Ich hatte keine Zeit, etwas in Kyrins Worte hineinzuinterpretieren, denn die alte Frau kehrte zurück und drückte mir zwei Hosen, weitere Oberteile und Unterwäsche in die Hand. Dankbar nahm ich die Kleidung entgegen und zog mich um, nachdem die Alte und Kyrin den Blick abwandten. Alles passte, doch der Stoff kam mir ungewohnt kratzig vor.
»Wenn du so weit bist, packe ich dir die Kleidung zusammen.« Schon war die Frau mit den Sachen davongehumpelt und ich folgte ihr schweigsam.
An einer kleinen Ladentheke schnürte sie die Kleidung zu einem Paket zusammen und überreichte es mir.
»Jetzt müssen wir nur noch eine Kleinigkeit in Erfahrung bringen. Und zwar: Wo können wir die Nacht verbringen? Es wird dunkel und bis wir die Stadt bis zu unseren Meister durchkämmen, ist es noch ein kleines Stückchen«, mischte sich Robin ein und gähnte, wie zur Bestätigung, in seine Hand. Die Frau nickte verstehend und hob ihren Blick.
»Fragt in der Bar Zum Teufel des Todes nach einer Unterkunft. Über der Bar ist eine Wohnung mit zwei Räumen, in der ihr nächtigen könnt.«
Nach dem Besuch traten wir aus dem Laden und Robin behielt recht. Die Dämmerung setzte ein und die beiden Sonnen neigten sich dem Untergang. Der violette Himmel mischte sich mit einem dunklen lila und einzelne Sterne kamen zum Vorschein. Ich sah hinauf in den Himmel und atmete den Geruch der Stadt ein, der erfüllt von Pflanzen war.
»Wir müssen ein Stück laufen«, erklärte mir Robin und sah zu Kyrin, die mit ihren Gedanken woanders zu sein schien. Ertappt nickte sie, als sie bemerkte, dass Robin etwas gesagt hatte, und wir begaben uns auf den Weg.
Der Einbruch der Dunkelheit zog viele Bewohner der Zeitstadt nach draußen, und ich erkannte die unterschiedlichsten Wesen, wie ich sie auf der Erde noch nie zu Gesicht bekam. Eine Gestaltwandlerin führte ein Trick vor einen weinenden Jungen aus, indem sie sich in ihn verwandelte und eine Gruppe voller Männer, halb Fuchs, halb menschlich zwinkerten mir auf mein verblüfftes Gesicht hin zu.
Benommen von den ganzen Eindrücken schlüpfte ich mit Kyrin und Robin durch die offene Tür einer kleinen Bar, mit einem verwitterten Schild darüber, welches darauf hinwies, dass es sich um die Bar Zum Teufel des Todes handelte. Direkt schlug mir der Gestank nach Alkohol, Rauch und Schweiß entgegen und reizte meine Nase. Eine Gruppe muskulöser Vertreter des männlichen Geschlechtes tranken aus Krügen, die größer waren als ihre Köpfe und sangen fremde eingängige Lieder über Freiheit.
»Mach langsam, dass Zeug haut Anfänger den Boden unter den Füßen weg«, vernahm ich und drehte mein Kopf in die Richtung des Ratschlages.
»Das ist das Beste, was ich je trank! Gebt mir mehr davon!« Die Stimme klang vertraut und ein freudiger Schauer überkam mich. Zügig lief ich auf den Tisch zu.
»Yasmin?« Flink folgte mir Robin und zog Kyrin hinter sich her. Er stoppte, als ich meine Hand auf die Schulter des trinkenden Mannes legte.
»Susanoo? Was machst du hier?« Der Betrunkene schwenkte seinen Kopf schwerfällig zu mir und ein erfreutes Grinsen schob sich auf seine Lippen, von denen er sich den Rest des Getränkes leckte.
»Yasmin! Du bist wohlauf!« Er erhob sich so ruckartig, dass er beinahe die auf dem Tisch stehenden Getränke umstieß. In der nächsten Sekunde drückte er mich fest an sich und brüllte zu der Frau hinter dem Tresen: »Bring ihr und den beiden anderen Getränke!« Dann drehte er sich wieder zu mir und wir schoben drei weitere Stühle an den Tisch heran. Die beiden anderen Männer, die dort saßen, machten Platz für uns. Ich nahm sie in Augenschein, der linke hatte unbändiges weißes Haar und einen schneeweißen Bart, der an Karl Marx erinnerte. Sein ganzer Körper was von Muskeln durchzogen und er wirkte auf mich wie ein Riese. Rechts von ihm saß ein, jünger wirkende Mann, mit schlaksigen Armen und betrübten Blick. Er hing seinen eigenen Gedanken nach und zwirbelte hin und wieder seine schwarzen lockigen Haare. Eine Geste, die ich von Klara kannte und mich für einen Moment meine Gedanken sortieren ließ.
»Ich habe zu lange geschlafen und die anderen sind einfach ohne mich aufgebrochen. Kannst du dir das vorstellen? Die haben nicht einmal bemerkt, dass ich fehlte.« Susanoo schüttelte deprimiert den Kopf und seine Fahne kitzelte meine Nase. »Ich lief und lief und habe die Barkeeperin im Wald getroffen, als sie ein paar Beeren für ihre Getränke sammelte. Sie hat mich hier hergebracht und mir die Wohnung über die Bar für diese Nacht zu Verfügung gestellt«, erklärte Susanoo mir und sah in die Gesichter meiner beiden Begleiter*innen.
»Und wen hast du mitgebracht?«, schob er direkt die nächste Frage hinterher.
Kyrin und Robin waren auf das hier, nicht vorbereitet und zogen verwirrte Gesichter.
»Wir haben Yasmin im Dunkelwald aufgegabelt und wollen sie zu unserem Meister bringen. Wir hoffen darauf, dass er weiß, wie ihr diese Welt verlassen könnt«, ergriff Robin das Wort, während die Frau hinter dem Theresen mit drei Krügen an unseren Tisch kam. Sie war jung, möglicherweise Anfang zwanzig und doch wirkte sie so, als würde sie sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen.
»Das sind Spezialitäten aus dem Wasserquadranten. Lasst es euch schmecken.« Ihr Blick wanderte durch unsere vergrößerte Runde, doch sie stellte keine Fragen.
»In dieser Bar kommen verschiedenste Wesen zusammen. Sie ist nicht geschätzt von der Gesellschaft, wird aber geduldet.« Robin legte seine Hände um den Krug und der riesige Mann vor mir erhob sich.
»Spielen wir ein Spiel«, schlug dieser vor und er lief zu dem Ende des Raumes, wo eine Axt in der Wand steckte. Alle Gespräche außen herum verstummten, und belustigte Blicke streiften zu ihm. Wir liefen ihm hinterher und er fixierte mich grinsend.
»Machts mir nach«, sprach er aus, während er den Krug in einem Zug leer trank und die Axt gegen ein Fass schmetterte, wo sie stecken blieb. Die Menge johlte und brach in Jubel aus.
Herausforderung angenommen.
Angespornt lief ich zu der Axt und zog sie aus dem Fass. Ich setzte, wie der Mann zuvor meinen Krug an die Lippen und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter. Teuflisch brennend, bahnte sich das Getränk einen Weg in mein Inneres und benommen streckte ich den Arm aus und warf die Axt. Gelächter brach aus.
Als ich meinen Blick erhob, erkannte ich, dass ich Meter weit daneben geworfen hatte.
»Tja Triton, mit dir kann es niemand aufnehmen«, grölte ein stämmiger Mann und lachte in sich hinein.
Triton.
Benommen wankte ich teils vom Alkohol, teils von meinen sich schwindelhaft kreisenden Gedanken. Alle Farbe war mich aus dem Gesicht entwichen.
»Dad?«, flüsterte ich dem Mann entgegen, bevor meine Beine nachgaben.
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Hateful and Loveable Creatures 2- Die Zeitstadt (girlxgirl)
ParanormalIn was zum Henker war ich da nur hineingestolpert? Da traf man auf einen Seelendieb, der einem zum Abendessen vernaschen wollte und halt Stopp, die Geschichte kennt ihr ja bereits. Diese hier ist eine andere. Seit dem großen Kampf sind nun bereits e...