27 - Honigbraune Pupillen

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„Anfang siehst du diese Welt noch bunt, doch umso älter du wirst, verliert deine Welt immer mehr an Farben."

Mudi - Hayat

























Voller Schreck und Wut stapfte sie die Treppen herunter. Die Locken baumelten voller Elan auf und ab. Schwungvoll flog die Eingangstür auf und Kühle umgab sie.
Der Regen hinterließ einen glänzenden Film auf dem Asphalt. Vereinzelt fielen Regentropfen herab.
Die Arme vor die Brust verschränkend, durchforstete Asel paralysiert die Nachbarschaft. Dieses Mal, traf Cihan seine Kindheitsfreundin an einer ganz falschen Stelle. Und er würde nicht ohne Konsequenten davonkommen...

Erschrocken zuckte Asel zusammen und wich einen Schritt nach hinten, als sich ein schwarzer Regenschirm sich über ihren Kopf aufspannte.
„Cihangir?", erwähnte sie halblaut.
Seine Augen glitten über ihre Statur, wodurch sich ein zaghaftes Lächeln sich über sein Gesicht stahl.
„İyi akşamlar. (Guten Abend.)", begrüßt er sie.

Seine triumphierende Haltung machte sie lediglich wütender. Aus Asels Sicht, handelte er rücksichtslos und egoistisch.
Das erste Mal erlebte sie ein solche bittere Überraschung. Die in ihr wild herumschwirrenden Gefühle versuchte sie resigniert einzuordnen.

„Ist dir im Klaren, was du überhaupt machst?", unterbrachen ihre urteilenden Worte die Stille. Asels impulsivem Verhalten nach, begriff Cihan letztendlich wie einschüchternd die Überraschung sein musste.
„Das nennt man Stalking! Und die Straftat kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verurteilt werden!", offenbarte Asel fassungslos. Cihangirs Blicke sanken auf den Boden. Aber sein Lächeln blieb erhalten.

„Dings ehm... Ich wollte dir wirklich keine Angst machen.", kratzte er sich nachdenklich am Hinterkopf.
„Das hast du aber! Wie kommt man überhaupt auf solche Ideen?", funkelte Asel ihn an und schüttelte den Kopf. Wie im falschen Film fühlte sie sich, auch wenn Cihan vermittelte, wie wichtig sie ihm war.

Um aus der Gefahrzone auszutreten, entfernten sich die Kindheitsfreunde vor Asels Appartement. Unter Schutz von Cihangirs Schirm. Dicht beieinander.
„Alles gut, Asel! Ich bin's nur! Oder kam ein ähnlicher Fall schon mal vor?", kamen Cihan paranoide Gedanken in den Sinn. Eine solche überspitzte Reaktion erwartete Cihangir ganz und nicht. Also spekulierte er auf eine schlechte Erfahrung ihrerseits.

„Nein! Aber weißt du, wie viel Angst ich bekommen habe? So was macht man nicht! Zurzeit bin ich sowieso gestresst und einen Stalker kann ich überhaupt nicht gebrauchen.", wandte sie ihre Augen von ihm ab und fuhr über das müde Gesicht. Ihr Herz klopfte noch wie wild. Ein tiefer Seufzer entging ihr.

„Warum bist du gekommen?", sah Asel den nächtlichen Besucher an.
Konnte sich Cihangir die Frage denn selbst beantworten? Keiner einzigen Frau war er bis heute hinterhergerannt. Keine hat ihn dermaßen auf die Probe gestellt. Keiner musste er jemals sein Können beweisen. Der Begehrte, war immer er gewesen. Seinen ganzen Ego hat er unter die Füße genommen. Doch der angekratzte Ego schien zu erwachen.

„Möchtest du mir noch eine schellen, damit du dich abregst? Vielleicht bin ich mit Neuigkeiten gekommen?", argumentierte Cihangir seine Verteidigung. Erneut verengte Asel ihre Augen und betrachtete seinen Seitenprofil.
„Dann hättest du mich angerufen, Cihangir! Ein persönlicher Besuch und das auf dem benachbarten Dach, wär nicht nötig gewesen.", schien sie die Ausrede nicht abgekauft zu haben.

Vielleicht war Cihan doch nicht so angstlos, wie er behauptete. Denn die Angst, Asel nie wieder mehr zu sehen, fraß ihn regelrecht auf. Seine Geduld wäre nicht gerissen, wenn sie sich vor einigen Wochen nicht begegnet wären. Aber der Schuss war nunmal gefallen. Wo die Kugel landete, war ungewiss.
Aus Verlustangst begehen wir unsere größten Fehler. Wir tun Dinge, die wir mit unserem klaren Verstand niemals gemacht hätten.

Gefangen in dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt