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Sanft greift er an meinem Kinn und dreht meinen Kopf wieder so, dass ich ihn ansehen muss. Ich bin nervös und weiß nicht, was ich ihm erwidern soll, aber mir ist klar, dass es jetzt an mir ist, etwas zu sagen. Aber was oll ich sagen? Ich kann ihm nicht sagen, dass es mir genauso geht. Erst gestern hat er mich noch mit Ben in einer sehr eindeutigen Lage erwischt und wenn ich sein entsetztes Gesicht richtig gedeutet habe, dann war er nicht gerade begeistert davon. Ich will mich nicht zwischen die Beiden stellen. Vor allem nicht, weil ich gerade einmal zwei Tage hier bin und schon alles durcheinanderbringe.

„Corey, was willst du von mir hören? Ich bin verwirrt... Du bringst mich auf die Palme und wir geraten immer wieder aneinander. Keine Ahnung, was das gerade war, aber es sollte nicht noch einmal passieren. Ben ist dein Freund und du bist... naja, du bist du..." setze ich an, aber er unterbricht mich. „Ja Ben ist mein Freund und es ist ihm gegenüber nicht fair, aber bis jetzt ist noch nicht viel zwischen euch passiert, oder? Wir könnten es ihm erklären und hoffen, dass er es versteht." Versucht er es ein weiteres Mal, aber ich bleibe hart. Zumindest nach außen hin. Innerlich herrscht ein Sturm, der sich nicht eindämmen lässt.

Weil ich meiner Stimme nicht über den Weg traue und Angst habe, dass ich gleich in Tränen ausbreche, schüttle ich ein weiteres Mal nur den Kopf und gehe ein paar Schritte weg, um Abstand zwischen uns zu bringen. Sein Duft lässt mich nicht klar denken.

Nachdem ich nach ein paar Minuten noch immer nichts gesagt habe ist es jetzt Corey, der den Kopf schüttelt und sich dann umdreht und geht. Und dieses Mal kommt er auch nicht zurück.

Irgendwann erwache ich aus meiner Starre und kann mich einfach nicht mehr hinlegen... Stillsitzen wäre jetzt fatal, weil ich dann zu viel Zeit zum nachdenken hätte. Also gehe ich ins Haus, verriegle die Tür zum Garten und hole meine Kamera und lege die Speicherkarte vom Shooting mit Corey auf Bens Schreibtisch. Dann schnappe ich mir den Schlüssel, den Ben für mich hinterlassen hat und verlasse das Haus.

Für eine Weile laufe ich am Strand entlang und schieße ein paar Fotos, aber irgendwie kann ich mich nicht richtig konzentrieren. Also beschließe ich durch die Hügel zurück zum Haus zu gelangen und auf dem Weg noch ein bisschen mein Glück zu versuchen.

Doch auch dort lässt der Kuss der Muse auf sich warten. Verdammter Corey! Er bringt mich durcheinander und ich hasse es. Und verdammter Ben... Hätte er meine Fotografie nicht entdeckt wäre ich nicht hier und wir hätten dieses ganze Schlamassel nicht. Ich hätte nicht ins diese, mir noch immer suspekten Welt zu tun und könnte einfach mein Leben so leben, wie ich es gewöhnt war. Aber jetzt werde ich nie wieder so in meinem alten Leben ankommen können. Nicht, nachdem ich das hier erlebt habe. Wie soll ich einfach weiter machen, als wäre nichts passiert.

Ganz in Gedanken habe ich nicht bemerkt, wie weit ich schon durch die Hügel Malibus gestreift bin und sehe mich verwirrt um. Hier sind kaum noch Häuser. Es wird Zeit, dass ich mich zurück zu Bens Villa mache. Er wird sicher bald kommen und ich muss ihm meine Entscheidung, früher abzureisen, mitteilen. Er ist sicher nicht begeistert, aber es ist besser für alle Beteiligten.

Nach fast einer Stunde komme ich total kaputt beim Anwesen an und sehe, dass Ben schon zurück ist. Also mache ich mich direkt auf die Suche nach ihm, um ihm meinen Entschluss so schnell wie möglich beizubringen. Ich halte es wie mit einem Pflaster. Mit einem Ruck abziehen, dann geht es schneller vorbei.

Ich finde ihn in seinem Arbeitszimmer und als er mich im Türrahmen stehen sieht zeichnet sich sofort ein Lächeln auf seinem Gesicht ab. „Hallo meine Hübsche. Na, wie war dein Tag? Konntest du ein paar schöne Bilder machen? Ich muss dringend mit dir reden. Komm... Setz dich!" Langsam nehme ich ihm gegenüber auf dem runden Ledersessel platz und sehe mich dieses Mal ein bisschen genauer um. In den deckenhohen Regalen stehen Gemälde, ein paar Aktenordner und Bücher „Ich habe mir deine Fotos angesehen und bin begeistert. Du hast genau unsere Vision getroffen und deshalb mache ich es kurz. Ich will dir ein Angebot machen. Wir wollen, dass du die neue Tour Fotografin von Corey wirst! Ich habe das mit meinem Team und ihm schon besprochen und es sind alle einer Meinung. Du bist perfekt dafür!" glücklich strahlt er mich an.

Nervös zupfe ich an meiner Unterlippe und frage mich, wie ich ihm bei all seiner Euphorie klar machen soll, dass ich mich entschlossen habe morgen wieder abzureisen. Doch mir ist auch klar, was sein Jobangebot für mich bedeuten könnte. Es wäre eine riesige Chance, die man nicht so einfach wegwerfen sollte.

„Ben! Es ehrt mich sehr, dass ich du mir das zutraust, aber ich habe doch gar keine Erfahrung mit so etwas. Ich mache Schnappschüsse und habe das nicht gelernt. Wie kommst du darauf, dass ich dem gewachsen wäre?" frage ich zögerlich nach. „Ich weiß es einfach. Ich habe sozusagen den siebten Sinn und meine jahrelange Erfahrung hilft mir schon auch dabei ein Talent zu erkenne und dann möchte ich es auch fördern." Antwortet er schlicht.

„Aber du bietest mir das hoffentlich nicht nur an, wegen... naja... du weißt schon..." bringe ich stotternd hervor was ihn zum Lachen bringt. „Du denkst also, dass ich dir einen Job anbiete, bei dem du immer unterwegs sein würdest, um bei dir zu landen? Wir würden uns selten sehen... Das ist doch für das, was da momentan zwischen uns entstehen könnte eher nicht so förderlich, oder? Schon gar nicht, wenn ich mit einem heißen Superstar um die Welt schicke."

Wenn er wüsste wir recht er damit hat.

„Es wäre eine tolle Chance für dich dein Hobby zum Beruf zu machen und ja, ich weiß, dass du einen Job hast und ihn sehr liebst, aber wer sagt denn, dass du ihn komplett aufgeben musst. Du könntest es ja auch als eine Pause ansehen und wenn es nichts für dich ist kannst du immer wieder zurück zu deinen Wurzeln. Und falls es dir zwischen durch mal fehlt kannst du ja dem Team ein Umstyling verpassen." Versucht er mir sein Angebot weiter schmackhaft zu machen. Er redet schon fast ohne Punkt und Komma. „Corey ist auch der Meinung, dass du die Richtige bist und er lässt sich da normal nicht so leicht überzeugen. Er ist Künstler und die ticken ein bisschen anders. Seine Visionen erschließen mir sich so oft nicht und wir verzweifeln aneinander, weil es immer wieder zu Missverständnissen kommt. Aber bei dir waren wir uns sofort einig und das muss schon was heißen. Denk darüber nach und lehne nicht direkt ab. Versprichst du mir das?" Ich nicke langsam und erhebe mich dann.

„Ich wollte auch noch mit dir reden... Wärst du mir böse, wenn ich schon morgen wieder nach Hause fliegen würde? Ich habe noch so viel zu erledigen und wenn ich erst nächste Woche zurück bin bremst mich der Jetlag zu sehr aus." Die Ausrede ist eher flach, aber mir ist einfach nichts Besseres eingefallen. „Du willst mich schon verlassen? Ich habe mir extra die nächsten Tage frei genommen, damit wir gemeinsam was unternehmen können. Es gibt so viel, dass ich die zeigen wollte. Deshalb war ich heute auch den ganzen Tag weg." Seine Stimme ist leise und ich kann Traurigkeit heraushören, auch wenn er versucht es zu verstecken. Sofort setzt mein schlechtes Gewissen ein und ich lächle ihn unsicher an.

„Was hattest du denn vor?" „Ich wollte dich eigentlich auf einen kleinen Roadtrip an der Küste entlang nach San Francisco entführen. Einfach die Zeit genießen und mal nicht von Terminen und anderen Personen abgelenkt werden. Nur du und ich."

Es wäre sooooo falsch seine Einladung anzunehmen, aber wann bekommt man den schon so eine Chance. Ich wollte schon immer mal die kalifornische Küste abfahren. Noch dazu mit einem Mann wie Ben. Er hat mir schon so viel ermöglicht. Da kann ich dieses Angebot doch unmöglich ablehnen, oder?

„Okay! Lass uns einen Roadtrip machen." Grinse ich ihn an. Er springt auf, kommt um den Tisch, packt mich und wirbelt mich einmal im Kreis. „Super. Du wirst es nicht bereuen."

Ob ich mir da so sicher sein kann...


SheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt