28. Kapitel

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Mein Vater stand mit zwei seiner Bodyguards in der Tür.

Tränen traten in meinen Augen, während mein Herz immer schneller schlug. Sein Gesicht war rot vor Wut angelaufen, seine Hand zur Faust geballt. Hinter ihm seine Männer, die die Tür versperrten.

Das durfte nicht real sein, es konnte nicht real sein. Die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst.

Damiano löste sich blitzschnell von mir, packte meinen Vater und drückte ihm eine Pistole an den Hals, noch bevor die Bodyguards überhaupt reagieren konnten.

Ich sah, wie mein Vater versuchte, sich aus Damianos Griff zu winden, doch dieser hielt ihn ungehindert fest, sein Finger lag auf dem Abzug der Pistole.
Aber auf dem Gesicht meines Vaters lag nur Wut. Doch Damiano beachtete ihn nicht, sein Gesichtsausdruck war eiskalt, während der die Pistole noch stärker in die Haut meines Vaters drückte.

»Traditore ...«, Verräter, zischte mein Vater mit hochrotem Kopf.

Doch Damiano drückte nur noch stärker die Pistole an seinen Hals, sodass mein Vater abgehackt atmete.

»Noch ein Wort und sie sind tot! Die Waffen auf den Boden, wird's bald!«, befahl Damiano und zog meinen Vater weiter von den Bodyguards weg, die ihre Waffen nach einem Zögern auch auf den Boden legten.

In ihren Gesichtern stand der Schock geschrieben, als sie die Pistolen auf den Boden legten.

Mein ganzer Körper zitterte, während ich den Blick von meinem Vater abwandte, der mich die ganze Zeit anstarrte. Ich hielt seinen Blick nicht aus, denn er war eiskalt, als würde er mich nicht kennen. Voller Verachtung.

»Wenn sich auch nur eine Person bewegt, ist er tot«, drohte Damiano unverhohlen mit einer ruhigen, eiskalten Stimme, ich glaubte ihm sofort, dass er meinen Vater ohne zu zögern umbringen würde. Er war ein Killer der Paura, zu allem fähig.

Der Gedanke ließ Schuldgefühle in mir aufsteigen, denn trotz allem war er mein Vater, der Mann, der mich als kleines Kind auf den Arm genommen hatte, auch wenn er sich in den letzten Jahren verändert hatte. Und ich nicht mehr das kleine Mädchen war, auch wenn ein Teil in mir es immer nur noch war.

»Sie lassen mich ohne Konsequenzen gehen, sonst ist er tot, verstanden!«, erklärte Damiano und bewegte sich mit meinem Vater in Richtung eines der Fenster, welches er mit der freien Hand öffnete, ohne die Pistole vom Hals meines Vaters zu nehmen. Ein kalter Wind wehte durch den Raum, ließ mich zusammen zucken. Die Bodyguards bewegten sich um keinen Zentimeter, sondern standen nur an der Tür, mit den Waffen am Boden, ein paar Meter von ihnen entfernt.

Das Gesicht meines Vaters verzog sich vor Schmerz, als Damiano ihn dazu zwang, einen Arm auf den Rücken zu drehen. Beschämt wandte ich meinen Blick ab.

Verdammt, ich war schuld daran, nur ich. Meine Unachtsamkeit und mein Verstoß gegen die wichtigste Regel.
Loyalität, immer, unter jeden Umständen.
Damiano lehnte sich noch näher an das geöffnete Fenster, draußen, hinter ihm,  ging die Sonne bereits langsam unter.

»Komm mit mir, Ella«, bat er mich flehend, sah mich dabei direkt an. In seinen Augen stand der flehende, verzweifelte Ausdruck. Der Ausdruck, von dem ich mich fast nicht losreißen konnte, es aber dennoch tun musste.

Mein Vater starrte mich entgeistert mit offenem Mund an. Die eiserne Faust um mein Herz zog sie sich zusammen.

Wenn ich jetzt mit Damiano ging, würde ich nie wieder zurück zu meiner Familie gehen können, ich wäre für ewig als Verräterin auf der Flucht. Ein Kloß stieg in meinem Hals auf, denn Damiano würde sein Leben auch verlieren, seine Familie. Wir beide wären Gejagte der Mafia.
Monster verfolgen jeden, der rennt.

Ich sah vom Boden auf, zu Damiano.
Er verschlang mich, ließ in mir den Wunsch aufkommen nach mehr, nach etwas, das mir nicht zu stand.
Sein Blick flehte mich beinahe an, mit ihm zu gehen, das Risiko in Kauf zu nehmen, doch ich konnte es nicht. Er durfte sein Leben nicht meinetwegen ruinieren, denn sobald ich ging, wären wir hier in Italien nicht mehr sicher, es gab keine Zukunft für uns beide.

Obwohl es still in dem Raum war, konnte ich die Spannung fast schon körperlich spüren.

»Du musst leben«, antworte ich unter von Tränen erstickter Stimme, mein Herz brach in dem Moment in tausende kleine Scherben.

Damiano starrte mich entsetzt an, doch er sagte nichts mehr. Stattdessen verpasste er meinem Vater einen Tritt, sodass dieser stöhnend zu Boden fiel, bevor Damiano mich ansah. Er hob die Hand und ich konnte nicht anders, als mit meinen Fingerspitzen seine zu berühren.
Sie fühlten sich so vertraut an, diese Wärme und Rauheit seiner Haut.
Unsere Blicke trafen sich und sagten mehr als es tausende Wörter jemals gekonnt hätten.

Aber ich ließ meine Hand sinken, setzte der Berührung ein Ende. Damiano schloss seine Augen und öffnete sie wieder, um mich ein letztes Mal anzusehen, bevor er sich umdrehte und aus dem Fenster sprang. Trotzdem hielt ich die Luft an, obwohl ich wusste, es war nur der erste Stock.

In diesem Moment brachen meine Beine unter mir vollständig zusammen. Schluchzend sah ich auf den Ring in meiner Hand, hinunter, der Ring mit den zwei Händen, die zusammen einen Rubin festhielten. So schnell ich konnte, versteckte ich ihn in einer der eingenähten Taschen in meinem Kleid. Mein Vater erhob sich mithilfe der Bodyguards vom Boden, dabei konnte ich an seinem Hals eine rote Stelle sehen, den Abdruck von Damianos Waffe.

Ich zitterte, bekam das Gefühl der Angst nicht mehr unter Kontrolle, denn die Angst war zu real. Und sie würde mich vernichten.
Denn ich wusste, was mit Verrätern passierte.

Genau in diesem Moment stürmten weitere bewaffnete Männer den Raum und packten mich an meinen Armen, zogen mich grob hoch.
Mein Vater stand mit dem Rücken zu mir und deutete mit seiner Hand den Männern, mich wegzuschaffen.
Er sah mich nicht an, stattdessen griff er nach seinem Handy, in das er Befehle hinein schrie. Aber ich verstand kein einziges Wort, es war als würde die Welt um mich herum untergehen.

Tränen flossen über mein Gesicht, als ich meine Augen schloss.  
So unglaublich weit weg.

~1006

Oh nein

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Oh nein...mein Herz ist beim Schreiben einfach auch gebrochen 💔
Was denkt ihr wird mit Ella passieren?
Hätte sie einfach mit gehen sollen ?

„Perché ti sento Lontana da me"

~ Le parole lontane von Måneskin

PS: Lontano = fern, weit, entfernt

Lontano. Bis wir uns wiedersehen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt