Kapitel 24

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Endlich konnte ich zu ihr gehen. Als ich diese zwei Rekruten vor ihrem Zimmer sah, wie sie sich unbeschwert unterhielten, als ob sie nicht wüssten weshalb sie vor diesem Zimmer aufgestellt waren, kochte die Wut umso mehr in mir. Erwin liebte dieses Mädchen, das wusste ich. Er hielt viel von ihr, sonst hätte er sich nicht so sehr um sie gekümmert, wie er es getan hat. Ich liebte sie auch, nur anders als er es tat. Es war ein Eingeständnis, das mich kurz zum stehen bleiben anhielt. Doch kaum war ich stehen geblieben, schien alles in meinem Kopf einzustürzen. Ich liebte dieses Mädchen wie verrückt, ich konnte sie nicht länger leiden sehen. Alles was ich wollte war, dass sie endlich die Behandlung bekam, die sie brauchte und die ihr zustand. Es war mehr als genug grausames in ihrem Leben passiert und sie kämpfte noch immer gegen diese Erinnerungen an. Ihr kleiner Körper war übersäht mit Narben von ihrem Kampf. Der Mensch, der dafür verantwortlich war, ist tot und sie konnte sich noch nicht einmal an ihm rächen. Schon an der Reaktion, als sie Kenny gesehen hat, wusste ich, dass sie vielleicht keine Rache wollte, doch sie brauchte sie. Wie sie Historia gegenübertreten würde, wusste ich nicht, vielleicht würde sie sie für die Taten ihres Vaters verantwortlich machen, doch davon ging ich eigentlich nicht aus. Es war wohl eher so, dass Malina sich noch immer in diesem Strudel befand und langsam lernte zu schwimmen. Die Gefühle für sie waren alles was ich ihr geben konnte. Auch wenn ich Erwin damit zurückweisen musste, sie brauchte mich als Ganzes, alles von mir. All das war in der einen Sekunde geschehen, in der ich stehen blieb, dann schritt ich weiter auf sie zu. Als die Rekruten mich dann endlich bemerkten wich ihnen die Farbe aus dem Gesicht. Kein Wunder. Das Hemd stank und hatte unendlich viel Blut aufgesaugt, sodass es schon ganz steif war. "Hauptgefreiter Levi" die beiden salutierten vor mir. "Lasst mich rein." sagte ich nur und die beiden traten ohne Umschweife einen Schritt zur Seite. Ich öffnete die Tür und vor mir sah ich sie. Sie lag ganz knapp bei der Tür. Ihr blondes Haar über dem Boden ausgebreitet und noch immer diese Kleidung, bei dem Hemd wusste ich, dass es nicht ihr gehörte, es war einfach zu sauber. Hinter mir spürte ich die neugierigen Blicke der Rekruten. Ein Blick über die Schulter genügte und sie stellten sich wieder kerzengerade auf. Ich schloss die Tür hinter mir und kniete mich hinunter zu Malina. Sie schien eingeschlafen zu sein. Die Tränenspur, die sich durch den Dreck und das Blut auf ihrem Gesicht zog, verriet, dass sie erst vor Kurzem wieder geweint hatte. Seufzend legte ich meine Hand auf ihre Schulter, sie war ganz knochig. Warum schlief sie auf dem Boden? dachte ich und schüttelte sie kurz. Ich wollte sie zumindest waschen und in ihr Bett legen. Über all das, war jetzt vermutlich noch nicht die Zeit zu reden. Mein Plan war es, sie so lange wie möglich von allem weg zu halten, sie soll endlich etwas zeit für sich haben. Sie schlug erschrocken die Augen auf und schaute mich noch erschrockener an. Die Wut, die ich noch vor wenigen Stunden auf sie hatte war verflogen. Ich wollte sie einfach nur im Arm halten. Sie sagte kein Wort und ich schaffte es auch nicht meine Lippen zu öffnen um etwas zu sagen. Dennoch musste ich mich überwinden, "Ich wasche dich." sagte ich vorsichtig. Sie schien langsam zu sich zu kommen und nickte. Ich hatte irgendwie mit mehr Gegenwehr gerechnet, doch sie ließ sich einfach von mir hochziehen und ging vor mir in ihr Badezimmer. Es war deutlich kleiner, als das, von mir, doch es war genug. Sie begann nicht selbst sich auszuziehen und ich wollte sie auch nicht bedrängen, deswegen legte ich zuerst meine Jacke ab und wartete was sie daraufhin tat. "Möchtest du dich nicht selbst ausziehen?" fragte ich zur Sicherheit, woraufhin ihre Wangen rot wurden. Ich verdrehte die Augen. "Malina.." "Dreh dich um" sagte sie. Mein Herz zog sich schmerzlich zusammen, ihre Stimme war ganz brüchig und heiser. Ich konnte also nur erahnen was sie mit ihr gemacht hatten. Die Platzwunde auf ihrem Kopf und die frischen Kratzer ließen mich schwerer atmen, dann drehte ich mich aber trotzdem um. Vielleicht haben sie auch schlimmeres mit ihr gemacht. 


MALINA POV: 


Ich zog mich schnell aus und setzte mich in die kleine Duschkabine. Der Stein war kalt auf meinen nackten Füßen und trieb mir eine Gänsehaut über den Rücken. "Okay." sagte ich kleinlaut und Levi drehte sich wieder zu mir um. Ich verdeckte alle Stellen, doch irgendwie kam ich mir noch immer ganz entblößt vor. Vergessen hatte ich nicht, dass Levi mich schon nackt gesehen hatte, doch die ganze Situation der vergangenen Tage hatte diesen Abgrund zwischen uns vergrößert, ich wusste einfach nicht wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Doch er schien es zu wissen und krempelte sein Ärmel hoch. In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Ich bereute es ihn verraten zu haben, trotzdem würde ich es wieder tun. Ich wollte ihn und auch alle anderen beschützen. Das Rod Reiss nun tot war, erleichterte mich kaum. Meine Furcht, dass seine Anhänger nun kommen würden und sich für seinen Tod rächen würden war einfach zu groß. Als ich an diese Stimmen dachte spürte ich bereits den Nebel in meinem Kopf hochsteigen und über meine gesamte Haut legte sich ein dünner Schweißfilm. Ich versuchte mich daran zu erinnern, was geschehen war. Ich hatte den Eindruck nur kurz weg gewesen zu sein, doch Erwin hatte von mehreren Tagen gesprochen. Krampfhaft versuchte ich den Nebel zu vertreiben und konnte nur Erinnerungsfetzen sehen. Wie ich mich ergeben hatte und darum flehte Levi die Freiheit zu lassen. Die nächste klare Erinnerung war erst, als ich in dieser gläsernen Halle war. Doch dazwischen schien ich etwas ausgelassen zu haben. Dann blitzte es vor meinem inneren Auge auf. Zwei Männer, wie sie festgeschnallt waren und ich meinen Hände in ihren Körpern hatte. Sie schrien voller Schmerzen und bettelten mich an aufzuhören. Der nächste Fetzen war eine Frau, dessen Kind ich in den Händen hielt. Es schrie, sie hatte es gerade erst zur Welt gebracht. Doch mir wurde das Kind aus den Händen gerissen, noch bevor ich es abwischen konnte. Und überall war Blut. Ich bettelte und schrie, dass ich nicht mehr wollte, dann brach es ab. Der letzte Fetzen zeigte ein Kind, wie ich versuchte es zu beruhigen. "Ich weiß was du machst!" weinte es, es war ein kleiner Junge. "Monster! Monster!" schrie er mich an, dann öffnete ich seine Bauchdecke und Blut floss. "Malina?" riss mich Levi aus meinem Kopf heraus. Erschrocken sah ich ihn an. Er schien sofort verstanden zu haben. "Was haben sie mit dir gemacht?" fragte er mehr sich selbst als mich. Dann erst fielen mir die neuen Narben an mir auf. Sie waren rot und einige gingen immer wieder auf, sie waren tief und rochen nach Eisen. Der Rest meiner Arme und auch mein Oberkörper war übersäht mit blauen Flecken, wie ich sie bekommen hatte, wusste ich nicht mehr. Ich konnte kein Wort mehr über die Lippen bringen. Ich hatte es schon wieder getan, ich habe Menschen ihre Organe herausgenommen. Sie waren alle lebendig, ich habe einer Mutter ihr Kind gestohlen und dabei wusste ich nichts über diese Menschen. Weder ihre Namen, woher sie kamen oder ob ich sie umgebracht habe. Dass Levi mir die Haare wusch und meinen Körper vorsichtig abschrubbte merkte ich kaum. Auch nicht, als er versuchte mit mir zu reden, ich hatte ihn einfach ausgeblendet. Mein Blick war stattdessen auf den Abfluss gerichtet, das Blut, dass von meinem Körper abgewaschen wurde, konnte all diesen Menschen gehören und nun verschwand es einfach. Es schien mir fast so, als wolle ich die Schuld von mir waschen. "Malina, steh auf." wies Levi mich vorsichtig an, fast so als hätte er Angst, dass ich wieder einen Anfall erleiden würde, wenn er zu grob mit mir wäre. Ich schaffte es nicht ihn anzusehen, ich wollte nicht, dass er meine Schuld sah oder mich überhaupt. Ich wollte, dass er geht. Sein Blick ließ die Worte jedoch nicht über meine Lippen kommen und so tat ich was er sagte und richtete mich langsam auf. Es fühlte sich seltsam an so nackt vor ihm zu stehen. In seinem Blick konnte ich jedoch nicht die geringste Spur von Verlangen oder sonst etwas sehen, er schaute mich kalt an. Dann nahm er sich ein Handtuch und trocknete mich ab. Er selbst war noch völlig verdreckt und voller Blut. Ich streckte die Hand aus und nahm eine steife Strähne seiner Haare zwischen meine Finger. Er stank noch dazu. Obwohl ich seine Haare immer und immer mehr berührte, tat er so, als würde er es nicht einmal merken. "Du musst auch gewaschen werden." krächzte ich. Levi schien nur für den Bruchteil einer Sekunde inne zu halten, drehte mich dann aber an der Hüfte um, sodass ich mit dem Rücken zu ihm stand. Ich hörte noch, wie er aufstand und das Badezimmer verließ. Er holte mir Kleidung und half mir, mich anzuziehen, als hätte ich vergessen wie das geht. Während all dies passierte, sagte er kein einziges Wort zu mir. Zu meiner Überraschung brachte er mir keine neue Uniform, sondern ein Leinenhemd und eine schwarze gemütliche Hose. Dazu noch Wollsocken und Unterwäsche. Schließlich stand ich fertig gewaschen, mit nassen Haaren vor ihm, er saß noch immer auf dem Schemel und starrte die Knöpfe meines Hemdes an. Nur seine Hände waren sauber, sonst waren seine Arme und sein Gesicht noch immer dunkel von dem ganzen Staub und dem Blut. Ich sollte ihn auch waschen. Unüberlegt griff ich zum Kragen seines Hemdes und wollte es aufmachen, doch er packte meine Handgelenke. Ein Brennen durchfuhr mich von dort, wo die Narben noch ganz frisch waren. "Wage es nicht." zischte er und stand dann auf. Er war wütend. Ich blieb in derselben Position stehen, lange nachdem Levi mein Zimmer verlassen hatte. 

Get away // Attack on TitanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt