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Ich bin wie versteinert und traue mich nicht mich zu ihm umzudrehen, weil ich weiß, dass die Aufmerksamkeit aller auf mir liegt. Warum sagt er das? Ist das auch Teil seines Spiels? Also stehe ich hier im Tunnel zum Flugzeug und bewege mich nicht. Soll ich zu ihm gehen und meinen Flug sausen lassen? Nach Allem, was er und Ben in den letzten Tagen gemacht haben? Andererseits ist es ja schon ein Beweis, dass er es in der Öffentlichkeit sagt. Wohlwissend, dass er gefilmt wird und es spätestens morgen früh die ganze Welt gesehen hat.

Also drehe ich mich langsam um und blicke direkt in seine wunderschönen, grünen Augen. Er steht vielleicht zwei Meter von mir entfernt und schaut mich unsicher an. Sein Geständnis hängt schwer zwischen uns und mir ist klar, dass jeder hier darauf wartet, was ich machen werde.

Corey macht im selben Moment einen Schritt auf mich zu, wie ich mich in Bewegung setze. Als wir direkt voreinander stehen lächelt er schief und hebt die Hand, um sie direkt wieder unsicher sinken zu lassen. Jetzt liegt es wohl an mir den nächsten Schritt zu machen. Und das mache ich. Ich lege meine Hand an seinen Hals und ziehe ihn sanft zu mir herunter. Dann küsse ich ihn. Ich küsse ihn mit allen Emotionen, die mich in diesem Augenblick durchströmen und gebe mich den Gefühlen, die auf mich einprasseln hin. Es fühlt sich richtig an, auch wenn ich seinen Verrat nicht einfach vergessen kann.

Er schiebt mich mit leichtem Druck von sich, um mir so tief in die Augen zu schauen, dass ich Angst habe meinen eigenen Namen zu vergessen. „Clara, es tut mir so unendlich leid. Ich verspreche dir, dass ich alles wieder gut machen werde und wir das Alles hinter uns lassen können. Aber bitte verzeih mir! Ich habe jedes Wort ernst gemeint und schwöre dir, dass ich nie wieder so einen Mist bauen werde." „Corey, lass uns nicht hier darüber sprechen. Wir werden beobachtet." Kichere ich, als ich sehe, dass noch immer eine Traube von Menschen vor der Passkontrolle steht und auch das Bodenpersonal neugierig in unsere Richtung schaut.

„Willst du immer noch fliegen, oder bleibst du noch die restlichen Tage hier bei mir?" will er unsicher von mir wissen. Mir ist klar, dass ich keine Zeit zum überlegen habe, weil ich die letzte bin, die jetzt ins Flugzeug einsteigen sollte. Nervosität macht sich so schnell in mir breit, dass ich anfange zu schwitzen. Einerseits, weil ich gerade ein halbes Vermögen für das Ticket bezahlt habe und andererseits, weil ich nicht weiß, ob wir schon so weit sind, dass ich die negativen Gedanken, die sich in den letzten Stunden in mir angesammelt haben, einfach abstellen kann. Aber ich kann jetzt auch nicht einfach so gehen. Nicht, nachdem er mir hier vor der Welt dieses verrückte Geständnis gemacht hat.

„Ich werde gehen, aber ich würde mich freuen, wenn du mich sehr bald besuchen würdest oder ich zu dir kommen kann!" sage ich bestimmt und schnappe mir seine Hand. Ich mag diese Aufmerksamkeit nicht und muss hier schnellstmöglich weg. „Sei nicht böse oder traurig. Wir werden uns bestimmt bald wieder sehen und wir telefonieren einfach jeden Tag. Ich melde mich gleich, wenn ich gelandet bin." Seine Augen strahlen nicht mehr so sehr, aber ich sehe auch Verständnis darin. Es war ja klar, dass ich nicht ewig hier bleiben kann und für mich ist einfach jetzt der perfekte Zeitpunkt, um meine Heimreise anzutreten. „Kannst du mir noch einen Gefallen tun?" frage ich vorsichtig nach und warte sein Nicken ab, um dann fortzufahren. „Könntest du mein restliches Gepäck bei Ben abholen und für mich aufbewahren bis wir uns das nächste Mal sehen?"

Langsam nickt er und blickt sich einmal um. „Das mache ich gern, weil es bedeutet, dass wir uns wieder sehen werden. Ich würde dich jetzt so gern küssen, aber ich glaube wir haben Schaulustigen schon genug Show für heute geboten, oder? Ich will dich nämlich auf keinen Fall den Haien zum Fraß vorwerfen. Das würde früher oder später sowieso passieren, wenn du mit mir gesehen wirst."

Unser Abschied ist kurz und der einzige körperliche Kontakt, den wir haben ist, als wir uns umarmen. Schmerzlos ist er allerdings nicht. Als ich endlich auf meinem Platz im Flugzeug sitze lasse ich den Gefühlen freien Lauf. Mir laufen unaufhaltsam die Tränen übers Gesicht und ich bin froh, dass mich Corey nicht mehr so sehen kann. Ein paar neugierige Blicke hat es mir schon eingebracht und zum Glück hat hier drin kaum jemand etwas von dem Szenario im Flughafen mitbekommen, sonst würden vermutlich morgen sämtliche Social Media Plattformen voller Fotos von mir sein.

Etwa Elf Stunden später, mit schlechtem Flugzeugessen und einem nervigen Kind, dass mir ständig gegen die Lehne meines Sitzes getreten hat, landen wir in Frankfurt und die Erleichterung durchströmt mich. Wieder in meinem Heimatland und nur noch zwei Stunden von Zuhause entfernt zu sein lässt meine Nerven ein wenig ruhiger werden und ich schreibe schnell meiner Familie und den engsten Freunden, dass ich wieder sicher zurück bin und mache mich auf die Suche nach dem Zug, der mich nach Stuttgart bringen wird.

Ich ziehe die Tür meiner Wohnung hinter mir zu und atme tief aus. Es ist fast so, als hätte ich seit ich das Hotel in San Francisco verlassen habe, die Luft angehalten. Hier ist mein Safe Space und mein Rückzugsort und das ist genau das, was ich jetzt gebraucht habe. Die Entscheidung zurückzufliegen war richtig. Oder? Ich habe Corey zwar verziehen, aber ich bin immer noch enttäuscht und sauer darüber, dass er mit Ben diese Wette abgeschlossen hatte, aber ich vermisse ihn jetzt schon. Seine Augen, sein Lächeln, die vielen Tattoos, bei denen man immer wieder neue entdecken kann, weil es so viele sind. Und diese Art, die mich einerseits so auf die Palme bringt und Andererseits so extrem anziehend ist.

Ich schnappe mir mein Handy aus meiner Tasche, lege mich auf die Couch und schreibe ihm, dass ich gut angekommen bin. Es dauert keine Minute und er antwortet mir schon mit einem Foto von sich und dem Text Ich vermisse dich so sehr. Hoffentlich sehen wir uns sehr bald wieder!?

Sofort staut sich die Nässe in meinen Augen. Trotzdem muss ich lächeln. Er hat seine Lippen zu einer Schnute verzogen und sieht damit ein bisschen aus wie ein Frosch. Einfach ein Quatschkopf und genau das ist es, was ich an ihm mag. Ich starre noch eine Weile auf den Bildschirm und frage mich, was ein Mann wie er und aus diesen Kreisen von einer Frau wie mir will. Ich habe zwar einen tollen Job und bin dort auch recht erfolgreich, aber leider wird man nicht gut bezahlt und ich habe keine Kontakte in die die High Society oder zu irgendwelchen Promis.

Die Sonne, die in mein Gesicht scheint, weckt mich und ich stelle fest, dass ich auf dem Sofa eingeschlafen sein muss und es schon Mittag ist.

Das Essen im Flugzeug ist schon eine Weile her und mein Magen macht sich mit lauten, grummelnden Geräuschen bemerkbar und da ich nichts im Kühlschrank habe, werde ich mir was von dem kleinen indischen Restaurant unten an der Ecke Palak Paneer bestellen und mir liefern lassen. Irgendwie habe ich keine große Lust heute noch das Haus zu verlassen.

Eine Stunde später klingelt es an der Tür und ich lasse den Boten herein, gebe ihm ein saftiges Trinkgeld, weil er die drei Stockwerke zu mir heraufgekommen ist. Dann setze mich vor den Fernseher, um mir irgendeinen Nonsens anzuschauen, als es noch mal schellt. Hat er etwas vergessen? Ich drücke auf den Türöffner und warte im Treppenhaus. Doch statt dem Lieferjungen steht jemand anderes vor mir und strahlt über das ganze Gesicht zu mir hoch, als er die letzten Stufen überwindet.


SheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt