"Sie wären tot, Shiraishi-san."
Die Stimme meines Professors schallte durch den Raum, wie immer dröhnend und monoton, als käme sie aus den tiefsten Tiefen eines leer stehenden Kellers. Er drischte uns immer wieder dieselben scharfen Kritiken um die Ohren, ohne ein Fünkchen Leidenschaft oder echte Begeisterung.
Doch ich konnte kaum hören, welche Vorwürfe er mir diese Stunde wieder einmal machte, denn das Pochen in meinen Ohren übertönte alles, was an Geräuschkulisse noch in diesem Raum existierte. Jeder Atemzug tat weh und ich presste mir meinen Handballen gegen meine Schutzweste, die anscheinend erneut schlimmeres verhindert hatte.
Der Schmerz war bittersüß. Einerseits erinnerte er mich, dass ich ein normaler Mensch mit Gefühlen war, andererseits berichtete er mir, dass ich wieder einmal versagt hatte. Ich hatte mittlerweile aufgehört zu zählen, wie oft ich mich in dieser demütigenden Situation befand - auf dem Boden liegend und nach Luft ringend, während meine Mitstudenten leise belustigt über mich tuschelten.
Ich hasste die Gefechtsimulationsstunden. Jedes Mal blamierten sie mich aufs Neue, ohne, dass ich es auch nur versuchen musste. Ich konnte mich noch so anstrengen und doch war ich am Ende diejenige, die verlor.
"Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen, Shiraishi-san? Sie müssen schießbereit bleiben! Wenn Sie ohne Schutz vorgehen, wird diese Schwachstelle hemmungslos ausgenutzt! Konzentrieren Sie sich, zeigen Sie keine Hemmungen beim Gebrauch einer Schusswaffe, die Ihnen vielleicht das Leben retten könnte!"
Ich spürte, wie mich jemand an meinen Armen hochzog und mich stützte, während der Schmerz langsam nachließ und ich endlich wieder klarer sehen konnte. Meine beste Freundin Naruse Nanami tauchte in meinem Blickfeld auf und schenkte mir ein mitleidiges Lächeln, während ihre Finger kleine Kreise auf meinen Rücken malten, als würde sie mir sagen wollen, dass ich mir jegliche spitzen Kommentare verkneifen sollte.
"Wenn Sie so weitermachen, werden Sie schlussendlich doch durch die technische Prüfung fallen", tadelte der ältere Professor weiter, der seine sporalische Standpauke anscheinend noch nicht abgeschlossen hatte, "Sie müssen sich auf alles konzentrieren, Shiraishi-san. Wir haben es im Theorieunterricht zahlreiche Male besprochen. Im Gegensatz zu den anderen fixieren Sie immer nur einen Punkt an, dass wird Ihnen dann zum Verhängnis, weil Ihre Rückendeckung einbricht!"
Meine Fäuste ballten sich und mein Gesicht verhärtete sich unter dem Schutzhelm, während die Worte auf mich einprasselten. Mit jeder Sekunde, die verstrich, spürte ich das Verlangen, ihm eine sarkastische Antwort zu geben, doch mein Gewissen schaffte es, meine Worte vorerst wegzusperren.
"Nehmen Sie sich Inuoe-san als Beispiel", bemängelte er aufs Neue, bevor er sich an meine Trainingspartnerin wandte, die mir schräg gegenüberstand und arrogant grinste, während sie sich ihren Zopf richtete, der durch den Schutzhelm verrutscht war, "Sie reagiert spontan und nutzt ihre Umgebung zu ihrem Vorteil, weshalb es ihr auch möglich gewesen ist, Sie von ihrer ungünstigen Lage zu attackieren."
Vergleiche gehörten zu seiner Spezialität. Er liebte es, stark und schwach bewusst zu trennen, um das Ego seiner Musterschüler immer weiter hochzudrücken, während er das Selbstbewusstsein der Außenseiter langsam aber sicher zerstörte.
"Das war doch nur Glück, Kuriki-sensei!", erwiderte Inuoe sofort auf sein Lob und strich sich durch ihre Haarmähne, während der Professor seine Aufmerksamkeit für einen Moment auf sie lenkte, um ihr weitere anerkennende Worte zu schenken.
Nanami stieß mich im selben Moment an und ich konnte ein leichtes Grinsen durch das Visier des Schutzhelmes erkennen, den auch sie trug. "Achtung, Schleim-Alarm!", flüsterte sie mir zu während unsere Blicke zurück zu der jungen Frau glitten, die ein breites Lächeln aufgesetzt hatte.
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Down The Rabbit Hole | Chishiya
Fanfiction„Würdest du mir bitte sagen, welchen Weg ich von hier aus nehmen soll?" „Das hängt sehr davon ab, wo du hinwillst." „Es ist mir ziemlich egal, wohin." „Dann ist es auch nicht so wichtig, welchen Weg du nimmst." „Aber ich werde an meinem Ziel ankomme...