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Corey

„Mein Gott, Corey! Was habt ihr euch denn dabei nur gedacht? Das bist doch nicht du!" seufzt Noah und sieht mich ungläubig an. Ich weiß, dass er sauer ist, aber er hält sich zurück, weil wir noch in der Öffentlichkeit sind. „Ich weiß doch auch nicht, was mich geritten hat und wie ich überhaupt auf die Idee gekommen bin. Sie hat mich sofort umgehauen und als Ben mir dann gesagt hat, dass er auf sie steht... Ich habe die Beiden erwischt! Das hat mich kalt erwischt..." stottere ich meinen Versuch einer Erklärung vor mich hin.

Wir sind auf dem Weg zum Wagen und werden von ein paar Fans verfolgt, weshalb wir nicht richtig sprechen können, aber mir ist klar, dass ich mein Fett wegbekomme, sobald wir im Auto sitzen.

Ich streiche meine wilden Locken aus der Stirn und werde noch ein wenig trauriger. Clara hatte das gemacht, als wir in den Blumenfeldern waren. Es war eigentlich nur für ein Foto, aber es hat sich nach so viel mehr angefühlt.

Als wir endlich das Auto erreichen bin ich mehr als erleichtert, weil ich mich nicht mehr für die Menschen dort draußen verstellen muss. Noah kennt mich lange genug und weiß, dass ich im Grunde meines Herzens kein böser Mensch bin. Und doch habe ich gerade Zweifel, dass er mir das ganze nicht Nachtragen wird. Er mag Clara, so viel ist sicher und er hasst es, wenn man Menschen weh tut.

„Bist du in sie verliebt?" fragt er leise in die Stille, die sich im Wagen breitgemacht hat.

„Ja! Ja, ich denke schon. Ich war es von dem Augenblick an, als wir bei Ben in der Küche die halbe Nacht über ihren Fotos hingen." Es ist das erste Mal, dass ich es ausspreche und mir damit auch selbst eingestehen muss. Und es ist auch der Moment, in dem mir klar wird, dass ich sie schnellst möglich finden muss.

„Kannst du ein bisschen schneller fahren? Ich habe da einen Verdacht. Wir müssen schnell wieder zum Hotel." Weise ich meinen Freund an und er nickt nur einmal kurz. Seine Lippen sind zu einem schmalen Strich gepresst, was mich erkennen lässt, dass er gerade verdammt wütend auf mich ist.

Wir fahren gerade auf den Hof des Hotels, als ich sie in ein Taxi steigen sehe. In ihrer Hand hält sie ihre Tasche und mir wird klar, dass sie dabei ist abzuhauen ohne sich zu verabschieden. Ich kann es ihr nicht mal verübeln, aber es ärgert mich trotzdem.

Wieso kann sie nicht mal warten bis wir zurück sind?

„Soll ich ihr folgen?" reißt mich Noah aus meinen Gedanken und ich nicke nur. „Denkst du sie reist ab?" frage ich ihn, obwohl ich seine Antwort schon ahne. „Würde es dich denn verwundern? Du hast sie von Vorne bis Hinten verarscht. Auch wenn deine Gefühle echt sind... Sie hat kein Vertrauen mehr zu dir und was soll sie dann noch in den USA? Ihr Auftrag ist erledigt. Sie hat ein Leben in Deutschland."

Wir folgen dem Taxi bis an den Flughafen. Noah lässt mich vor dem Gebäude raus und fährt los, um sich einen Parkplatz zu suchen. Ich laufe ihr hinterher, doch gerade als ich sie fast einhole, stellt sich mir eine Person in den Weg. Das junge Mädchen strahlt mich an und fragt schüchtern nach einem Foto. Normalerweise bin ich gern bereit dafür, aber gerade ist es einfach kein guter Zeitpunkt, also entschuldige ich mich und renne an ihr vorbei. Ich schaue mich suchend um, kann Clara aber nirgends mehr entdecken. So ein Mist!

Auf der großen Tafel, auf der die Abflüge und Ankünfte suche ich nach dem Flug, den sie nehmen könnte. Es geht nur ein Direktflug nach Deutschland und das nach Frankfurt. Das ist zwar nicht der Ort, an dem sie wohnt, aber vielleicht habe ich ja Glück. Und zur Not habe ich es zumindest so schon mal in den hinteren Teil des Terminals geschafft. Also sprinte ich zum Schalter und buche mir ein Ticket, beeile mich durch die Sicherheitskontrolle zu kommen und suche nach dem Gate, von wo aus der Flieger gehen soll.

Je näher ich den Sitzmöglichkeiten im Wartebereich komme, desto mehr zweifle ich. Was soll ich ihr denn sagen? Sie wird mir nicht viel Zeit geben, um mich zu erklären und dann muss es das Richtige sein. Ich biege um die letzte Kurve und erstarre fast. Dort sitzt sie. Den Blick auf ihr Handy gesenkt und sie sieht müde aus. Ausgelaugt. Und ich bin daran schuld.

Langsam und bedächtig trete ich vor sie, doch sie hebt den Kopf nicht. Die Spitzen meiner Schuhe müssten schon in ihrem Sichtfeld sein. Warum reagiert sie nicht?

„Was willst du hier, Corey?" ihre Stimme ist nur ein Flüstern und sie klingt einfach nur erschöpft. Ich sehe mich um und sehe, dass ich schon erkannt wurde. Also wird mein Auftritt hier ziemlich wahrscheinlich sowieso im Netz zu finden sein. Was solls!

„Es tut mir leid, Clara!" „Was? Was genau tut dir leid, Corey?" fragt sie zornig. „Dass ich..." beginne ich, aber ich sie ist schneller. „Dass, du eine Wette auf mich abgeschlossen hast, wie auf ein Pferd bei einem Rennen? Oder, dass du mir vorgespielt hast, dass du mich magst? Oder vielleicht ja, dass ihr Beide ein Spiel mit mir gespielt habt?"

Sie sieht mich so voller Wut an, dass mir schwindelig wird. Ich habe das Gefühl zu fallen.

„Alles! Das Alles und noch so viel mehr. Es war dumm und wir haben nicht nachgedacht. Wir waren betrunken. Ich weiß, dass das keine Entschuldigung ist, aber ich kann es auch nicht mehr rückgängig machen!"

Die Menschentraube um uns herum wird immer größer und einige haben ihre Handys gezückt und filmen uns. Ben wird mich umbringen, wenn er die Videos sieht, aber das ist gerade mein kleinstes Problem. Das erste Mal seit einer halben Ewigkeit habe ich eine Frau gefunden, die mir etwas bedeutet. Da kann ich einfach keine Rücksicht darauf nehmen, was er denkt und schon gar nicht, was in den Medien über mich verbreitet wird.

Das Boarding wird aufgerufen und Clara erhebt sich. Sie drückt sich an mir vorbei und geht zur Passkontrolle. Ich stolpere hinter ihr her. Mir ist klar, dass ich nicht in dieses Flugzeug steigen kann, weil ich sonst noch viel mehr aufs Spiel setze. So viele Menschen sind von mir abhängig und wenn ich morgen nicht in Los Angeles bin, dann macht mir Ben die Hölle heiß. Auch wenn ich der Mann auf der Bühne bin und das Geld ranschaffe... Ich habe einen Vertrag und der muss erfüllt werden.

Ich ziehe sie an ihrem Arm aus der Reihe und bin froh, dass sie ohne Widerstand mit mir kommt. „Ich kann dich nicht einfach gehen lassen. Wir müssen das klären, Clara. Ich muss wissen, dass du mir verzeihst. Bitte! Es tut mir so leid und ich werde alles für mich Mögliche tun, dass du mir irgendwann vergibst. Geh nicht!!!" Ich rede mich um Kopf und Kragen. Für die Menschen hier muss es ja wie Weihnachten und Geburtstag zusammen sein. Wann bekommt man schon mal so eine Szene geboten?

„Ich höre immer nur ICH! ICH! ICH! Corey, hier geht es nicht um dich, sondern um mich und darum, was ihr mit mir gemacht habt! Hier bist einmal nicht du die Hauptperson. Warum sollte ich nicht gehen?"

Sie weint... Die Tränen strömen über ihr hübsches Gesicht und ich kann den Anblick kaum ertragen. Alles in mir zieht sich zusammen. Mein Herz schmerzt bei diesem Bild, das allein mir und Ben zuzuschreiben ist.

„Ich werde jetzt gehen und falls du nicht noch etwas Besseres hervorbringen kannst, ist es besser, wenn wir uns nie wieder sehen." Ihr Hand liegt auf meinem Arm und es ist als würde die Wärme über diese Stelle wieder in meinen Körper fließen.

Dann dreht sie sich wie in Zeitlupe um und geht davon. Ich stehe wie versteinert da, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Das Einzige was ich weiß ich, dass ich sie nicht einfach so gehen lassen kann. Also nehme ich meinen ganzen Mut zusammen, eile zum Eingang des Tunnels und schreie ihr das erste hinterher, das mir in den Kopf kommt.

„Weil ich mich in dich verliebt habe!"


SheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt