Die Türglocke des Kleiderladens läutete schrill, als ich das kleine Geschäft betrat, zu welches mich Kyrin und Robin geführt hatten. Ein süßlicher Geruch stieg mir in die Nase, den ich aus Berlin kannte und doch nicht sofort einordnen konnte. Eine ältere Frau mit fließendem weißen Haar kam mit einer gekrümmten Rückenhaltung und Gehstock auf mich zu gehumpelt. Vor mir blieb sie abrupt stehen und rümpfte die Nase, wobei sie ihren Blick unverfroren über meine Erscheinung wandern ließ. Erst als sie Kyrin und Robin erblickte, hellte sich ihre Miene etwas auf und sie rang sich ein Lächeln ab, dass die Fältchen um ihre Augen vertiefte.
»Es ist mir eine Ehre, dass mir Tuhjans Untergebene einen Besuch abstatten. Aber sagt, was führt euch zu mir?«, krächzte die gebrechliche Frau zu den beiden und ließ dann ihre Augen wieder argwöhnisch zu mir gleiten.
»Und wenn bringt ihr in meinen Laden? Sie hat einen Gestank an sich, den ich nicht einmal von dem Volk der Traumstadt kenne.« Erneut blähten sich die Nasenflügel der Alten schwerfällig auf. Robin trat unverzüglich auf die Frau zu und nahm ihre faltige, von schwarzen Flecken übersäte Hand in seine.
»Es ist UNS eine Ehre, wir stehen für Eure Loyalität tief in Eurer Schuld, doch wir müssen Sie um eine Kleinigkeit bitten.« Er löste seine Hände und schob mich bestimmend zu der Frau. »Wir fanden sie in dem Dunkelwald und Yasmin kommt nicht von hier. Wir bringen sie zu unseren Meister, doch mit dieser Kleidung können wir sie nicht durch die Zeitstadt laufen lassen, darum bitten wie Sie höflichst ein paar Kleidungsstücke zu entbehren.« Die Greisin hob überrascht eine Augenbraue, bevor sie rau antwortete: »Ich frage nicht, woher sie kommt, das geht mich nichts an. Meine einzige Nachfrage besteht darin: Habt ihr genug Jahre dabei?« Ich vermochte Gier aus ihrem Blick herauszulesen, doch verstand nicht ganz, was vor sich ging. Robin kratze sich verlegen am glatten Hinterkopf und räusperte sich mit einem schwerfälligen ausatmen.
»Wir hatten nur eine kurze Mission, als wir sie fanden. Tuhjan weiß nichts davon, dass wir von der Gruppe getrennt wurden, dementsprechend haben wir kein Geld bei uns.« Die alte Frau nickte bedacht.
»Er wird zahlen. Er muss«, murrte sie, doch gab mir mit einer Handbewegung zu verstehen ihr zu folgen.
Kyrin und Robin blieben im Vorraum des kleinen Ladens stehen, wobei ich Probleme hatte, mit den plötzlichen schnellen Schritten, der Frau mitzuhalten. Der Laden an sich war viel größer, als es zunächst den Anschein erweckte und er war vollgestopft mit Krimskrams. Eine alte Standuhr schlug zur vollen Stunde und ich zuckte erschrocken zusammen.
»Du bist schreckhaft«, merkte die Greisin an und streckte ihre Hand nach einem vornehmlich weiblich aussehenden Gewand aus. Ich ergriff den Stoff und versuchte mich, in dem lila Kleid vorzustellen, doch es gelang mir nicht. Mein Gegenüber schien das Zögern zu bemerken.
»Kyrin!«, rief sie aus und diese preschte herbei. Sie sah auf das Kleid hinab und lachte leise.
»Ich glaube nicht, dass das die richtige Kleidung ist für eine, die keine Männer will.« Anzüglich wackelte Kyrin mit den Augen und ein Geistesblitz durchfuhr die alte Frau.
»Natürlich! Auch für Solche habe ich Kleidung.« Eine Minute später hielt ich Männerkleidung in meinen Händen, die mich an einen Holzfäller erinnerten. Irritiert und etwas verzweifelt sah ich zu den beiden, welche mich ansahen, als hätten sie einen Geniestreich vollbracht. No way! Schrie die Stimme in mir und ich gab die Kleidung zurück.
»Ja ich stehe auf Frauen, aber deshalb kleide ich mich nicht maskulin. Alles was ich an mir habe ist ein Teil von meiner Persönlichkeit«, versuche ich zu erklären.
»Aber du trägst schwarz«, stieß Kyrin irritiert aus. Die Frau hingegen interpretierte meine Kleidung anders.
»Du trauerst«, merkte sie an und traf damit ins Schwarze, wie die Farbe von allem, was ich an mir trug. Es war mir nicht bewusst gewesen, aber mit der Zeit nach dem Verlust, hatte ich wahrhaftig mehr zum schwarzen Stoff gegriffen, als zuvor. Noch während ich in meinen Gedanken versank, hatte sich die alte Frau erneut umgedreht und war durch ihr kleines Reich gehumpelt.
»Nimm das.« Sie streckte mir einen schwarzen Stoff entgegen, der an einen Poncho erinnerte. Erneut schlug mir ein beißender Geruch in die Nase und nun erkannte ich ihn wieder. Gras. Der Duft strömte aus der Kleidung und ließ mich vermuten, dann in einer Stadt, in welcher keine Tiere gegessen wurden, auch keinerlei Wesen für Textilie Verwendung fanden. Auf der Erde benutzten einige Hersteller Leinenhanf, was der Seltenheit entsprach. Es musste sich um eine ähnliche Pflanze handeln, spekulierte ich.
»Dieses Stück ist perfekt für deine Flügel geschnitten, Kindchen. Ich bringe dir noch eine Hose.« Kaum waren diese Worte ausgesprochen, war sie auch schon wieder verschwunden. Für diesen Moment waren Kyrin und ich zu zweit. Es war seltsam, da wir uns, seit vorhin nichts mehr zu sagen hatten, und ich wusste nicht so recht, wie ich mit ihr umgehen sollte.
»Du solltest es anziehen«, merkte Kyrin nach einer vollen Minute schweigen an und sah hinab auf die Kleidung in meinen Händen. Ich folgte ihrem Blick und nickte. Ich suchte nach einer Umkleide, doch erspähte keine, stattdessen zog Kyrin an meinem Pullover, der von der Wärme völlig durchgeschwitzt war. Die Röte stieg mir in die Wangen, als sie das Oberteil wortlos über mein Kopf zog.
»Was tust du!?« Mit den Händen wild um mich fuchtelnd, versuchte ich zu signalisieren, dass ich darauf nicht vorbereitet war, doch da stand ich schon im BH vor ihr. Schützend hielt ich meine Hände vorm Oberkörper und eine leichte kühle Brise kitzelte meine Arme. Für einen Moment den Schocks wäre mir beinahe Kyrins Blick entgangen, welche mich mit einem unerklärlichen Ausdruck in den Augen musterte.
»Was hast du?« Ertappt nahm Kyrin den Blick von meinem Oberkörper und sah peinlich berührt zur Seite.
»Du hast nichts, was ich nicht auch habe«, sagte sie zu mir, doch es klang mehr wie ein Selbstgespräch.
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Hateful and Loveable Creatures 2- Die Zeitstadt (girlxgirl)
ParanormalIn was zum Henker war ich da nur hineingestolpert? Da traf man auf einen Seelendieb, der einem zum Abendessen vernaschen wollte und halt Stopp, die Geschichte kennt ihr ja bereits. Diese hier ist eine andere. Seit dem großen Kampf sind nun bereits e...