[12] 20|Freitag

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Ein Morgen mit sanften Sonnenstrahlen, die durch das Schlafzimmer hinein strömen, begrüßt Ronja in den Tag. Es ist ein Morgen, der in einen freien Tag mündet. Frei. Einfach frei. Mit einem Lächeln auf den Lippen öffnet sie die Augen und hebt ihren Körper an, um sich seitlich zu positionieren.

„Guten Morgen, Al", flüstert sie ihrer Liebsten zu. „Hast du gut geschlafen?"

„Mhm ja." Alice gähnt aus vollem Herzen. „Du auch?", fragt sie, wobei sie ihren Arm ausstreckt und auf Ronjas Seite landen lässt.

„Zumindest geht es mir heute am Morgen schon besser. Bin erholter." Ronja legt ihre Finger an Als Wange.

Alice hingegen gleitet sachte mit ihrer Hand über die Taille zu Ronjas Rücken. Doch obwohl es wunderschön ist, unterscheidet sich diese zärtliche Geste von einer leidenschaftlichen – von wildem Verlangen –, daher wartet Ronja ab und genießt die Liebkosung.

„Weißt du noch, als du mir Versautes auf meinen Rücken geschrieben hast?" Als Finger stoppen in der zarten Bewegung und tippeln nun.

„Ähm ... Ja, denke schon." Welchen Aspekt davon meint sie jetzt genau – das Versaute?

„Du wolltest mir Braille beibringen, erinnerst du dich?"

Stimmt, da war was.

„Hast du gerade deine Augenbrauen hochgezogen?"

„Ey, das ist unfair."

„Wieso? Weil ich deine Reaktionen sehe? Du spürst meine dafür umso mehr. He?"

„Hm." Sie hat ja recht.

„Was ist denn daran so schlimm?"

„Eigentlich nichts. Aber warum willst du denn unbedingt Braille lernen? Was bringt dir das?"

„Mich dir näher."

◦◦◦◦◦◦

Routiniert bewegt sie sich durch den späten Morgen. Hier und da dreht sie sich im Schwung ihrer Freude. Ein bisschen Haushalt, Café trinken, ein wenig – oder auch mehr – mit Nika knuddeln. Immerhin ist heute Mama-Ronja-Nika-Tag. Mama Al ist ja arbeiten. Und die sehen sie dann heute Abend wieder.

Mich dir näher, hat Alice gesagt. Schmunzelnd darüber – und auch so richtig verstehen kann sie es nicht –, sucht sie schon mal Einstiegsunterlagen dazu raus. Dann können sie irgendwann in nächster Zeit damit beginnen.

Gegen Mittag, wie üblich, packt sie alles Nötige zusammen und macht sich mit Nika sowie Woody auf dem Weg zum Hafen.

Als wären wir uns nicht schon nah, geht ihr wieder bei dem Gedanken an den Morgen mit Alice durch den Kopf. Aber wenn es ihr so wichtig ist ...

Der Wind weht weiterhin und unablässig in seiner kühlen Pracht. Glücklicherweise von hinten, sodass sie Nika nicht noch mehr schützen muss vor der Kälte. Auf halber Strecke kommt sie ins Stocken. Ein hoher Pfeifton ertönt plötzlich von der Seite. Der Windzug mit Sicherheit, der sich seine Bahnen sucht, beruhigt sie sich. Nach einem kurzen Schütteln geht sie weiter. Doch dieses Gefühl beschleicht sie wieder. Sie kann es nicht abschalten. Und nun ist Nika bei ihr. Sie muss sie schützen. Nur vor was? Zum Glück sind sie gleich da. Elmar wird für sie die Augen offenhalten. Doch bei dieser klirrenden Kälte werden sie sich wohl nicht lange unterhalten.

Vielleicht kann ich ja heute schon mit zu Elmar in seine Wohnung und er zeigt sie mir? Natürlich hat sie Interesse daran, aber würde auch gerne noch mehr Zeit in Gesellschaft verbringen. Dem hier entfliehen.

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