05

74 5 0
                                    

"Nur von heute oder von der gesamten Mission?", frage ich. "Alles", meint Steve. "Und morgen muss ich es dann den anderen erzählen", seufze ich, fange aber an zu erzählen. "...Heute bin ich mit einem unwohlen Gefühl aufgewacht. Ich habe meinen üblichen Sport gemacht, gefrühstückt und dann gewartet bis Mr Williams fertig war. Wir haben unsere Sachen ins Auto gepackt und weil es mich nicht losgelassen hat, wollten wir um elf zur Zentrale fahren. Auf einem gegenüberliegenden Dach habe ich eine Bewegung gesehen, wir wollten raus und im Treppenhaus kam dann ein Mann mit Sturmgewehr runter. Ich habe zwei Magazine auf ihn geschossen, aber er hat die Kugeln einfach mit seinem Metallarm abgefangen. Ich hab ihn abgelenkt, während Jeremy ins Auto ist. Er sprach russisch. Er hat mir das Messer ins Bein gestoßen und mich in den Schwitzkasten genommen. Als mir fast die Luft ausgegangen ist, bin ich ihm meinen Fuß auf den Fuß getreten, hab ihm meinen Ellbogen in den Magen gerammt und eine Kopfnuss verpasst. Ich denke seine dämliche Maske hat einiges von dem Stoß abgefangen, weshalb mir der Kopf auch so weh tut. Jedenfalls konnte ich dann entkommen und uns zur Zentrale fahren. Ende der Geschichte", berichte ich. "Beschreib mir den Mann", bittet Natasha. Ich schließe meine Augen um mir sein Bild vor Augen zu führen. "Okay. Er war etwa 1,80m groß. Breit gebaut, etwas breiter als Steve. Er hat dunkelbraune Haare, die ihm fast bis zu den Schultern gehen. Um seine blaugrauen Augen war schwarze Schminke, Blendschutz. Er trug eine Maske, die nur seine Augen und Stirn unbedeckt lassen. Er hat schwarze Kleidung getragen. Vermutlich russischer und sowjetischer Herkunft. Sein linker Arm war aus Metall und an der Schulter konnte man einen roten Stern erkennen. Seine Waffe war ein Sturmgewehr. Er war verdammt stark", gebe ich meine Erinnerungen preis und sehe sie wieder an. "In Geheimdienstkreisen nennt man ihn den Winter Soldier. Ihm werden über zwei Dutzend Attentate in den letzten fünfzig Jahren nachgesagt. Viele glauben nicht, dass es ihn gibt. Ich habe ihn selbst erlebt. Ich sollte einen Wissenschaftler in Sicherheit bringen. Kurz vor Odessa platzten meine Reifen. Wir fuhren über eine Klippe. Ich hab uns rausgezogen. Er hat ihn durch mich hindurch erschossen", erzählt Nat und zeigt uns eine Narbe am Bauch. "Ein Geist?", frage ich nach. "Ja. Dennoch scheint es ihn zu geben", meint Nat. "Na prima. Dann kann ich vermutlich froh sein, dass ich nicht erst zugelassen habe, dass er schießt. Und ich außerdem eine Kevlarweste getragen hab", murmle ich und gähne. Mich überkommt die Müdigkeit von der Tablette vorhin. "Ich denke wir gehen dann und lassen dich schlafen. Wir sehen uns morgen, Melly", verkündet Clint und steht von meinem Bett auf. Die anderen beiden verabschieden sich ebenfalls und schon verlässt das Trio mein kleines Appartement mitten im Hauptquartier. Also lege ich mich hin und ziemlich schnell befinde ich mich in meiner Traumwelt.

Noch im Halbschlaf will ich mich auf die rechte Seite drehen um weiterzuschlafen, aber ein heftiges Stechen im Bein bringt mich dazu aufzuschreien. Sofort sind alle Erinnerungen da und ich bin hellwach. Neben meinem Bett wurde ein Glas Wasser und eine Tablette hingelegt. Ich zögere einen Moment, nehme sie aber dann und hoffe, dass es bald vorbei geht. "Blöder Winter Soldier Geist", fluche ich und hüpfe auf einem Bein ins Bad. Dort putze ich meine Zähne, wasche mein Gesicht und kämme meine Haare, welche ich zu zwei Dutch Braids flechte. Dann hüpfe ich zu meinem großen Kleiderschrank, hole darauf ein weißes Top, eine weite Cargo-Hose mit olivgrünem Camouflage-Druck, meine schwarze Lederjacke und natürlich Unterwäsche. Schnell tausche ich meine Outfits, schlüpfe in schwarze Boots. Im Hauptquartier brauche ich keine Waffen oder ähnliches, weshalb ich fertig umgezogen in die Kantine gehe und ausgiebig frühstücke, bevor ich im Konferenzraum erwartet werde.

Unerwarteterweise bin ich die erste im Konferenzraum, obwohl ich lange für mein Frühstück gebraucht habe. Also setze ich mich auf einen Stuhl, lehne mich zurück und lege meine Füße auf die Tischplatte. So nicke ich immer wieder ein, bis jemand meine Beine vom Tisch fegt. "Hey!", rufe ich sauer. Das tat echt weh. Dann sehe ich mich um. Alle sind da. Huch. Tony steht noch neben mir. "Was sollte das? Du hättest mich doch einfach normal wecken können", fauche ich ihn an und springe auf. "Hat doch Spaß gemacht. Soll ich jetzt Angst vor dir haben, Kleine?", fragt er spöttisch. "Ja. Denn falls du dich nicht entschuldigst, werde ich dir auch eine Stichwunde am Oberschenkel zufügen und dann deine Beine vom Tisch fegen", zische ich. Ich bin echt sauer. "Stichwunde?", höre ich Fury fragen. Tony dreht sich einfach um und setzt sich mit genug Entfernung zu mir an den Tisch. Auch die anderen setzen sich. "Und jetzt erzählen Sie was gestern in LA passiert ist, dass Sie mittags, verletzt in der dortigen Zentrale auftauchen und noch am gleichen Abend hier auftauchen", verlangt Fury. "Ja, das ist so...", fange ich meine Erzählung an. Letzten Endes sitzen sie dann alle da und sehen mich an. Selbst Tony gibt keinen Kommentar von sich. "Was zur Hölle? Der Typ hat es nicht auf den Kleinen abgesehen? Er hat nicht auf ihn geschossen?", fragt Tony. "Jetzt wo du es so sagst, fällt es mir auch auf. Es stimmt. Er hat gezielt gegen mich gekämpft", stimme ich ihm zu und denke nach. "Deswegen habe ich Sie hierher beordert, Agent Clark. Wir konnten durch unsere Spione erfahren, dass man es auf Sie abgesehen hat. Den Grund konnten wir nicht erfahren oder von wem genau die Anweisungen kommen", verkündet Fury. Sprachlos sehe ich zu ihm auf. Der Winter Soldier hat den Auftrag mich zu töten. Ich bin sein Ziel.

Gejagt vom Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt