20 | In die Tiefe

192 36 82
                                    

„Ich steh ja schon auf du kleiner Quälgeist."

Elvis Zunge leckt erneut quer über mein Gesicht, bis ich den Kopf des Rüden wegschiebe und mich im Bett aufsetze. Aufgeregt wedelt er mit dem Schwanz und wufft mich an.

„Ja, ich mach ja schon. Lass mich nur kurz ins Bad, du kleines Ungeheuer."

Er begleitet mich, bis ich die Badtür frech vor ihm zumache. Über seine Ausgelassenheit grinsend widme ich mich meinen morgendlichen Bedürfnissen. Elvis spiegelt heute genau meine Gefühlswelt. In Gedanken an den gestrigen Abend fühle ich mich ebenso fröhlich, verspielt und glücklich wie er. Und wenn ich daran denke, dass ich Aiden heute erneut sehen werde, erwacht der Bienenstock in meinem Bauch. Flattert, summt, kitzelt mich innerlich, bis ich lächelnd meine Hände von außen dagegen lege. Das ist so verrückt!

Ungeduldig bellt mein vierbeiniger Freund hinter der Tür und holt mich aus meinem Tagtraum. Nackt wie noch vor wenigen Minuten, dafür mit geputzten Zähnen, gehe ich in die Küche. Erst nachdem ich ihm seinen Napf auf den Boden stelle, lässt Elvis von mir ab. Glücklich sehe ich auf die beiden Gläser auf der Anrichte. Er war wirklich hier, bei mir, in meiner Wohnung und es war gut. Nein, es war mehr als gut, es war bezaubernd. Na, um ehrlich zu sein am Anfang nicht, aber danach. Und morgen, wenn Juls, Sandra und Lilli wieder zurückkommen, kann ich stolz erzählen, dass er sogar zweimal hier war.

Ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit, nein, Triumpf oder beides breitet sich in mir aus. Ich glaube, heute fühle ich mich unbesiegbar, irgendwie sowas. Ich bin das ganze Marvel-Kollektiv in einer Figur! Ja, genau so fühlt es sich an und an allem ist nur Aiden schuld! Mein hübscher Aiden. Schmachtend lehne ich mich an die Küchenzeile, sehe die Bilder des gestrigen Abends vor mir, bis ich laut lachen muss, weil mir das Video in den Sinn kommt. Er ist so ein verrückter Vogel.

Elvis kommt erstaunt zu mir, setzt sich genau vor meine Füße und sieht mich durchdingend an.

„Was ist los mein Großer? War ich dir zu laut?"

Ich könnte schwören sein Blick wird tadelnd, wie der einer alten Frau. Grübelnd, was dieses Mustern von ihm ausgelöst hat, stelle ich fest, dass ich noch immer nichts an habe.

„Ist ja schon gut Sheriff, ich zieh mich an und dann gehen wir raus", sage ich im Gehen und maule noch ein „Spielverderber", das er mit einem Bellen quittiert. Manchmal glaube ich wirklich, er versteht jedes Wort. Aber ich liebe es nackt zu sein, ich könne nur so rumlaufen. Ob es Aiden stören würde, dass ich nackt schlafe? Uhhhh, bei der Vorstellung von uns beiden in einem Bett, steigt mir die Röte ins Gesicht. Isaac, jetzt mach aber mal nen Punkt. Doch leider kann ich es nicht verhindern, dass meine Gedanken zu Aidens zarten Lippen abdriften, zu seiner warmen, festen Brust unter meiner Hand.

„Wuff"

„Du bist schlimmer als eine Anstandsdame, mit dir wird jeder Keuschheitsgürtel nutzlos", beschwere ich mich über die Störung, ziehe mir Sportklamotten an und mache mein Bett. Als ich wieder in mein Wohnzimmer komme sitzt Elvis schon mit der Leine im Maul vor der Tür.

„Du denkst also, du bist der schlauere von uns beiden, hmmm? Und wo ist dein Spielzeug, oder brauchen wir das heute nicht?" Schnell wie ein Blitz verschwindet er hinter der Couch und kommt mit einem Tennisball zurück. „Ah, aber mich willst du maßregeln", schimpfe ich grinsend und kraule das Tier hinter den Ohren.

Wir schlendern gemütlich in den Park. Ich laufe meine Runden, während Elvis seinem Ball hinterherjagt und einem, wohl ansprechenden, Collie Weibchen. Die beiden Hunde spielen noch immer vergnügt, als ich schwer atmend zu ihm auf die Wiese komme. Mein Hund scheint genauso verliebt zu sein, wie ich, weil er der Angebeteten seinen Ball zurücklässt, als wir gehen. Auf jeden Fall hat er das Flirten besser drauf als ich, stelle ich belustigt fest. Auf dem Rückweg hole ich ein wenig Gebäck für Aiden und ein bisschen Obst für die nächsten Tage.

Medicine - RomanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt