Kapitel 18 Wanderung

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»Wie du hast ihr mal eben die Fesseln abgenommen!?«, donnerte Robin lautstark und weckte mich somit. Er und Kyrin lagen in einem hitzigen Gespräch, das sich um meine Wenigkeit zu drehen schien.

»Sie und ihre Freunde sind in diese Welt hineingestolpert, Yasmin ist keine Bedrohung für uns. Wir haben Waffen, die mühelos durch ihre Schuppen dringen und allem Anschein nach ist sie nicht davongeflogen, also beruhig dich!«, konterte Kyrin haltlos, wobei sie wild gestikulierte.

»Du hast dich ja prächtig mit ihr unterhalten, wenn du bereits ihren Namen kennst! Was, wenn sie ein Köder ist und ihre Freunde uns auflauern? Du darfst nicht immer so vertrauensvoll sein, was Fremde betrifft.« Misstrauen lag in Robins Stimme sowie Sorge um seine Begleiterin. Ich nahm ihm die Ablehnung mir gegenüber nicht übel. Nicht alle Tage stolperte jemand in eine andere Welt. Ich war fremd und er misstrauisch, das war verständlich. »Ich möchte euch nichts antun. Meine Freunde und ich wollen nur wieder nach Hause.« Im darauffolgenden Augenblick krochen die Gedanken von der Nacht in mein Bewusstsein und ich sprang auf. Robin huschte überängstlich zurück, bevor er die Hacken in den Boden stemmte und sich besann.

»Kennt ihr zwei Shapeshifter, die sich in Wölfe verwandeln und von einem Schwarzmagier entführt wurden?«, platze ungehalten aus mir heraus und ein Schatten huschte über Robins Gesicht.

»Was erzählst du für einen Unsinn? Das hier ist Trazei nicht irgendeine Märchenwelt mit Zauberer und Trolle.« Er stieß mich unsanft von ihm fort, doch meine neu aufgeflammte Hoffnung, ließ sich nicht im Keim ersticken, dennoch runzelte ich die Stirn.

»Ich denke, das ist die Zeitstadt«, murmelte ich verwirrt. Daraufhin trat Kyrin an mich heran und stieß den jungen Mann mit dem Ellenbogen in die Rippe.

»Diese Welt heißt in Wirklichkeit Trazei. Die Zeit und Traumstadt gehören gleichermaßen zu ihr, doch das dürfen wir hier nicht sagen. Die beiden Städte sind verfeindet und nur das Abkommen, welches besagt, dass niemand die jeweils andere Stadt betreten darf verhindert einen Krieg«, erklärte die Frau mit heiserer Stimme, als würde sie mich in ein Geheimnis einweihen.

»Darum sagen wir lediglich, dass wir aus der Zeitstadt kommen und damit Punkt«, schob Robin hinterher. Meine Neugier war geweckt. Ich hatte so viele Fragen zu dieser Welt. Wie groß war sie? Wo begann und wo endete sie? Wie waren die Bewohner, gab es Gemeinsamkeiten zu unserer Welt?

»Warum sind die Städte verfeindet?«, stelle ich auch schon die nächste Frage, was Robin genervt ausatmen ließ. Insgesamt machte er einen reizbar Eindruck. Mit dem Fuß aufstampfend unterband er meine Fragen.

»Die Fragerunde ist vorbei, wir werden weiter ziehen. Wir bringen dich zum Meister, das wird zwei bis drei Tage dauern, darum lasst uns keine Zeit mehr vertrödeln und zusammenpacken.« Ich zuckte kaum merklich zusammen, durch die barsche Art, mit der Robin sprach. Kyrin bemerkte dies nicht und gab mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass sie ihm zustimmte.

Die Sonnen kletterten wie die Temperaturen hinauf, seit wir das Lager verließen. Stunden lang liefen wir durch die Raunenden Wälder, und die Strahlen der Himmelskörper kämpften sich spielend durch die Baumkronen. An das Knirschen der Äste und Blätter unter meinen Füßen gewöhnte ich mich rasch, doch die fremden Tiere, wie der vierköpfige Laubfrosch, welchen ich vor einer halben Stunde erblickte, ließen mich immer wieder zurückfallen. Robins Augen lagen dabei wie Laserpointer auf mir und er trieb mich zur Eile an. Kyrin hingegen wirkte gelassener, stimmte Robin nur zu, wenn es darum ging, dass wir mit meinem Schritttempo zu lange brauchten.

»Warum haben wir sie nicht ausgesetzt?«, stöhnte Robin nach einer Weile aus, als ich erneut abrupt stehen blieb und einen, wie Phosphor leuchtenden Schmetterling anzustarren. All diese merkwürdigen Tierchen zogen mich in den Bann. Die Raunenden Wälder waren um einiges bunter als der Dunkelwald, indem Liora und ich auf die Drachenmutter mit ihren Babys traf. Inständig hoffte ich, dass meine Freunde, die Entscheidung mit den Fremden mitzugehen, später verstanden. Wenn es nur die leistete Hoffnung darauf gab, dass der Meister eine Kenntnis über den Verbleib des dunklen Magiers hatte, musste ich diese ergreifen.

Shay zuliebe.

»Wir sind da«, verkündete Kyrin weitere Stunden und kleine Pausen später. Ich folgte ihren unerschütterlichen Blick, der nur den Weg vor uns galt. Sie war die letzte Zeit über alle Maße still geblieben und hatte nur kurz mit Robin gesprochen. Mit mir im Übrigen gar nicht, doch jetzt drehte sie sich zu mir und ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, welches mich für einen Augenblick vergessen ließ, meinen Blick auf dem Boden unter mir zu richten. Ich übersah eine üble Wurzel und stolperte gegen sie.

»Yasmin, pass doch auf!« Robin fing mich auf, bevor ich fiel, und zog mich zurück auf die Beine. Ich brummte einen Dank, als ich ebenfalls das Ende des Waldes erblickte.

Licht flutete meine Augen, die sich längst an die Dunkelheit gewöhnten und brannte unnachgiebig in ihnen. Eine vom Schmerz erzeugte Träne rann über mein Gesicht, wobei ich den beiden folgte und erneut stolperte. Dieses Mal zumindest nicht durch eine Wurzel, sondern dem Anblick, welcher sich mir bot. Der Wald endete auf einer Anhöhe und unter ihm erstreckte sich eine weitläufige Fläche mit hohen glänzenden Gebäuden. Von hier oben erblickte man eine riesige Stadt und dahinter tiefes dunkles Meer, dessen salzige Brise bis hin zum Wald reichte. Ich inhalierte einen intensiven Zug und die ozeanblaue Aura, welche mich mit dem Wasserwesen im inneren verbannt, breitete sich auf meine Schuppen aus, wobei ich nervöse Blicke von Robin und Kyrin erhielt. 

Hateful and Loveable Creatures 2- Die Zeitstadt (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt