Kaum hatte ich die Tür hinter mir zugeschlagen, schlich sich in mir das schlechte Gewissen ein. Das was ich Francis an den Kopf warf, hatte sie nicht verdient. Nichts von alldem. Weder meine Worte, noch das ich ihre Einsamkeit ausnutzte, um die Leere in mir auszufüllen, welche mich jetzt mit voller Wucht traf. Die Stimme der Vernunft verlangte von mir, dass ich mich unverzüglich entschuldigte, doch fand ich nicht die Überwindung, erneut die Klinke hinunterzudrücken. Stattdessen lief ich rastlos im Zimmer auf und ab. Gefangen in meinen tristen Gedanken. Der Kopf dröhnte noch vom Alkohol, der mich gestern erst in die jetzige Situation brachte. Vor dem Bett blieb ich abrupt stehen und setzte mich, mit dem Bein zappelnd, da mein Körper unter Strom stand. Hier, in dem Zimmer, hatten Shay und ich zum ersten Mal in diesem Leben in ein und demselben Bett geschlafen. Am selben Tag tötete ich eine meiner besten Freundinnen, die sich, wie es sich rausstellte, böse war, und Elli wurde eine Vampirin. Es war eine verrückte Aufeinanderfolge von Ereignissen, in der ich kaum Zeit zum Atmen hatte. Die Monate waren geprägt von Leid und Verlusten, doch die Liebe zu Shay gab mir die Kraft, welche heute fehlte. Ich war müde vom Schmerz in meiner Brust und sehnte mich nach den aufbauenden Worten meiner verschwundenen Freundin. Heute Nacht war ihr Gedenktag und ich hinterging unsere Liebe zueinander, indem ich mit Francis schlief. Mit diesem Gedanken ließ ich mich zur Seite fallen und presste mein Gesicht ins Kissen, um stumm hinein zuschreien. Aus meinen Augenwinkel rannen die einzigen Zeugen eines weiteren Gefühlsausbruches und ich schämte mich für meine emotionale Schwäche.
Ich verweilte Stunden in dem Zimmer, ohne den Antrieb zu finden, eigenständig aufzustehen, bis ich Stimmen vernahm. Susanoo war eingetroffen und wenn ich die anderen beiden Stimmchen richtig deutete, hatten es Lizzy und George auch hierher geschafft. Schlaff erhob ich mich und schlürfte durch den Flur, bis hin zur Küche, wo ich Francis verletzten Blick ignorierte und ein Lächeln aufsetzte, welches meine Augen nicht erreichte.
»Schön das ihr es geschafft habt«, begrüßte ich unsere Freunde und blieb an George hängen, der hörte, was in meinem Inneren vorging. Ich hatte aufgehört, mich dafür zu schämen, dass er meine Gedanken lesen konnte, und nahm es hin. Ändern vermochte ich es ohnehin nicht. George hatte sich verändert. Er war längst nicht mehr der zurückhaltende Nerd. Im Gegenteil, vor mir stand ein Schrank von einem Mann. Muskulöser als Bruce und mit einem langen dunklen Vollbart. Unzählige Tätowierungen zierten seinen Körper und reichten von seiner Rückhand bis hin zu seinem Hals.
»Hey, Yas.« Nach diesen Worten sprang er auf mich zu und zog mich in einer dermaßen festen Umarmung, dass ich glaubte, mein Schulterblatt knacken zu hören.
Lizzy hingegen hatte sich überhaupt nicht verändert und sah genauso aus, wie einst vor fünf Jahren. Die ewige Last einer Unsterblichen. Anstatt einer Umarmung winkte sie mir von dem Fleck, an dem sie stand zu und machte keine Anstalten auf mich zuzugehen.
Immer noch ganz die Alte, ging mir durch den Kopf und ein aufrichtig gemeintes Schmunzeln breitete sich auf meine Lippen aus.
»Wann geht's los?«, mischte sich Susanoo in die Begrüßungsrunde ein und zwirbelte anerkennend an Georges Bart, ohne den Blick von mir abzuwenden. Dieser verwandelte seine Hand in eine pelzige Pfote mit Klauen und riss eine Augenbraue nach oben. Sein Blick sagte so viel, wie: Fass mich nochmal an und du bist fällig.
»In zwei Stunden machen wir uns auf dem Weg«, schlug ich vor, doch Susanoo war immer noch darauf fixiert George zu necken und ließ eine kleine Sturmböe, durch seine frisch frisierten Haare wandern, was mich zum Lachen brachte. Lizzy hingegen verdrehte bloß die Augen und in diesem kleinen Moment bemerkte ich, wie sehr mir die Hateful and Loveable Creatures fehlten.
DU LIEST GERADE
Hateful and Loveable Creatures 2- Die Zeitstadt (girlxgirl)
ParanormalIn was zum Henker war ich da nur hineingestolpert? Da traf man auf einen Seelendieb, der einem zum Abendessen vernaschen wollte und halt Stopp, die Geschichte kennt ihr ja bereits. Diese hier ist eine andere. Seit dem großen Kampf sind nun bereits e...