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"Du solltest die nächste Zeit vorsichtig sein. Beach wird nach dir suchen."


Seine Worte hallten auch noch zwei Tage später in meinen Gedanken wieder, ohne dass ich die Antwort in ihnen gefunden hatte.

Als seine raue Stimme in jener Nacht zu mir herübergeschallt war, hatte ich perplex innegehalten. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie sich unsere Blicke zum zigsten Mal trafen und ich auf eine Erläuterung gehofft hatte. Doch schließlich hatte ich das Weite ergriffen, als die restlichen Überlebenden aus dem Gebäude kamen.

Seither plagte mich ein Gefühl, welches ich nicht ganz einschätzen konnte.

Es war eine Art Unsicherheit, die mich auf Schritt und Tritt begleitete. Sie war selbst dann da, wenn ich meine Augen schloss. Wenn ich das Gefühl genau beschreiben müsste, würde ich es höchstwahrscheinlich an ein klebendes Kaugummi bezeichnen, welches man unter dem Schuh hatte - zäh und schwer zu entfernen.

Dabei hatte ich nicht einmal eine Ahnung davon, was mir der Fremde damit hatte sagen wollen. Es gab mehrere Strände in Tokio, einige waren kleiner, andere waren größer, doch warum sollte mich ausgerechnet so ein Ort haben wollen? Und wie stellte er sich das genau vor? Sollten die Sandkörner ausschwärmen und mich gefangen nehmen?

Die Neugierde hatte mich trotzdem nicht losgelassen, sie war sogar noch präsenter gewesen als das Gefühl der Reue, welches mich schlussendlich doch eingeholt hatte, auch wenn mich dich darauffolgende Gleichgültigkeit erschreckt hatte.

Ein paar Stunden hatte ich über das Leben nachdenken müssen, welches ich bewusst genommen hatte, bevor ihr Gesicht vor meinem inneren Auge verschwommen war, zu einem Nebel, der weder greifbar noch scharf genug war, um bewusst darüber nachzudenken.

Am selben Abend hatte ich ihren Namen schon wieder vergessen.

Ich hatte über mein Verhalten nachgedacht, mich gefragt, ob es falsch war, so zu fühlen. War das nicht unfair gegenüber der Frau, die ich getötet habe? War es nicht unfair für ihre Freunde und Familie, dass sie sie nie wieder sehen würde? Sollte ich nicht noch ein bisschen mehr Reue empfinden, um mich daran zu erinnern, dass ich es nie wieder tun sollte?

Aber was, wenn es nicht das letzte Mal war, dass ich es tun musste?

Es gab keine Garantie. Es könnte ein Moment kommen, wo ich wieder jemanden mit meinen eigenen Händen töten musste, um mein eigenes Leben zu retten. Natürlich wünschte ich mir, dass es nie wieder passieren würde, aber ich konnte nicht sagen, dass es so ausgehen würde. Und wenn der Moment wieder kommen würde, war ich sicher, dass ich nicht noch einmal zögern würde, selbst wenn mein Inneres mich selbst blutig zerschlagen würde. Selbst wenn ich mich für das, was ich geworden war, hasste.

Ich summte zu mir selbst, um die Stille zu übertönen, die mich wieder verschlungen hat.

Früher hatte ich Ruhe und Frieden geliebt, aber ihr zu jeder Tageszeit ausgesetzt zu sein, machte mich nervös. Erst jetzt habe ich gelernt, die modernen Technologien und den Komfort, den sie bieten, mehr zu schätzen. Ich hatte gehört, dass man im echten Tokio oft darüber sprach. Die Leute erinnerten sich gerne an die guten alten Zeiten, vielleicht war es jetzt aus dem Zusammenhang heraus aber ich verstand irgendwie, wie sie sich gefühlt haben müssen.

Ich habe die alten Tage auch wirklich vermisst. Die Tage, an denen ich nach Hause kam und meine liebevolle Mutter umarmte, die mich mit einem hausgemachten Mittagessen erwartete, selbst wenn ich ihr sagte, nicht zu viel für mich zu tun, verpasste ich meinen täglichen Routine - jetzt vermisste ich sogar meinen mürrischen Selbstverteidigungs-Professor. Ich würde lieber von ihm ausgeschimpft werden, als gezwungen zu sein, tödliche Spiele zu spielen, um noch eine Nacht zu überleben.

Down The Rabbit Hole | ChishiyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt