50. Kapitel

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»Ist das hier Teil eines Deals mit der Staatsanwaltschaft?«, fragte Luca und riss mich damit vollständig aus meinen Gedanken.

»Ja, ich gebe ihnen Informationen, im Gegenzug komme ich später in ein Zeugenschutzprogramm. Das ist die einzige Option, die ich habe«, erklärte ich sachlich. Ich erwähnte gar nicht erst Vater, der mich lebendig begraben würde. Bella musste ihm bestimmt davon erzählt haben.

Luca zog aus seiner Tasche ein Notizblock hervor. Einen Moment zögerte er mit dem Notizbuch in seiner Hand, bevor er es auf den Tisch vor mich fallen ließ. Der Einband des Buches bestand aus schlichtem schwarzen Leber, fast schon zu schlicht, zu unscheinbar, im Gegensatz zu den Zetteln, die an den Rändern abstanden. Nichts wies daraufhin, warum Luca es mir zeigen sollte.

»Du kannst es öffnen.«

Neugierig nahm ich das Notizbuch in meine Hand. Der weiche Einband um schmiegte meine Finger. Ich schlug das Notizbuch in der Mitte auf. Ein Bild von mir, auf dem Guilio mich gegen eine Wand drängte. Schauer durchliefen meinen Körper, bei der Erinnerung, die in mir hochstieg. Neben dem Foto stand, das Datum sowie Guilios Name und mein eigener. Ich schlug die Seite um. Auf der nächsten Seite klebten Fotos von einem Casino, von Geldscheinen in Plastiksäcken und von gestapelten Waffen. Daneben stand die Adresse sowie die Koordinaten und mehrere Namen, die ich nicht kannte.
Dieses Buch hatte das Potenzial einer ganzen Organisation mehr als nur etwas zu schaden.

»Und damit läufst du einfach so herum?«, fragte ich ihn, fast schon schockiert. Dafür hätte mein Vater ihn bis ans Ende der Welt verfolgen lassen. Das mussten hunderte Seiten von Informationen sein, die zu vielen Menschen zu schnell gefährlich werden konnten.

Trotzdem verzogen sich Lucas Lippen zu einem breiten Grinsen.

»Carabiniere, schon vergessen?«

Als ob sich jemand wie mein Vater vor einem Carabiniere fürchtete, dass ich nicht lachte. Er hätte Luca auf offener Straße erschießen können, ohne jegliche Konsequenzen. Gesetze waren hier machtlos, nichts weiter als eine Regel, an die sich niemand halten musste. Sobald man ein gewisses Maß an Macht und Geld hatte, war es vorbei mit dem Halten an Gesetzen.

»Liberta, schon vergessen?«, gab ich zurück.

»Staatsanwaltschaft, bestes Hochsicherheitsgefängnis in ganz Sizilien, schon vergessen«, ahnte er meinen Tonfall nach.

Ich verschränkte meine Arme vor meinem Oberkörper und verzog meine Lippen zu einem Schmollmund, um Luca nicht direkt nachgeben zu müssen.  Trotzdem wäre ich an seiner Stelle vorsichtiger gewesen. Er konnte nicht wissen, ob mein Vater ihn nicht schon längst im Visier hatte.

»Ich trage es normalerweise nicht einfach so mit mir herum, also mach dir keine Gedanken. Bella hat mit mir zusammen diese ganzen Informationen, über Monate hinweg, gesammelt. Sie wollte eurem Vater, damit zur Rechenschaft ziehen, für das, was er euch angetan hat«, berichtete Luca ernst.

Wie hatte ich nie etwas davon mitbekommen können?

»Wirst du sie der Polizei aushändigen?«

Luca schüttelte kurz den Kopf, bevor er das Buch zu mir, über den Tisch, schob.

»Bella hätte gewollt, dass die Staatsanwaltschaft die Papiere bekommt. Aber sie hätte auch gewollt, dass du als ihre Schwester diese Papiere bekommst und überreichst.«

Tränen der Rührung traten in meine Augen, als ich zögernd mit der Hand eine Seite im Buch aufschlug. Geringelte Buchstaben sprangen mir sofort ins Auge, Buchstaben, die nur von Bellas Hand stammen konnten. Hätte ich an ihrer Stelle sterben können, hätte ich es getan, ohne zu zögern. Jedes verdammte Mal.
Schweigend wischte ich die Tränen aus meinem Augenwinkel, mit meinem durchnässten Ärmel.

Lontano. Bis wir uns wiedersehen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt