Kapitel 29 Selbsthass

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Kräftige Arme schliffen mich und Susanoo über den steinernen Boden und rissen meine, durch den fehlenden Schuppen, übergroße Kleidung auf. Es scherte mich nicht, denn in meinem Kopf hämmerte Sachranaytus Stimme, welche leise zu mir sprach.

»Ich hätte es ahnen müssen«, machte diese sich Vorwürfe und ich schloss qualvoll die Augen.

»Es ist nicht deine Schuld«, wisperte ich ihr zu.

»Schnauze!«, donnerte die Stimme über mir und ich zuckte zusammen. Mit zusammengepressten Lippen ließ ich mich kraftlos hinterherziehen. Es sah ganz so aus, als würden wir hier in dieser Welt unser Ende finden, durch die Personen, mit welchen wir zuvor zusammen den Weg beschritten. Kyrins aschfahles Gesicht von gerade eben sagte mir, dass sie keine Ahnung davon hatte, dass ihr Meister der Schwarzmagier war, von dem ich ihr, in der ersten Nacht erzählte. Sie wusste nicht, dass wir verfeindet waren, weder sie noch Robin wussten das und doch war ich unsagbar wütend auf die beiden. All die Gefühle, die ich für Kyrin begann zu empfinden, schwanden und zurück blieb der Hass, in dessen Armen ich mich fallen ließ. Er umhüllte mein stechendes Herz und war der Freund, den ich brauchte, um nicht in Tränen auszubrechen. Er war der dunkle Gefährte, der mir half weiter zu atmen.

Wut ein.

Wut aus.

Eine monströs große Tür wurde geöffnet und Susanoo und ich wurden hochgezogen, um an Metallketten, an den Wänden, mit den Händen über unseren Köpfen, befestigt zu werden.

»Jetzt ist eure Gruppe ja wieder zusammen«, raunte der muskelbepackte Mann, welcher Susanoo hinter sich hergezogen hatte fies und verließ mit seinen Kumpanen das Verlies.

»Hey, schön euch wiederzusehen«, warf Susanoo zappelnd zu unseren Freund*innen und zog an seine Fesseln.

Ich blieb stumm und versuchte meine Augen an die Dunkelheit, welche nur von einer einzigen Fackel gedämmt wurde, zu gewöhnen. Dunkle, glänzende Gesteinsstücke wurden in den Kerker eingebaut.

»Was führt euch in dieses luxuriöse Objekt?« Bruce richtete sich auf. Die Handfesseln schienen lang genug zu sein, um sich auf den Boden zu setzen, darum ließ ich mich auf den kalten Steinen hinabsinken und vergrub meinen Kopf in den Schoß.

»Kurze Geschichte: Nachdem ihr mich vergessen habt, bin ich durch den Wald geirrt, hab eine Barbesitzerin kennengelernt, bin in derer Bar versackt und hab Yasmin wiedergetroffen. Sie war in der Begleitung von zwei Anhängern des Schwarzmagier Tuhjan, was wir aber nicht wussten, und uns blind hier her führen lassen haben. Zwischendurch hab ich ihren leiblichen Vater verprügelt, der wohlbemerkt ein Arschloch ist und Yasmin hat mit unserer jetzigen Feindin geschlafen«, fasste Susanoo die letzten Tage zusammen.

»Irgendwie kommt mir das mit dem: Yasmin hat mit unserer Feindin geschlafen bekannt vor, ich glaube, ich habe ein Deja-vu«, stöhnte Lizzy auf und meine Gedanken wanderten zu Denise.

»Ich hatte nicht mit Denise geschlafen!?«, meldete ich mich nun doch zu Wort und Lizzys Gestalt ließ mich prompt verstummen. Sie und Elli waren leichenblass und völlig blutleer. Sie mussten seit Tagen kein Lebenssaft mehr zu sich genommen haben. Wahrscheinlich sogar schon seit unserer Ankunft hier.

Elli hing schwach an ihren Fesseln und war mehr ohnmächtig als bei vollen Bewusstsein. Ihre Augenlider fielen immer wieder von selbst zu und ihre kurze, flache Atmung machte mir Angst.

»Was ist mit euch geschehen?« Ich riss den Blick los und versuchte, erfolglos den Kloß im Hals hinunterzuschlucken.

»Kurz nachdem Liora zurückkehrte, um uns mitzuteilen, dass du vergiftet wurdest, haben wir uns auf die Suche nach dir begeben. Dabei verliefen wir uns im Wald und übernachteten dort. Am darauffolgenden Tag wollten wir die Suche fortsetzen«, erklärte Esmee, doch wurde von Susanoos empörten: »Und dabei habt ihr mich vergessen!«, unterbrochen. Sie ignorierte ihn gekonnt und fuhr fort: »Als wir einige Kilometer hinter uns gebracht hatten, stießen wir auf eine Gruppe, mit diesen komischen grauen Hemden zusammen. Es kam zum Kampf und Milan wurde dabei schwer verletzt.« Jetzt wo sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten, fiel mir auf, dass er fehlte.

»Ich glaube nicht, das er es geschafft hat, Yasmin. Einer dieser Sekte hat ihn einen Arm abgetrennt, ohne Hilfe wird er längst verblutet sein. «

Nein.

Das dufte nicht wahr sein! Milan, sollte tot sein? Dazu kam, dass der Seelenfresser noch irgendwo da draußen umherlief, und Gott weiß wen anfallen könnte! Hoffnungslosigkeit entflammte in meiner Brust und breitete sich weiter auf mein Gemüt aus. Ich erinnerte mich an die Momente mit ihm als Sitznachbarn, in der Schulzeit und starrte ins Nichts. Gefangen in Flashbacks aus der Vergangenheit, wo wir uns anfreundeten und ich ihn damals stets auf Abstand hielt, um ihn nicht hier mit reinzuziehen. Doch das Schicksal hatte andere Pläne mit ihm. Mit uns allen und allmählich fragte ich mich, ob die Person, welche die Schicksalsfäden in den Händen hielt, sich einen Spaß mit uns erlaubte.

Ein Lachen zerriss die Stille im Verlies und alle Köpfe drehten sich zu Lizzy.

»Ich bin 1005 Jahre alt und sterbe hier mit euch, weil wir verhungern werden.«

»Sei still, ich will das nicht hören!«, fuhr Francis sie an und biss sich auf die trockenen Lippen.

»Du hast gut Reden. Du wirst wiedergeboren, aber was ist mit Elli, George, Esmee und Liora? Wir, die kein beschissenes Götterblut in uns tragen werden einfach verrecken. Ende. Das war's und das mal wieder alles nur wegen Yasmin!«

Betretene Gesichter starrten ins Nichts.

»Kommt schon, wir haben Zeynel und Shays Körper vergraben, damit sie einen Ort zum Trauern hat. Niemand wäre in die Zwischenwelt gegangen, wenn wir sie nicht unterstützt hätten! Mein Gott Shay und Zeynel sind tot, das ist scheiße, aber die Chancen standen damals wesentlich übeler für uns alle. Und wenn Yasmin stirbt, kann sie Shay erneut suchen, jedes verdammte Mal! Ich habe jegliche Menschen verloren, die ich je geliebt habe. Also sag mir nicht das ich still sein soll!« Kraftlos zog Lizzy an ihren Ketten und fiel dann keuchend zu Boden. Ihre Schreie hatten ihr die letzte Kraft geraubt und ich gab ihr den Moment der Verzweiflung, weil ich der Meinung war, dass es nichts brachte, wenn wir uns gegenseitig fertigmachten.

»Das ist nicht wahr«, erklang Ellis brüchige Stimme. Sie verteidigte mich, doch ich driftete immer weiter ab.

In mir keimten die Schuldgefühle von früher wieder auf und trugen Früchte. Ich wirkte von Außen wie erstarrt, doch in mir wütete ein Sturm, der den Damm, den ich über meine damaligen Fehltritte legte, zerbrach.

»Verfluchte Scheiße, ich weiß, dass ihr ohne mich besser dran wärt! Diego hätte Francis und Bruce Eltern nicht ermordet, Elli wäre noch ein Mensch, Klara würde leben und ihr wärt Tuhjan niemals begegnet! Und jetzt werde ich die Schuld an eurer aller Tod tragen!«, brach haltlos aus mir raus, während ich schluchzend mit meinem Ellenbogen immer wieder selbst auf den Kopf schlug.

»Wir sind wegen Milans Seelenfresser hier«, korrigierte Bruce mich, doch in mir brach all mein Selbsthass heraus und hinterließ eine Schneise der Verwüstung. 

Hateful and Loveable Creatures 2- Die Zeitstadt (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt