"Nur noch ein wenig pressen!" sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen und hielt schon den Kopf des Kindes in der Hand. Die Frau, die vor mir auf dem Bett lag, schrie voller Schmerzen auf, tat jedoch was ich sagte. Ihr Mann saß neben ihr auf einem Stuhl und drücke die Hand der werdenden Mutter. Seit einer halben Stunde schon saß ich hier und half dieser Frau ein Kind auf die Welt zu bringen, "Du hast es gleich geschafft, es fehlt nur noch ein kleiner Teil." versicherte ich ihr glücklich. Noch einmal schrie sie aus voller Lunge, dann hielt ich auch schon eine kleine Tochter in den Händen. Die Mutter entspannte sich vollkommen und sank in ihr schweißnasses Kissen zurück. Das Mädchen in meiner Hand schrie aus voller Kehle, schon mal ein gutes Zeichen, dachte ich und schaute erwartungsvoll zum Vater des Mädchens. "Sie sollten die Nabelschnur trennen." wies ich ihn an. Der Mann war blass und ein wenig grau um die Nase, als er zu seiner Frau schaute. Diese nickte mit einem Lächeln auf den Lippen und sah seelenruhig aus. Der Mann stand langsam auf, ich reichte ihm meine Schere und er durchtrennte die Schnur. Ich kümmerte mich noch eine Sekunde lang um das kleine Mädchen, ehe ich es der Mutter an die Brust lag. Sie sah unfassbar erschöpft aus. "Ich gratuliere Ihnen." sagte ich ihr und strich ihr eine verschwitzte Strähne aus dem Gesicht. "Sie haben ein gesundes Mädchen auf die Welt gebracht. Sie sah nicht viel älter aus als ich, gerade mal anfang zwanzig und hielt ein frischgeborenes Baby in der Hand. "Ich danke Ihnen, ohne Sie hätte ich das wohl nicht überlebt." sagte sie und ich lächelte. Nach jedem Tag den ich hier untern verbrachte, fiel es mir leichter glücklich zu sein. Als ich meine Schwester an die Welt dort oben verlor, war ich wohl genau so alt wie das kleine Mädchen in den Armen ihrer Mutter. "Ich werde noch eine kurze Nachuntersuchung machen, dann können Sie ihre Tochter alleine genießen." sagte ich und drehte mich zu meinem Equipment um. Während ich die Frau säuberte und zunähte, unterhielt ich mich mit ihr. Der Vater des Kindes ist im Badezimmer verschwunden, um ihn musste ich mich wohl auch noch kümmern. "Haben Sie sich schon einen Namen für ihr Kind überlegt?" fragte ich, es entstand eine kurze Pause. "Ja, ich möchte sie Helen nennen, nach meiner Mutter." erklärte die Frau vor mir. Ich lächelte erneut, "Ein wirklich schöner Name, Ihre Mutter wird bestimmt stolz auf Sie sein." sagte ich und packte alles zusammen. "Ich weiß es leider nicht." erklärte die Frau mir und ich verstand sofort. "Sie wird bestimmt ein gutherziges Kind." sagte ich darauf und die Mutter nickte müde. "Ich sehe noch kurz nach Ihrem Mann, ich denke er hat das alles ein wenig schwerer aufgefasst als Sie." sie schmunzelte auf dem Bett, "Es ist mein Bruder, einen Mann habe ich nicht mehr." sagte sie traurig und ich schluckte. "Sie beide werden Helen mit Güte und Liebe erziehen." dann trat ich aus dem Zimmer und klopfte an die Badezimmertür. "Endschuldigen Sie, darf ich herein kommen?" fragte ich und hörte von drinnen ein Schluchzen. "Ist alles in Ordnung bei Ihnen?" fragte ich erneut, meine Alarmglocken läuteten, als ich noch immer keine Antwort erhielt. "Ich komme jetzt herein." warnte ich und stieß die Tür auf. Der Bruder der Mutter saß zusammengekauert auf dem Boden und weinte. Vorsichtig schloss ich die Tür hinter mir wieder. Ich setzte mich zu ihm. "Ihrer Schwester geht es gut, sie hat ein kleines Mädchen auf die Welt gebracht." sagte ich und schaute ihn an. "Ich bin froh, dass sie lebt." sagte er schluchzend, anschauen konnte er mich nicht. "Sie haben alle anderen verloren oder?" fragte ich ihn und erneut rannen Tränen über seine Wangen, seine Augen waren rot und geschwollen. "Sie wird keinen Vater haben, keine Großeltern, nur eine Mutter." sagte er dann und langsam schien er sich wieder zu beruhigen. "Sie müssen dem Mädchen ein Vater sein, natürlich sollte sie wissen, dass Sie nicht ihr Erzeuger ist, aber Sie müssen die Rolle eines Vater's übernehmen. Ihre Schwester ist die Mutter, aber das Mädchen wird eine genauso starke Bindung zu Ihnen aufbauen." sagte ich und strich ihm über den Arm. "Haben Sie einen Vater?" fragte der Mann mich. Mein Herz bekam einen Stich. "Ich hatte einen netten Mann, der die Rolle übernommen hat." sagte ich und der Mann neben mir nickte. "Ich habe dieselben Worte schon zu Ihrer Schwester gesagt, aber Sie werden Ihr Kind mit Güte und Liebe erziehen, da bin ich mir sicher." sagte ich sanft und der Mann schaffte es, sich hoch zu rappeln und half auch mir auf die Beine. "Ich danke Ihnen." sagte er dann und öffnete die Badezimmertür. "Ich habe leider kaum Geld um Sie bezahlen zu können." sagte er und hielt ein paar Münzen in seiner Hand. "Das ist Ihr Geld, Sie werden es brauchen." sagte ich und schob die Hand zu ihm zurück. Seine Augen füllten sich erneut mit Tränen. "Ich danke Ihnen." sagte er und ging zu seiner Schwester. "Auf Wiedersehen." sagte ich und schaute beim vorbeigehen noch zu der Mutter. "Auf Wiedersehen Helen und..." "-Isabell." sagte die Mutter schwach. Ich schluckte. "Alles Gute für Ihre Familie." danach verließ ich das Haus und stand auf der Straße. Sie war überfüllt mit Menschen. Hier unten wurden wir immer mehr. Zu meinem zu Hause, war es nicht besonders weit, aber ich wollte dort noch nicht hin. Ich ging also in die genau entgegengesetzte Richtung und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Ich machte noch bei einer älteren Dame Stopp, nach der sonst keiner schaute und trank einen Schluck Wasser bei ihr. Nachdem ich auch bei ihre einige Zeit verbracht hatte, machte ich mich schließlich auf den Weg nach Hause, ich nahm die größtmögliche Route, auf den Straßen herrschte jedoch Tumult. "Ja, ich habe sie auch gesehen. Sie sind bestimmt auf der Suche nach jemandem." hörte ich immer wieder Getuschel. "Der Aufklärungstrupp oder die Militärpolizei?" fragte ein anderer betrunkener Mann und langsam wurde mir klar was hier vor sich ging. "Ja im unteren Teil der Stadt." hörte ich einen weiteren Mann auf der Straße zu einem anderen sagen. Dann war es auch schon um mich geschehen, ich musste so schnell ich konnte nach Hause, dort war noch etwas, dass ich von Isabel hatte. Ich rannte immer panischer durch die Menschenmengen, bis ich die Stufen zu meinem Heim sah. Es war ein einziges Zimmer, mit einem angrenzenden Badezimmer. Als ich im Innenhof ankam, standen wie immer eine Menge Männer davor und schauten mich neugierig an. Die Kneipe hier in der Nähe, war der Stammplatz für eine Gang, weshalb es mich nicht wunderte. Heute aber, war es extrem. So viele Männer wie heute, habe ich hier noch nie gesehen. Ich senkte den Blick und versuchte so unbemerkt wie es nur ging, weiter zu gehen. Sie alle hatten Narben im Gesicht oder auf den Armen und Beinen. Viele von ihnen hatten auch Muskeln, die sie wohl bei ihren Raubzügen in der Stadt aufgebaut hatten. "Hey, Mädchen!" schrie einer und ich zuckte leicht zusammen. Ausschauen traute ich mich nicht. "Bist du nicht Ärztin?" fragte er und stellte sich genau vor mich. Ich schaute vorsichtig nach oben zu ihm, er hatte einen kahlen Kopf, aber buschige, dunkle Augenbrauen. Zögernd nickte ich, der Mann vor mir grinste breit. Das war wohl die falsche Antwort. "Gut." sagte er und das war auch schon das letzte was ich sah, bevor mir ein Beutel über mein Gesicht gestülpt wurde und ich gewaltsam auf den Boden gerissen wurde. Ich versuchte zu schreien, doch eine Hand drückte sich auf meinen Hals und ich verstummte. Angst packte mich, als ich die rauen Stricke um meine Hände spürte, immer fester wurde er, bis er mein Blut abschnürte. Dasselbe spürte ich auf auf meinen Knöcheln und verfluchte mich dafür, dass ich diesen bescheuerten Rock an hatte. Ich wurde aufgehoben und über eine Schulter geworfen. "Lasst uns doch noch ein wenig Spaß mit dem Kind haben, sieh sie dir doch nur einmal an." hörte ich eine tiefe Stimme, Tränen stiegen mir in die Augen, als ich eine Hand auf der hinteren Seite meines Obeschenkels spürte. "Gib deine dreckigen Finger da weg, das Kind ist mehr wert als dein Schwanz lang ist." hörte ich die Stimme des Kahlkopfes, er war es offenbar, der mich trug. "Die werden nicht wissen, was ich mit ihr gemacht habe." ertönte wieder die Stimme des anderen. "Wenn du so weiter machst, behalte ich deinen Anteil." sagte wieder der Kahlkopf, der mich trug. Meine Tränen flossen weiter, an wen wollten sie mich überhaupt ausliefern? Ich verscuhte herauszufinden wohin sie mich brachten, doch als sie immer mehr Stufen hoch gingen, war ich nur noch verwirrt. Ich kannte diese Stelle in der Stadt gar nicht. Doch plötzlich spürte ich etwas warmes auf meinen Beinen. Es war ein seltsames Gefühl, auch durch den Beutel auf meinem Kopf sah ich, dass wir auf etwas helles zugingen. Nervös schluckte ich und versuchte aufgrund der Geräusche herauszufinden wo wir waren, als mich der Kahlkopf plötzlich von seiner Schulter nahm und mich hinstellte. "Du bist mehr wert, als du aussiehst Kleine." sagte er und hatte sich extra zu mir nach untern gebückt, um mir das zu sagen. "Ist sie das?" hörte ich nun eine weitere Stimme. Sie klang irgendwie stark, noch nie hatte ich so eine Stimme gehört. "Ja, die kleine Ärztin in der Stadt." "Ist sie unversehrt?" fragte wieder diese unvergleichlich starke Stimme des fremden Mannes. "Sag es ihm." ich wurde in die Richtung von der die fremde Stimme kam, geschubst. "Mir geht es gut." sagte ich mit zittriger Stimme. "Nehmt ihr dieses Ding vom Kopf." sagte der Mann laut und schon wurde mir der Sack vom Kopf gerissen. Das erste was ich sah, war ein helles Licht, was auf meiner Haut kitzelte. Ich zog die Augenbrauen zusammen um mich an das viele Licht gewöhnen zu können. Vor mir stand ein großer Mann, er hatte blondes Haar, das ordentlich zurück gekämmt wurde und ein kantiges Gesicht. Er schaute mich intensiv an, sodass ich den Blick abwenden musste. "Wie heißt du?" fragte er mich. Seine Uniform zeigte die Flügel, Flügel der Freiheit. "Sie sind vom Aufklärungstrupp nicht wahr?" fragte ich stattdessen, sein Blick änderte sich nicht, stattdessen wartete er auf meine Antwort. "Malina Winter." sagte ich und versuchte dem Blick stand zu halten. "Gut, Sie werden ab heute dem Aufklärungstrupp verpflichtet sein." sagte der blonde Mann vor mir. "Ich habe von dem gehört, was Sie für die Menschen dort unten machen, daher habe ich beschlossen, Sie in meine Armee mit aufzunehmen." fassungslos schaute ich ihn an. Dachte er, er könnte einfach die Menschen dort unten behandeln wie er wollte. "Ich denke nicht, dass ich mit Ihnen kommen werde." hörte ich mich selbst sagen. Sein Blick änderte sich eine Sekunde lang, etwas, dass ihn überrascht aussehen ließ. "Ich werde auf keinen Fall dem Schicksal meiner Schwester folgen." sagte ich und er schaute mich weiterhin an. "Sind Sie mit Levi Ackermann vertraut?" fragte er mich und mein Herz begann schneller zu schlagen. Der blonde Mann vor mir machte einen Schritt auf mich zu. "Ich denke, Sie kennen diesen Namen. Als ich ihn damals aus der Unterwelt gezogen habe, war ich nicht so zuvorkommend wie bei Ihnen. Auch er hat sich dazu entschlossen mir zu folgen, das möchte ich auch für Sie. Ich kann Ihnen Chancen bieten, die Sie bis jetzt noch nicht einmal in Ihren Träumen hatten." sagte er und ich schluckte. Meine Patienten waren dort unten. "Hören Sie mir noch einmal zu, Malina. Wenn Sie es nicht schon erraten haben, ich bin der Kommandant des Aufklärungstrupps, ich habe schon viel von Ihrem Talent gehört. Ich kann deshalb nicht zulassen, dass Sie dort unten ihr Leben verschwenden." sagte er etwas eindringlicher. "Sie wollen, dass ich auf eine Selbstmordaktion mit Ihnen und Ihren dummen Soldaten gehe und dort draußen Leben rette, die Sie in Gefahr gebracht haben?" fragte ich wütend. "Genau das möchte ich." sagte er. Darauf wusste ich nichts mehr zu sagen. "Ich werde Sie nicht noch einmal so nett darum bitten." sagte der Kommandant. Wenn er mich aus meinem Leben reißt, soll zumindest jemand davon profitieren. "Was passiert, wenn ich mich weigere." "Sie werde die Unterwelt nicht noch einmal betreten in Ihrem Leben. Es gibt nichts woran Sie sich dort unten anhalten." sagte er und ich seufzte. "Wenn Sie mich schon entführen, habe ich eine Sache für die Sie sorgen sollen, danach werde ich Ihnen folgen." verlangte ich und er schaute die beiden Männer hinter mir an. Dann hörte ich, wie sie die Stufen wieder nach unten gingen. So viel Macht, er konnte zwei gewachsene Männer einfach fort schicken und das mit einem Blick. So viel Macht wollte ich auch. "Es gibt eine Mutter dort unten, sie hat heute erst ein Kind auf die Welt gebracht, der Name der Mutter ist Isabell und der Name der Tochter, Helen. Sorgen Sie dafür, dass dem Mädchen, der Mutter und dem Bruder nichts geschieht und sie ein gutes Leben führen können." sagte ich und der Kommandant nickte sofort.
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Get away // Attack on Titan
FanfictionMalina ist Ärztin, sie wird nicht besonders hoch angesehen, obwohl sie mehr als gute Arbeit leistet. Sie lebt in der Unterwelt von Stohess, kurz nachdem die Mauer von Titanen angegriffen wurde, nahm die Militärpolizei sie fest und lieferte sie dem A...