34. Kapitel

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Das Gerede der Gäste verstummte augenblicklich, als ich einen Fuß vor den anderen setzte. Die Absätze meiner High Heels waren bei jedem meiner Schritte klar und deutlich zu hören. Mit zitternden Beinen heftete ich meinen Blick auf den Boden, schritt langsam weiter, zwischen den Bänken entlang auf den weißen Altar mit hunderten Rosen zu. Aus dem Augenwinkel sah ich die Gäste, die gebannt beobachteten.

Der Strauß in meiner Hand zitterte mit jeder Sekunde immer stärker, mit jedem Schritt, der mich näher an Giulio brachte, an mein Ende.

Ich fragte mich immer noch, wie diese Hochzeit in nicht einmal zwei Wochen zustande gekommen war, denn normalerweise dauerte so etwas Ewigkeiten in unserer Familie. Aber ich wusste genau warum, so war es sicherer für meinen Vater, nicht die Kontrolle über mich zu verlieren.

In der ersten Reihe sah ich den Kopf meines Vaters, neben dem Hut meiner Mutter.  Es versetze mir einen Stich sie zu sehen, wie sie mich anlächelten. Das Lächeln meines Vaters war triumphierend, um mir zu zeigen, dass er gewonnen hatte.

Ich war es nicht wert, von ihm begleitet zu werden, das wusste ich genau. Denn er hätte niemals einfach so mit dieser Tradition gebrochen. Der Kloß in meinem Hals schien mich zu ersticken, da mir jeder einzelne Atemzug immer schwerer fiel, als würde mir die Luft zum Atmen genommen werden.

Ohne meinen Kopf zu heben, lief ich weiter, bis ich die Treppenstufen erreichte. Ich sah Giulio in dem schwarzen Anzug da stehen, mit dem Rücken zu mir. Eine unglaubliche Erleichterung erfasste mich, seinen Blick nicht jetzt schon ertragen zu müssen.

In dem Moment erfasste mich wieder die Panik, mein ganzer Körper wollte nur noch weg. Weg von diesem Leben, in dem ich nichts weiter als eine Schachfigur war, die jeder so setzen konnte, wie er wollte. Aber ich konnte das nicht, da ich nicht die Wahl hatte. Selbst wenn ich die Wahl hätte, es war zwecklos vor meinem Vater zu fliehen.
In Realität hatte ich nie eine Wahl gehabt.

Mit rasendem Herzen ging ich die Treppenstufen hinauf, bis ich neben Giulio stand, zwischen uns war allerdings mehr als eine Armlänge Abstand. Ich spürte, wie mein Schleier von den Brautjungfern zu Boden gelegt wurde, bevor mir eine von ihnen den Blumenstrauß aus der Hand nahm, während der Musiker zu spielen begannen. Ich erkannte es sofort wieder, die sanften Tönen, die lauter wurden. Früher hatte Vero dieses Stück gespielt, um mich zum Schlafen zu bringen.
Lebhaft erinnerte ich mich daran, wie ich ihn überreden wollte, es mir beizubringen. Aber er hörte mit einem Mal auf zu spielen und seitdem benutzte niemand das Klavier.

Die Klänge des Klaviers sorgten für Gänsehaut auf meinen Armen. Es war zu real, die Angst und Panik, vor dem, was Folgen würde. Die Melodie des Stückes, schien unendlich schön zu sein und gleichzeitig unfassbar traurig und sie hatte so viele Erinnerungen.
Mein Blick blieb auf den weißen Altar gerichtet, vor dem ein älterer Priester stand. Meine Hände verkrampften sich in dem Stoff des Kleides.

Als die Melodie leiser wurde, begann der Priester mit sanfter Stimme zu sprechen, doch ich nahm seine Worte nicht einmal wahr.

Wie in Trace stand ich da, sah mein Leben vor meinen inneren Augen vorbeiziehen, ohne etwas dagegen tun zu können.
Der Druck von außen ließ mich ersticken, als hätte ich keine Luft mehr zu atmen.

Giulio würde mich nicht brechen können, trotzdem ich würde das nicht überleben, weil ich nicht stark genug dafür war, überleben zu wollen. Das schwarze Loch in meinem Leben würde mich mit jeder weiteren Sekunde immer mehr verschlucken, denn ich war bereits zu tief drinnen.

Es gab keinen Ausweg mehr für mich, egal wie sehr ich es nicht wahrhaben wollte, wusste ich, es war die Wahrheit.

Manchmal konnten wir nichts gegen das Schicksal tun, egal wie sehr wir es versuchten.

Eine Träne lief unter meinem Schleier über mein Gesicht.
Aber ich versuchte, sie gar nicht erst zurückzuhalten, denn von jetzt an war es egal, was ich tat, ich würde der Hölle nicht mehr entgehen können.

»Willst du Giulio Mancini, Ella De Parisi als deine Frau nehmen, vor Gott und der ganzen Welt? Sie lieben, ehren und beschützen, bis dass der Tod euch scheidet?«, fragte der Pfarrer, mit ernster Stimme. In dem Moment konnte ich nur meinen eigenen Herzschlag hören, in der angespannten Stille.

»Ja, ich will Ella zu meiner Frau nehmen, sie immer beschützen vor jeder Gefahr, bis zum Tod«, versprach Giulio mit fester Stimme, dabei erfasste meinen Körper ein Schauer.

Beschützen, meine Fingernägel gruben sich vor Wut noch stärker in meine Haut, denn ich wusste genau, dass er mich niemals beschützen würde. Er war das Monster, das mich verletzen würde.

»Willst du Ella de Parisi, Giulio Mancini als deinen Ehemann nehmen? Ihn lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?«, fragte der Pfarrer mich. Ich konnte alle Blicke auf mir spüren, wie die Spannung in der Luft stieg mit jeder weiteren Sekunde, die ich zögerte.

Ich krampfte meine Hände umeinander und schlug meine Augen nieder, als ich antwortete: »Ja, ich will Giulio zu meinem Ehemann nehmen ... bis zum Tod.«

Damit besiegelte ich mein Schicksal.

Ich sah durch den Schleier, wie Giulio sich zu mir umdrehte, als die Trauzeugen mit den Ringen neben uns traten. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, während ich meinen Blick auf den Boden heftete, um Giulio nicht sehen zu müssen.

Giulios Hände berührten meinen Schleier, verharrte bei über meiner Brust, bevor er den Schleier mit einer schnellen Bewegung zurück über meinen Kopf legte.

Ohne den Schutz des Schleiers fühlte ich mich schutzlos ausgeliefert, Giulio und den Blicken der Gäste.

Giulio nahm einen der Ringe von dem Kissen, griff nach meiner Hand, dabei bohrten sich seine Finger so fest in meine Haut, dass der Schmerz mich zusammen zucken ließ.

In seinen Augen stand nur reines Verlangen, mich unter seiner Kontrolle zu haben.

»Hiermit nehme ich dich zu meiner Frau Ella de Parisi, vor Gott und der Welt«, verkündete Giulio, dabei schob er den Ring über meinen Finger. Wie in Trance nahm ich das kühle Metall wahr, wie er es über meinen Finger schob.

Das durfte nicht real sein und doch war es real.

Die Frau zu meiner Seite reichte mir das weiße Kissen mit dem schlichten goldenen Ring. Langsam nahm ich ihn, spürte die Kälte des Rings in meiner Hand und wandte mich wieder Giulio zu. Einen Moment zögerte ich, ehe ich mich dazu zwang, meine Hand nach seiner auszustrecken. Wie in Trance stand ich da, starrte in seine eiskalten grauen Augen.

»Ella, du gehörst mir«, zischte Giulio, als er mein Zögern bemerkte.

Zitternd berührte ich seine kühle Hand, zuckte dabei zusammen. Ich hielt es nicht mehr aus, die Angst und Panik, die ich bei seiner Berührung unmöglich unterdrücken konnte.

»Hiermit nehme ich Giulio Mancini zu meinem Ehemann«, flüsterte ich fast tonlos, dabei schob ich den Ring über seinen Finger. Nur im Hintergrund hörte ich das Jubeln der Gäste. 

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Was denkt ihr wie es weiter gehen wird?Mit Giulio und Ella?

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Mit Giulio und Ella?

Giorni dispari von Ludovico Einaudi

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Lontano. Bis wir uns wiedersehen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt