Es verbleiben 50 Minuten!
Die Worte lösten etwas in mir aus. Ich konnte meinen Blick nicht von ihnen abwenden, als sie in meinem Kopf immer wieder nachhallten, als wollten sie immer wieder laut und deutlich gehört werden und mich an etwas erinnern, das ich verloren und nie zurückbekommen hatte. Es tat fast weh, die Wahrheit in ihnen zu entdecken, die ich zu leugnen versuchte.
"Was ist das für ein poetischer Blödsinn?", hörte ich den Mann neben mir murmeln, der sich der Tafel ebenfalls genähert hatte und sich mit etwas Abstand zu mir platziert hatte, "Bringt man das jetzt den Schülern bei? Unser System muss kaputt sein, wenn das alles ist, was sie im Japanisch Unterricht lernen."
Ich zwang mich, meinen Blick von der Tafel abzuwenden und stattdessen meinen Kopf zu ihm zu drehen, um über seine Worte nachzudenken. "Das könnte sein", antwortete ich, während ich meine Überlegungen beendete, "Aber es würde nicht viel Sinn machen. Als ich vor vier Jahren noch zur Schule ging, haben wir Gedichte analysiert, aber nur die von berühmten Schriftstellern. Dieses Gedicht ist jedoch nicht sehr bekannt - oder zumindest kenne ich es nicht."
"Und was willst du damit sagen?", erwiderte er ungeduldig und ich warf ihm wegen seiner Unfreundlichkeit einen abschätzenden Blick zu, bevor ich zur Tafel ging und mir die Kreide ansah, die in einem kleinen Korb lag, welcher unterhalb angebracht worden war.
"Ich könnte mich irren, aber irgendetwas ist an diesen Worten merkwürdig. Dieses Gedicht ist mehr ein Rätsel als alles andere. Und sieh dir die Farbe der Kreide an", ich wischte mit meinem rechten Zeigefinger langsam über die schwarze Oberfläche, sodass weißer Staub an meiner Haut kleben blieb, "Sie ist weiß. Aber wenn man sich den Kreidekorb ansieht, gibt es keine weiße Kreide, sondern nur farbige." Fast augenblicklich überprüfte er nun auch den Kreidekasten, und ich ließ meinen Blick wieder zu den Worten wandern, die immer noch so omnipräsent waren wie zuvor.
"Dies muss also das Rätsel sein, das in den Regeln erwähnt wurde", beendete er, was ich begonnen hatte, bevor er ein leises, genervtes Knurren ausstieß, "Warum ein Gedicht? Es ist nervtötend!"
Er hatte Recht. Ein Gedicht war immer ein Risiko, da es von jedem anders interpretiert werden konnte. Nur der Autor konnte die wahre Bedeutung kennen, was es fast unmöglich machte, das Rätsel zu lösen.
Fast.
"Wir müssen nur die Kernaussage des Gedichts herausfinden. Das sollte ausreichen, um den Hinweis zu bekommen, wo der Schlüssel versteckt ist", warf ich in den Raum, bevor ich ein rotes Stück Kreide in die Hand nahm, "Wir müssen nur die Stichwörter in den Zeilen finden."
"Dann mach schnell, Mädchen", grunzte er, "Wie du vielleicht vergessen hast, gibt es ein paar Zimmer weiter ein Feuer, das darauf wartet, alles niederzubrennen - auch uns." Mein Blick wanderte zurück zu ihm und traf auf einen gleichgültigen Ausdruck, während mein Blut zu kochen begann. Ich hatte die Nase voll von seinem Verhalten, und die Diskriminierung machte mich nur noch wütender.
"Nenn mich gefälligst nicht Mädchen, du Wolkenhirn!", schnauzte ich ihn an, "Du solltest auch selbst denken, anstatt die ganze Arbeit den anderen zu überlassen! Was, wenn ich mich geirrt habe? Ich könnte dich austricksen und dich in dein eigenes Verderben laufen lassen, zumal ich jetzt wirklich anfange, dich nicht zu mögen!" Er starrte mich schweigend an, und ich fragte mich, ob ich in meinem Ausbruch zu weit gegangen war, aber statt nach seinen Waffen zu greifen, senkte er nur den Kopf.
"Wolkenhirn, sagst du?", zu meiner Überraschung fing er an zu lächeln, "Das kann ich so nicht stehen lassen, dann muss ich wohl deinem Rat folgen." Seine Augen begannen, über die Worte zu huschen, und ich starrte ihn wortlos an, zu fassungslos, um zu sprechen. Mit jeder anderen Reaktion hatte ich gerechnet, aber nicht mit dieser. Da fragte ich mich, ob ich vielleicht doch die richtige Entscheidung getroffen hatte.
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Down The Rabbit Hole | Chishiya
Fanfiction„Würdest du mir bitte sagen, welchen Weg ich von hier aus nehmen soll?" „Das hängt sehr davon ab, wo du hinwillst." „Es ist mir ziemlich egal, wohin." „Dann ist es auch nicht so wichtig, welchen Weg du nimmst." „Aber ich werde an meinem Ziel ankomme...