Kapitel 15 Raunende Wälder

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Die Abenddämmerung tauchte den hellen violetten Himmel über meinen Kopf in ein Purpurschwarz. Das Sternenzelt am nächtlichen Firmament war voller mir unbekannter Sternzeichen. Vier eisblaue Monde zogen ihre Bahnen und tauchten die Welt in eine umschmeichelnde Farbe. Es war offenbar Nacht, aber ich konnte problemlos alles um mich herum erkennen. Ich riss meinen Blick von den bezaubernden Anblick los und versuchte herauszufinden, wo ich mich befand. Durch die geistige Benommenheit hatte ich nicht bemerkt, dass Seile sich in mein Handgelenk schnitten. Ich hing mit dem Armen von einem Baum herab und berührte gerade so, mit den Fußspitzen den laubigen Boden. Meine Augen flatterten wild umher. Wo waren die Entführer? Ich erblickte nur den dunklen Wald vor mir, doch im Hintergrund hörte ich das Knistern eines Feuers.

»Hey!? Was soll das!? Lasst mich frei!«, rief ich in der Hoffnung, dass sie mich hörten und losschnitten. Meine Arme waren taub, wer wusste schon, wie lange ich hier hing und die Vergiftung auskurierte? Mit dem bisschen Kraft, welche ich noch besaß, stieß ich mich mit den Zehenspitzen vom Boden ab und drehte meinen Körper in Richtung des Lagerfeuers. An diesem saßen die beiden Gestalten von vorhin und brieten sich an einem Stock Pilze.

»Sie ist wach«, grummelte der glatzköpfige Mann und machte sich nicht die Mühe aufzustehen, obwohl ich die beiden wild beschimpfte. Stattdessen rieb er sich durch die Bartstoppeln und starrte in die lodernden Flammen, welche den Holzstab vor sich umzüngelten. Erst nach dem sie mit dem Essen fertig waren, wendete er sich zu mir und runzelte die Stirn.

»Wir sollten schlafen, wenn wir morgen frühzeitig ankommen wollen, aber sie hält einfach nicht die verdammte Klappe. Wie bringen wir sie zum Schweigen?« Der Mann ließ mich nicht aus den Augen.

»Am besten wir entledigen sie uns hier und jetzt«, fügte er hinzu, doch die Frau legte eine Hand auf seinen Arm.

»Was, wenn wir sie töten und sie aus dem Reich der Traumstadt kommt? Wir würden einen Krieg lostreten. Wir haben schließlich ein Abkommen. Keine unserer Völker darf den anderen verletzten«, rief sie dem Mann in Erinnerung. Dieser schnaubte: »In Ordnung, aber bring sie zum Schweigen, ich bin müde. «

Ein letzter Schluck aus einer ledernen Feldflasche landete in ihrem Rachen und sie torkelte auf meine am Baum zappelnde Erscheinung zu. Als sie näher kam, roch ich den Wein, den sie zuvor trank, und ließ meinen Blick über sie schweifen. Keine Waffe, bemerkte ich stumm.

»Wo bin ich?«, stieß ich heiser vom lauter Rumgebrülle aus. Verzweifelt suchte ich Menschlichkeit in ihren Augen, welche mich jedoch nur von Neugier erfüllt musterten. Ich sah zu meinen Fußspitzen, denn die fremde Frau vor mir schüchterte mich ein. Ihr Blick war durchdringend und bereitete mir Unbehagen. In einer fremden Welt in Gefangenschaft zu geraten konnte ich somit von meiner Liste von Dingen, die ich niemals erleben wollte abhaken. Ich fragte mich, ob sie mich gefangen nahmen, weil ich in dieser Welt mit meinen Drachenschuppen übersät war. Sie wollten mich sicher verkaufen, oder damit prahlen, eine Drachenfrau getötet zu haben.

»Du befindest dich in den Raunenden Wäldern. Unsere Leute haben vorhin den Drachen im Dunkelwald abgeholt und zum Meister teleportiert, aber wir haben ihnen nichts davon gesagt, dass wir jemanden betäubt haben. Robin und ich werden dich persönlich zu unserem Anführer bringen, um ihn zu fragen, was wir mit dir anstellen.« Trotz der Worte, die sich in meinen Ohren nicht gut für mich anhörten, erkannte ich eine gewisse Wärme in der Stimme der Frau vor mir und erschauderte. Jetzt war nicht der Zeitpunkt dafür die Sprechweise meiner Entführerin zu analysieren.

»Unser Ziel ist die Stadt, wir bringen dich zu ihm und dann warten wir ab was passiert. Wenn du Glück hast macht er eine Ausnahme das du aus der Traumstadt kommst«, erklang erneut die warme Stimme, welche sich gar nicht mal so gefährlich anhörte. Ich riss meinen Blick hoch und erneut sah ich in die von Neugier erfüllten hellgrauen Augen. Sie hatte keinen Moment aufgehört, mich ungeniert anzustarren.

»Aber ich komme gar nicht aus der Traumstadt. Ich und meine Freunde, wir kommen aus einer völlig anderen Welt!«, sprudelte es aus mir heraus. Mit aufgerissenen Augen und offen Mund starrte sie mich an und legte unüberlegt die Hand auf meine Lippen.

»Pscht. Wenn das der Fall ist, müssen wir dich erst recht zu ihm bringen. Er ist sehr mächtig und kann dir und diesen Fremden sicher helfen zurückzukehren, nur bitte verhalte dich unauffällig. Sag niemanden das du nicht von hier kommst! Die Menschen die hier leben wurden das nicht verstehen.« Ich zuckte zusammen und ein Hauch von Hoffnung flammte in mir auf. Womöglich half uns der Meister, der beiden nach Hause zurückzukehren, auch wenn ich es äußerst unmoralisch fand, dass er Drachen jagen ließ. Ihre Finger verließen meine Lippen und in mir brannte eine Frage, die mir schon seit Stunden im Kopf herumschwirrte.

»Wo sind wir? Ich meine nicht den Wald, sondern die Welt. Wo befinden ich und meine Freunde uns?«, fragte ich ohne Umschweife geradeaus. Sie sah sich zögernd um und erkannte wie ich, dass ihr Begleiter bereits auf einem Berg aus buntem Laub unter den Kopf schlief. Dann wendete sie sich wieder zu mir und renkte ihr Gesicht nahe an mein Ohr, als wäre es ein Geheimnis, dann flüsterte sie: »Alles was du um dich herum siehst, hörst und riechst ist die Zeitstadt.«

Hateful and Loveable Creatures 2- Die Zeitstadt (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt