, der Schmied der Stadt zog ihn groß. Ein frommer gerechter Mann, der Hadir Hashim wohl am meisten in seinen 47 Jahren Lebenszeit geprägt hat.

Hadir war auf dem guten Weg, Hāfiz* wie sein Opa zu werden. Als dieser auf brutalster Art von den Barbaren der Stadt umgebracht wurde, die die Stadt überfielen, schwor Hadir auf Rache. Der Mensch, der ihm am meisten bedeutete verschwand für immer. Sein Anhaltspunkt zerbrach.

[*Hafiz ist eine Person, die den ganzen Koran auswendig gelernt hat.]

Mit 15, als er die passenden Kontakte aus der Gosse knüpfte, fand er mit seinem Bruder Akram die Flucht ins Ausland.
18 Monate in der Türkei, irgendwann in Europa. In den jungen 20ern landete Hadir letztendlich in Frankfurt am Main, wo er sich auch niederließ. Und auf der Straße baute er sich sein Imperium auf...


Prüfend ließ Cihangir die Augen über Hashim schweifen.
Dieser blickte ihm völlig gelassen entgegen. Als hätte es nie Groll und Wut zwischen ihnen gegeben.
„Man sagt, dass Männer nachts über ihr Leben nachdenken. Nicht wahr?", setzte er seine Schritte an.

Die Sitzhaltung lockernd lehnte sich Cihan nach hinten.
Er ließ den nächtlichen Besuch zu. Vielleicht brauchte er im Moment einfach einen Gesprächspartner. Oder einen Mann, der ihn vollquasselte, damit ihn nicht seine Gedanken auffraßen.

„Ein intelligenter Mann denkt bei jedem Schritt über sein Leben nach.", zitierte Cihan und drehte den Kuli in seiner Hand hin und her.
Behaglich erhellte sich Hadirs Gesicht.
„Ach! Diese tiefgründigen Gespräche habe ich vermisst!", wandte er sich Cihangir.
Seine Miene veränderte sich kein bisschen. Er schien keine Sehnsucht zu verspüren.

„Mit Sahid kannst du Männergespräche vergessen.", klagte Hashim.
Den Kuli hörte Cihan auf zu drehen.
„Du hättest Vater sein sollen. Dann hättest du nie das Bedürfnis verspürt mich wie ein Familienmitglied aufzunehmen.", stieß er prompt aus. Cihan nahm sich kein Blatt vor den Mund.

„Ahh, ach. Familie sagst du... Den Zug habe ich verpasst. Aber eine Tochter wie Asel oder einen Sohn wie du hätte ich gerne gehabt.", teilte Hadir mit. Bei ihrem Namen baute Cihan den Blickkontakt auf.
„Deshalb hast du sie gezwungen dich zu verteidigen? Tut man das guten Menschen an?", erinnerte Cihan und trat vor. Seine Hand bildete eine Faust.

Lachend richtete sich Hadir auf. Er fühlte sich wohl in Cihans Quartier - sah man seiner Haltung an.
„Schließlich denkt jeder im Leben an sich. Nicht wahr?", meinte Hadir.
„So ist es. Aber Asel ist unantastbar."
Lange hielt Hadir den bernsteinbraunen Augen stand. Sein Mund öffnete sich einen Spalt.

Du hast mein Auge erblinden lassen, Cihangir.", machte er dieses Mal eine Erinnerung. Sein Lächeln wurde matter. Die hellblaue Iris verpasste ihm niemand außer der damalige Boxmeister.
„Normalerweise müsste ich dir die Knarre gegen den Schädel halten. Aber ich bin nicht auf Streit hinaus. Das Kapitel kann ich schließen, wenn du auch bereit bist.", kam in einem Satz

Erstaunlich.
Es war erstaunlich, welche Veränderungen Menschen durchgehen konnten. Als hätte Hadirs Seele eine Kehrtwende gemacht.
Selbst Cihan brauchte einen Moment der Stille um seine Worte zu sammeln.
„Was willst du, Hashim? Rede offen mit mir."

Gefangen in dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt