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Am Morgen werde ich wach und liege alleine im Bett und als ich mich umsehe, stelle ich fest, dass Ben wohl nicht einmal im Zimmer ist, da die Tür zum Badezimmer offensteht.

Ich falle mich zurück ins Kissen fallen und ziehe seins über mein Gesicht. Was hast du nur getan? Wie konnte ich mich gestern Abend so wenig im Griff haben, dass ich mich so von ihm verführen lassen habe? Ich hatte mir doch vorgenommen weder mit ihm noch mit Corey was anzufangen... Das lief ja gut! Gleich die erste Situation, die brenzlig wird, nehme ich mit. Wenigstens hatten wir keinen Sex.

Ich schreie meine Unzufriedenheit ins Kissen und werde von einem lauten Lachen gestört.

Ben steht mit Kaffee und einer Tüte im Türrahmen und schüttelt belustigt den Kopf.

„Alles okay bei dir? Ist das irgendeine Art Therapie oder so?"

Ertappt hebe ich langsam das Kissen an und schaue zu ihm hin. „Ja und Nein. Ich ärgere gerade über mich selber und musst das irgendwie loswerden. Wenn es sich anstaut explodiere ich irgendwann." Starte ich einen kläglichen Versuch mich zu erklären. Doch das macht Ben erst recht Neugierig und er setzt sich neben mich. „Warum genau ärgerst du dich über dich selbst?" Ich kann sofort erkennen, dass er weiß warum.

Schuldbewusst ziehe ich den Kopf ein und suche eine Ausrede. „Ich habe schon wieder zu viel getrunken. Wein tut mir nicht gut und ich bin viel weniger produktiv, wenn ich am Vortag betrunken oder zumindest angetrunken war. Und ich möchte heute noch so viele Fotos machen können. Hast du mal versuch mit einem Kater gute Bilder zu machen?"

Er nimmt mir die Lüge scheinbar ab, schaut mich jedoch weiterhin skeptisch an.

„Dann gibt es heute keinen Alkohol für dich. Und jetzt aus den Federn. Wir müssen in 30 Minuten auschecken und du hast noch nichts gefrühstückt."

Während ich mir die Zähne putze stellt Ben auf der kleinen Veranda ein das Frühstück ab und bringt sein Gepäck schon ins Auto, damit es nachher schneller geht. Ich setze mich schon auf den kleinen Vorbei und beginne die Zimtschnecke zu essen, solange ich auf ihn warte.

Sollte ich nicht doch lieber mit ihm sprechen? Aber was sende ich damit für Signale?

Lange kann ich nicht darüber nachdenken, weil ich im Augenwinkel sehen kann, wie Bens Porsche auf die Straße einbiegt und Richtung Süden braust. Was soll das denn? Lässt er mich hier alleine? Entsetzt springe ich auf und laufe hinaus vor das Hotel, um dort festzustellen, dass es keine Fatamorgana war, die ich da gesehen habe. Er hat mich sitzen lassen.

Sofort greife ich nach meinem Handy und wähle seine Nummer, doch er nimmt nicht ab, sondern drückt mich weg. Immer wieder tippe ich auf seinen Namen und immer wieder lehnt er meinen Anruf ab. Warum tut er das?

Dieses Hotel ist am Ende der Welt. Hier ist weit und breit keine Stadt und die meisten anderen Gäste sind um diese Uhrzeit schon auf dem Weg zum wandern oder abgereist.

Fluchend laufe ich zurück ins Zimmer und überlege fieberhaft, was ich tun soll. Das kann ja wohl nicht sein Ernst sein!!!

Wieder wähle ich seine Nummer und dieses Mal geht sogar direkt die Mailbox an. Also hinterlasse ich eine bitterböse und gleichzeitig verzweifelte Nachricht darauf und hoffe, dass er nochmal zu Besinnung kommt.

Ich kenne in diesem Land nur zwei Personen und einer davon geht nicht an sein beschissenes Handy. Also bleibt mit ja nur eine Wahl. Ich muss Corey anrufen.

Nach dem fünften Klingeln nimmt er endlich ab, aber er klingt alles andere als nüchtern und lallt irgendwas in sein Telefon. Ich kann kein Wort verstehen und versuche ihn zu unterbrechen. „Es ist 10 Uhr in der Früh. Wie kannst du schon so betrunken sein?" werfe ich ihm an den Kopf. Es scheint als würde er jetzt erst bemerken, wer ihn anruft und seine Stimme klingt sofort klarer. „Clara, was willst du? Ich dachte du vergnügst dich mit Ben auf einem Kurztrip?" Ich beginne zu weinen. Zum einen vor Wut, aber auch, weil mir bewusstwird, dass Corey mir in diesem Zustand keine Hilfe sein wird.

„Hey, hey... Was ist los? Wo ist Ben?" fragt er und es hört sich an, als wäre er schlagartig nüchtern. „Ich weiß es nicht... Er hat mich einfach zurückgelassen... Ist einfach gefahren... Ich sitze hier fest... er geht nicht ran..." schluchze ich ins Mikrofon.

„Bitte WAS?" brüllt Corey. „Wo bist du, Clara? Sag mir wo du bist!"

„Ragged Point. Irgendwo am Highway 1. Corey, hier gibt es nichts außer Natur und dieses Hotel. Was soll ich denn jetzt machen?" frage ich, mit den Nerven am Ende.

„Du machst gar nichts... Ich kümmere mich darum! Dieser Mistkerl..."

Danach höre ich nur noch das Tuten, weil er einfach aufgelegt hat.

Völlig entgeistert starre ich auf das Smartphone in meiner Hand. Ist jetzt nicht wahr, oder?

Der hat ja Nerven. Wobei ich schon verstehen kann, dass er nach meiner Abfuhr nicht gut auf mich zu sprechen ist... Nur, dass er mich jetzt so einfach aus der Leitung wirft muss ja auch nicht sein.

„Entschuldigung Miss..." ruft der junge Mann, der an der Rezeption arbeitet, als ich an ihm vorbeigehe. „Ihr Begleiter hat zwar ausgecheckt, aber es fehlt noch eine Schlüsselkarte." „Ja, es tut mir leid. Die habe ich. Ich werde eben noch mein Gepäck aus dem Zimmer holen und dann bringe ich sie Ihnen." Erwidere ich ihm und klinge dabei unfreundlicher, als ich es beabsichtig habe.

Ich will gerade meine Tasche schnappen, als der Klingelton meines Handys aus meiner Hosentasche ertönt. Erleichtert lese ich Coreys Namen und nehme ab. „Also hör zu. Ich selber kann nicht mehr fahren, aber ich komme mit einem Kumpel und wir holen dich ab. Es könnte allerdings ein paar Stunden dauern..."

Erleichtert atme ich aus. „Oh Gott, danke Corey. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Das ist egal... Hauptsache ich komme hier wieder weg."

„Wir fahren gleich los. Kannst du mir noch deinen genauen Standort schicken?"

„Ja natürlich. Ich werde, bis ihr hier ankommt, noch eine Runde mit der Kamera los gehen. Bis später!"

Ich bringe mein Gepäck zur Rezeption und lasse es dort einlagern, bis ich abgeholt werde. Dann schnappe ich mir meine Tasche mit der Kamera und mache mich auf den Weg durch die Hügel. Bei Google habe ich mir eine Strecke herausgesucht und möchte zum Black Swift Wasserfall. Der Weg dort hinunter ist steil und mit vielen Treppen, aber wunderschön. Ich muss immer wieder aufpassen, dass ich nicht stürze oder anderen Wanderern im Weg bin, weil ich mal wieder fest mit meiner Kamera verwachsen bin.

Die Aussicht ist fantastisch und ich vergesse fast, welchem Umstand ich die Tour die Klippen hinunter zu verdanken habe.

Als ich mich dann zwei Stunden später am Young Creek Beach meinen Rückweg starte habe ich schon ganz schön Farbe bekommen und ich ärgere mich darüber keine Sonnencreme, dass ich keine Sonnencreme verwendet habe. Wenn ich nicht schnell in den Schatten komme, kann das ziemlich schmerzhaft werden, aber der Aufstieg zieht sich direkt am Hang der Klippe nach oben und es gibt kaum Bäume, die mich schützen könnten.

Zum Glück hat das Restaurant oben noch einen Platz unter einem Sonnenschirm für mich. Und ich brauche dringend Wasser, weil ich das im Eifer des Gefechts auch vergessen habe.

Jetzt muss ich nur noch warten, dass Corey endlich hier eintrifft und mich einsammelt. Aber was ist danach? Ich will nicht wieder zu Ben... Mir wird nur leider eine Konfrontation nicht erspart bleiben, weil die Hälfte meiner Sachen noch in seinem Domizil ist.

Als dann endlich ein schwarzer SUV auf den Parkplatz fährt und Corey aussteigt bin ich so erleichtert, dass ich in Tränen ausbreche. Sofort eilt er auf mich zu und schließt mich in seine Arme. Die Umarmung ist einnehmend und ich fühle mich gleich so viel besser. Ich halte mich an ihm fest, als würde ich ertrinken und sein Griff wird noch ein wenig fester. Meine Gefühle spielen verrückt. Erleichterung, ist nur eine der Empfindungen, die aus mir herausbricht.

„Danke, dass du da bist!" schniefe ich an seiner Brust.

„Immer!" kommt es wispernd von ihm zurück.


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