Kapitel 44

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29.05.2015 - Nachmittags

[Marcos Sicht]


»Da seid ihr ja endlich, ich dachte schon ihr kommt nich mehr« begrüße ich meine Freunde, ein verschmitztes grinsen auf dem Gesicht.

»Spar dir deine Kommentare Reus, wir hatten auf dem Weg hierher mit Sicherheit mehr Spaß als du in deinem ganzen Leben je hattest« gibt Marcel trocken zurück, doch seine Mundwinkel werden von einem kaum sichtbaren lächeln umspielt. Ich bin froh, dass die drei hier sind. Morgen steht das Pokal-Finale gegen Wolfsburg an und ich spüre schon jetzt das Adrenalin in meinen Adern kribbeln. Ich gebe schon beim Training 110% und werde morgen alles dafür tun, um den Pokal mit nach Hause zu bringen. Wir müssen das einfach packen. Für Kehli. Für Klopp.

»Ihr seid ja auch in meinem Auto her gefahren« antworte ich und sehe die Jungs herausfordernd an.

»Genau genommen ist es gar nicht mehr dein Auto, du fährst es ja überhaupt nicht mehr... weil du nicht darfst«. Mittlerweile ist das grinsen auf Marcels Gesicht so breit, dass ich ihm am liebsten eine verpassen würde, nur damit es verschwindet.


Etwas außer atmen wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Wie gesagt, ich gebe 110%. Ich werfe einen kurzen Blick zu Marcel, Robin und Armin, die mir von der Tribüne aus zusehen und Schadenfroh grinsen.

Grinsend schüttele ich den Kopf und folge meinen Kollegen in die Umkleidekabine. Dort angekommen werde ich von lautem Gebrüll empfangen. Die ganze Mannschaft singt mindestens 3 verschiedene Songs durcheinander und jeder einzelne versucht die anderen mit seinem Gesang zu übertönen. Anscheinend bin ich nicht der einzige, der schon jetzt mit Adrenalin vollgepumpt ist. Genervt verziehe ich das Gesicht und setze mich auf "meinen" Platz. Es ist irgendwie immer komisch, in der Kabine eines anderen Stadions zu sein. Einige Sekunden beobachte ich das geschehen. Oberkörper-freie Männer die sich aufführen wie dreijährige. Meinem genervten Gesichtsausdruck weicht nun ein amüsiertes lächeln. Plötzlich schießt mir die Frage durch den Kopf wie sich meine Kollegen, meine Freunde, verhalten würden, wenn sie wüssten das ich mit Mario zusammen bin. Wenn sie wüssten, dass ich Männer mag. Würden sie dann immer noch halb nackt durch die Kabine laufen? Würden sie sich noch von mir anfassen lassen? Dürfte ich sie noch umarmen, oder würde jeder gleich denken, ich baggere ihn an? Würden sie es akzeptieren, oder den Kopf schütteln und mir aus dem Weg gehen?


29.05.2015 - Abends

[Marios Sicht]


»Bist du sicher das du morgen nicht mitkommen willst«? ruft mein Bruder mir aus dem Bad zu.

Ich spreche den Satz leise mit und rolle mit den Augen. »Fabian, ich hab jetzt schon mindestens drei mal gesagt das ich morgen zum Pokal-Finale fahre«.

»Aber Mario, bist du ganz....-«

»-...sicher dass das eine gute Idee ist«? Vollende ich seinen Satz und stöhne genervt. »Ja, verdammt. Zum tausendsten Mal! Ich bin mir sicher!«

»Aber wenn jemand verdacht schöpft-«

»- Wie soll da denn jemand verdacht schöpfen? Das ist das Pokal-Finale! Ein verdammt wichtiges Spiel! Jeder will nach Berlin und das Spiel sehen! Und genau das wird man von mir denken. Niemand wird darauf kommen, dass ich nur wegen Marco da bin. Stimmt ja auch nicht. Ich bin wegen Marco und dem Spiel da«. Ich merke selbst wie zickig ich mich anhöre, doch das ist mir gerade mehr als egal. Ich weiß nicht, wie oft mir mein Bruder nun schon davon abgeraten hat, dort aufzutauchen. Und immer wieder versucht hat, mich zu drängen lieber mit ihm und Kristina diesen dämlichen Ausflug zu machen.

Plötzlich taucht Fabian im Wohnzimmer auf und steht mit verschränkten Armen vor mir.

»Was guckst du so«?

»Hör auf so zickig zu sein Mario, ich mach mir doch nur Sorgen um euch«.

Um unsere Karrieren, denke ich. »Musst du aber nicht, wir haben alles im Griff. Außerdem habe ich Marco versprochen das ich komme und ich breche meine Versprechen nicht. Und selbst wenn ich ihm nichts versprochen hätte-« schneide ich Fabi das Wort ab, der gerade wieder irgendwas sagen wollte was wieder nur meine Nerven strapaziert hätte, »- ich fahre so oder so dahin. Weil ich will. Ich habe Marco ewig nicht gesehen«.

»Fährt da wenigstens noch jemand hin, den du kennst«?

Ich sehe ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Bist du jetzt ernsthaft der Meinung ich brauche einen Babysitter? Ich bin 22 Jahre alt, nicht 2«.

Dieses mal rollt mein Bruder mit den Augen. »Darum geht es nicht. Es wäre nur einfach unauffälliger, wenn du nicht alleine bist. Wenn zum Beispiel jemand vom Fc Bayern mitkommen würde. Oder Ann-Kathrin«.

»Ann-Kathrin, ist das dein ernst«?!

»Kannst du vielleicht einfach mal meine Frage beantworten«? motzt er und verlagert genervt sein Gesicht vom einen Bein aufs andere.

»Marcel und Robin sind auch da. Den anderen kenne ich nicht«.

»Fornell und Kaul«?!

»Ja«.

»Die zwei besten Freunde von Marco Reus, wie unauffällig«.

»Dir kann mans auch nicht recht machen«.

»Habt ihr schon abgesprochen das ihr euch trefft«?

»Ja, wir treffen uns im Stadion kurz bevor es los geht«.

Mein großer Bruder atmet schwer aus und reibt sich mit beiden Händen durchs Gesicht, als hätte ich ihm gerade eröffnet das ich eine Cannabis-Plantage auf unserem Balkon züchte.

»WAS«?! rufe ich ihm nach, als er das Wohnzimmer verlässt. Er antwortet mir nicht und ich lasse mich erschöpft in die Lehne unseres riesigen Sofas sinken. So sehr ich meinen Bruder auch liebe, manchmal macht er mir das Leben schwer.


[Götzeus] Sunny & Woody - Es ist Liebe.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt